Der Pharmakonzern Bayer zahlt Entschädigung für HIV-infizierte Bluter
27.01.2011
Das Pharmaunternehmen Bayer hat sich in einem Vergleich auf die Zahlung mehrerer Millionen Euro als Entschädigung für Menschen, die an der Bluterkrankheit leiden und durch „Plasmaderivat-Therapien“ von Bayer mit HIV oder Hepatitis-C infiziert wurden, geeinigt.
Gemeinsam mit drei weiteren beschuldigten Pharmakonzernen wird die Bayer AG einen zweistelligen Millionenbetrag an Menschen mit der Bluterkrankheit zahlen, die sich durch eine „Plasmaderivat-Therapie“ mit HIV oder Hepatitis C infiziert haben. Neben Bayer sind auch die Unternehmen Baxter, Behring-Aventis und Alpha betroffen. Die beschuldigten Konzerne hatten bereits 2009 mit einer amerikanischen Anwaltskanzlei, die eine Vielzahl von Klägern vertritt, einen Vergleich beschlossen, doch dieser musste erst noch genehmigt und vom Großteil der Kläger akzeptiert werden. Dass bis heute keine Fakten zu den angebotenen Zahlungen bekannt wurden, ist darauf zurückzuführen, dass die Betroffenen und ihre Anwälte mit dem Vergleich auch zum Stillschweigen verpflichtet wurden.
Vergleich mit HIV-infizierten Blutern über 50 Millionen Euro
Nach Aussage der Organisation „Coordination gegen BAYER-Gefahren, CBG“ sind die beklagten Pharmakonzerne bereit mehr als 50 Millionen Dollar an HIV-infizierte Bluter aus 22 Ländern zu zahlen, die sich durch Blutplasma-Produkte der genannten Unternehmen mit der Krankheit infiziert haben. Dies komme einem Schuldeingeständnis gleich, wertete die CBG den jetzt bekannt gewordenen Vergleich. In mehreren Staaten – unter anderem in den USA – liefen gegen Bayer und die anderen Pharmakonzerne zahlreiche Klagen, „die sich auf Schadenersatz für außerhalb der USA lebende Kläger richten“, so die Aussage im letzten Aktionärsbrief 2010 der Bayer AG. Die Kläger beschuldigten die Konzerne, zwischen 1978 und 1985 verunreinigten Blutproben im Zuge der angebotenen „Plasmaderivat-Therapien“ eingesetzt zu haben, wodurch die Betroffenen sich mit HIV oder dem Hepatitis-C-Virus infiziert hätten. Die verwendeten Blutplasma-Produkte seien verseucht gewesen, so die Aussage der Kläger. Bayer hatte bereits 1997 rund 300 Millionen Euro in einen Ausgleichsfonds für nach einer Bluttransfusion an Aids erkrankte Bluter gezahlt.
Mehrheit der Mandanten musste den Vergleich akzeptieren
Zu einem direkten Schuldeingeständnis konnte sich auf Seiten der Pharmakonzerne – angesichts der drohenden Schadensersatzzahlungen – jedoch niemand durchringen. Für sie war der nun bekannt gewordenen Vergleich die sauberste Lösung. Allerdings „mussten einige Bedingungen erfüllt werden, bevor die Vereinbarung in Kraft treten konnte“, so die Aussage im Aktionärsbrief des Bayer Konzerns. Damit ist gemeint, dass die Mehrheit der von der Kanzlei vertretenen Mandanten den Vergleich auch akzeptieren musste, was nun nach Aussage des Konzerns erfolgt sei. 90 Prozent der Kläger hätten dem Vergleich zugestimmt, so dass dieser in Kraft treten konnte. HIV-infizierte Bluter in Deutschland werden davon jedoch nicht profitieren. Sie erhalten bereits eine monatliche Rente und durften an der Sammelklage nicht teilnehmen, erklärte die CBG. Einige deutsche Bluter (Hämophile), die unter Gelbsucht leiden, werden nach Angaben der CBG allerdings im Rahmen des Vergleichs berücksichtigt.
CBG: Konzerne erpressen Opfer zum Stillschweigen
Insgesamt macht der Vergleich den betroffenen Blutern das Leben sicher ein wenig einfacher, doch heilen kann sie das Geld nicht. Und auch wenn die beschuldigten Pharmakonzerne mit dem Vergleich quasi indirekt ihre Schuld eingestehen, ist die parallel verhängte Schweigepflicht nach Einschätzung der CBG mehr als fragwürdig. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG erklärte: „Es ist empörend, dass die verantwortlichen Firmen von den Opfern ein Stillschweigen erpressen!“. Diese Art der Geheimhaltungspolitik werfe eine zweifelhaftes Bild auf die eigentlich positive Entschädigungsbereitschaft der Konzerne. Außerdem komme der Vergleich ohnehin einem „faktischen Schuldeingeständnis“ der beklagten Unternehmen gleich.
Bluter wissentlich mit verseuchtem Blutplasma versorgt
Für die CBG ist die Aufklärung des Skandals um verseuchte Blutplasma-Produkte mit dem Vergleich keineswegs abgeschlossen. Die Organisation fordert strafrechtliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen bei den beklagten Firmen. „Als Hauptschuldige des Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte darf sich die Firma BAYER nicht aus der Verantwortung stehlen“, betonte Philipp Mimkes. Dass die Konzerne über ihr skandalöses Verhalten am liebsten nicht mehr reden und dies auch den Betroffenen untersagen möchten, ist angesichts der damaligen Verfahrensweisen nur zu gut zu verstehen. Denn nach Aussage der CBG hat zum Beispiel das Tochterunternehmen des Bayer Konzerns, die Firma Cutter, Mitte der achtziger Jahre als Weltmarktführer für Gerinnungsmittel, existierende Inaktivierungsverfahren aus Kostengründen nicht eingesetzt, obwohl das Infektionsrisiko für Bluter dem Unternehmen bekannt war. Sogar nachdem unbehandelte Blutprodukte in den USA und Europa verboten wurden, habe Cutter übriggebliebene Chargen noch nach Lateinamerika und Asien exportiert. Diese wissentliche Infizierung Tausender Bluter mit HIV war nach Einschätzung der CBG eines der düstersten Kapitel in der Firmengeschichte des Bayer-Konzerns. Das die weitere Aufklärung jetzt durch die Stillschweigeverpflichtung im Vergleich unterbunden wird, ist nach Aussage der CBG empörend und lässt nur allzu gut das wahre Gesicht der Konzerne erkennen, die sich sonst so gerne als nachhaltig, umwelt- und gesellschaftsfreundlich darstellen. (fp)
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