COVID-19: Corona-Varianten weichen der Antikörperantwort aus
Seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie sind durch Mutation verschiedene Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 entstanden. Die Variante Delta (B.1.617.2) ist derzeit in Deutschland vorherrschend. Forschende berichten nun, dass diese und auch die ebenfalls zuerst in Indien entdeckte Corona-Mutante Delta plus der Antikörperantwort ausweichen.
Mittlerweile haben sich mehrere Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 massiv verbreitet, erklärt das Bundesministerium für Gesundheit auf dem Portal „Zusammen gegen Corona“: Gerade die Virusvariante Delta tritt derzeit weltweit vermehrt auf und gilt als besorgniserregend. Neue Studie zeigen nun, dass die Corona-Varianten Delta und Delta Plus Lungenzellen besser infizieren und schlechter durch Antikörper gehemmt werden.
Ende der COVID-19-Pandemie gefährdet
Wie es in einer aktuellen Mitteilung des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung heißt, gefährdet das Auftreten von neuen SARS-CoV-2-Varianten, die sich schnell ausbreiten und den Impfschutz unterlaufen können, das Ende der COVID-19-Pandemie.
Die Delta-Variante (B.1.617.2) hat sich von Indien aus in kurzer Zeit weltweit ausgebreitet und auch in Deutschland gehen mittlerweile fast alle Infektionen auf diese Variante zurück. Zudem wurden sogenannte Delta Plus Viren beobachtet, die zusätzliche Mutationen tragen, die sie möglicherweise gefährlicher machen.
Ein Forschungsteam um Stefan Pöhlmann und Markus Hoffmann vom DPZ in Göttingen sowie Forschende an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der Universitätsmedizin Göttingen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg haben untersucht, warum sich die Delta-Variante so schnell ausbreitet, und ob Delta Plus Viren besonders gefährlich sind.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zeigen, dass Delta und Delta Plus Lungenzellen besser infizieren als das Ursprungsvirus. Außerdem war einer von vier zur Behandlung von COVID-19 eingesetzten Antikörpern gegen Delta nicht wirksam und Delta Plus war sogar gegen zwei der Antikörper resistent.
Antikörper weniger wirksam
Auch Antikörper, die nach Impfungen mit den Impfstoffen von BioNTech-Pfizer und Oxford-AstraZeneca gebildet wurden, waren gegen Delta und Delta Plus weniger wirksam als gegen das Ursprungsvirus.
Delta und Delta Plus wurden dagegen vergleichbar gehemmt, weswegen davon auszugehen ist, dass Delta Plus für Geimpfte wahrscheinlich keine größere Gefahr darstellt als Delta. Schließlich hatten Personen, die zuerst mit Oxford-AstraZeneca und dann mit BioNTech-Pfizer geimpft wurden, deutlich mehr Antikörper, die Delta hemmten, als Menschen, die zweimal mit Oxford-AstraZeneca geimpft wurden.
Daher könnte die Kombination von Impfstoffen geeignet sein, um einen besonders starken Schutz gegen SARS-CoV-2-Varianten aufzubauen.
Fast alle Fälle hierzulande gehen auf Delta-Variante zurück
Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) gehen derzeit mehr als 99 Prozent der SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland auf die Delta-Variante zurück. Mit Hilfe von Experimenten in Zellkultur konnte das Forschungsteam zeigen, dass Delta im Vergleich zum Ursprungsvirus (das Virus, das sich in der führen Phase der Pandemie ausgebreitet hat) besser in Lungenzellen eindringen kann. Darüber hinaus gelingt es Delta besser, infizierte Lungenzellen mit nicht infizierten Zellen zu verschmelzen.
„Es ist denkbar, dass sich die Delta-Variante durch die Verschmelzung von Zellen in den Atemwegen besser ausbreiten und größeren Schaden anrichten kann. Das könnte zu schwereren COVID-19-Verläufen beitragen“, vermutet Prerna Arora, Wissenschaftlerin am DPZ und Erstautorin zweier Studien, die sich speziell mit der Delta- und Delta Plus-Variante befassen.
