Bestimmte Bakterien der Darmflora können Multiple Sklerose (MS) antreiben, wobei offenbar auch deren Oberflächenstruktur eine wesentliche Rolle spielt. Wenn diese der Schutzschicht von Nerven ähnelt, wird das Immunsystem zum Angriff auf Zellen des Nervensystems verleitet.
Ein Forschungsteam unter Federführung von Fachleuten der Universität Basel und der Universität Bonn hat in einer aktuellen Studie untersucht, welchen Einfluss Bakterien mit einer ähnlichen Oberflächenstruktur wie die sogenannte Myelinschicht auf den Verlauf von MS haben. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Gut Microbes“ veröffentlicht.
Darmflora beeinflusst Erkrankungsrisiko & Verlauf
Dass die Darmflora eine Rolle bei der Entwicklung und dem Verlauf Multipler Sklerose spielt, haben verschiedene frühere Forschungsarbeiten bereits eindeutig belegt und beispielsweise kam zuletzt eine in dem Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichte Studie zu dem Ergebnis, dass bestimmte Bakterien der Darmflora MS auslösen können.
Auch ist bekannt, dass die Darmflora das Immunsystem beeinflusst und fehlgeleitete Angriffe des Immunsystems auf die Schutzhüllen der Nervenfasern bilden ein wesentliches Merkmal bei MS. Über welche Mechanismen bestimmte Darmbakterien die Autoimmunreaktionen auslösen können, bleibt bisher jedoch unklar.
Einfluss Myelin-ähnlicher Oberflächenstruktur?
Hier bestand der Verdacht, dass entzündungsfördernde Darmbakterien, die ähnliche Oberflächenstrukturen wie die Myelinschicht der Nerven haben, von Bedeutung sind, erläutern die Forschenden der Universitäten Basel und Bonn.
Diese Bakterien könnten eine Reaktion des Immunsystems auslösen, die sich nicht nur gegen sie selbst sondern auch gegen die körpereigene Myelinschicht richtet, so die Fachleute weiter. Die Ähnlichkeit zwischen den Bakterien und der Myelinschicht werde dabei als „molekulares Mimikry“ bezeichnet.
In Untersuchungen an Mäusen mit MS überprüften die Forschenden nun die Wirkung von entzündungsfördernden Salmonella-Bakterien, die mit molekularbiologischen Methoden so verändert wurden, dass sie eine ähnliche Oberflächenstruktur wie die Myelinschicht aufwiesen. Verglichen wurde die Wirkung mit der von unveränderten Bakterien der gleichen Art.
Beschleunigung des Krankheitsverlaufs
Die Myelin-ähnlichen Salmonella-Bakterien bewirkten eine signifikante Beschleunigung des Krankheitsverlaufs, während die entzündungsfördernden Bakterien allein die Krankheit nur bedingt befeuerten, erklärt sie Studienautorin Prof. Dr. Anne-Katrin Pröbstel.
„Die Kombination aus entzündlichem Milieu und molekularem Mimikry aktiviert spezifische Immunzellen. Diese vermehren sich, wandern ins Nervensystem ein und greifen dort die Myelinschicht an“, so Pröbstel weiter.
Ersetzten die Forschenden die Salmonella-Bakterien durch E. coli-Bakterien, die Teil einer normalen Darmflora sind und nicht entzündlich wirken, zeigten die Mäuse einen milderen Krankheitsverlauf.
Hofnung auf neue Therapieansätze
Dies bringt die Forschenden zu der Hoffnung, dass die Nutzung von anderen Bakterien, die das Immunsystem aktiv beruhigen, die Immunzellen womöglich darauf schulen könnte, das Myelin zu tolerieren und nicht anzugreifen.
Insgesamt zeige die Studie, dass nicht nur die Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle bei MS spielt, sondern dass die Myelin-ähnliche Oberflächenstrukturen auf bestimmten Bakterien dazu beitragen können, wie die Krankheit verläuft. Dies könnte jedoch auch neue Therapieoptionen auf Basis modifizierter Darmbakterien eröffnen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Lena K. Siewert, Kristina Berve et al.: Antigen-specific activation of gut immune cells drives autoimmune neuroinflammation; in: Gut Microbes (2025)
- Universität Basel: Fatale Verwechslung: Wie bestimmte Darmbakterien Multiple Sklerose antreiben (veröffentlicht 15.12.2025), unibas.ch
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.