Zur Behandlung von COVID-19 werden oft monoklonale Antikörper eingesetzt. Dabei handelt es sich um Proteine, die gentechnisch hergestellt werden. Anders als das menschliche Immunsystem, das bei einer Infektion eine Vielzahl von Antikörpern gegen den Erreger produziert, werden also für die COVID-19-Therapie nur isolierte Antikörper oder Kombinationen dieser Antikörper eingesetzt. Vier dieser Antikörper hat das Team untersucht.
Dabei zeigte sich, dass Delta resistent ist gegen den Antikörper Bamlanivimab und Delta Plus ist resistent gegen zwei Antikörper: Bamlanivimab und Etesevimab, die bei der Behandlung von Erkrankten in Kombination eingesetzt werden.
Dass Delta und Delta Plus weniger gut durch Antikörper von infizierten und geimpften Personen gehemmt (neutralisiert) werden als das Ursprungsvirus, hat vermutlich zur schnellen Ausbreitung von Delta beigetragen. Ein Vergleich von Delta und Delta Plus zeigte, dass beide Erreger vergleichbar neutralisiert werden. „Das bedeutet, dass die Impfung wahrscheinlich einen vergleichbaren Schutz gegen Delta und Delta Plus vermittelt und Delta Plus nicht deutlich gefährlicher ist“, so Pöhlmann.
Kreuzimpfungen schützen besonders gut
Das Vakzin von BioNTech-Pfizer wird in Europa am häufigsten eingesetzt, gefolgt vom Impfstoff von Oxford-AstraZeneca. Aufgrund von sehr seltenen Nebenwirkungen nach Impfung mit letzterem Impfstoff wird in verschiedenen Ländern empfohlen, dass bei Personen, die bereits eine erste Impfung mit Oxford-AstraZeneca erhalten haben, BioNTech-Pfizer für die zweite Impfung eingesetzt wird. Die Rede ist dann von einer Kreuzimpfung.
„Unsere Studien zeigen, dass die Kreuzimpfung deutlich mehr neutralisierende Antikörper gegen Delta induziert als zwei Impfungen mit Oxford-AstraZeneca“, so Hoffmann. Personen, die eine solche Kreuzimpfung erhalten haben, könnten daher laut dem Experten besonders gut vor Delta und Delta Plus geschützt sein.
„Unsere Ergebnisse decken sich mit der Beobachtung, dass Impfungen effizient vor einer schweren Erkrankung nach Infektion mit Delta schützen, aber die Infektion häufig nicht vollständig unterdrücken können. In Anbetracht des starken Schutzes vor schwerer Erkrankung muss das Ziel weiterhin eine möglichst hohe Impfquote sein. Dies sollte verhindern, dass bei einer starken Ausbreitung von Delta und eng verwandten Viren in den Wintermonaten das Gesundheitssystem überlastet wird“, sagt Pöhlmann.
Die Ergebnisse der drei Studien wurden in den Fachmagazinen „The Lancet“, “Cell Reports“ sowie „Cellular & Molecular Immunology“ veröffentlicht. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung: Delta und Delta Plus weichen der Antikörperantwort aus, (Abruf: 16.10.2021), Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung
- Behrens GM, Cossmann A, Stankov MV, Nehlmeier I, Kempf A, Hoffmann M, Pöhlmann S: SARS-CoV-2 delta variant neutralisation after heterologous ChAdOx1-S/BNT162b2 vaccination; in: The Lancet, (veröffentlicht: 17.08.2021), The Lancet
- Arora P, Sidarovich A, Krüger N, Kempf A, Nehlmeier I, Graichen L, Moldenhauer AS, Winkler MS, Schulz S, Jäck HM, Stankov MV, Behrens GMN, Pöhlmann S, Hoffmann M: B.1.617.2 enters and fuses lung cells with increased efficiency and evades antibodies induced by infection and vaccination; in: Cell Reports, (veröffentlicht: , Cell Reports
- Arora P, Kempf A, Nehlmeier I, Graichen L, Sidarovich A, Winkler MS, Schulz S, Jäck HM, Stankov MV, Behrens GMN, Pöhlmann S, Hoffmann M: Delta variant (B.1.617.2) sublineages do not show increased neutralization resistance; in: Cellular & Molecular Immunology, (veröffentlicht: 11.10.2021), Cellular & Molecular Immunology
- Bundesministerium für Gesundheit: Wie gefährlich sind die Coronavirus-Varianten?, (Abruf: 16.10.2021), Zusammen gegen Corona
Wichtiger Hinweis:
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