Tierschützer kritisieren: Wurden 17.000 Geflügeltiere aufgrund eines eigentlich harmlosen Vogelgrippe-Erregers voreilig getötet?
Auf Weisung des Kreisveterinäramtes Parchim in Mecklenburg-vorpommern wurden jetzt in Kobande etwa 17.000 Gänse, Enten und Hühner getötet, weil bei einer Routineuntersuchung in dem Bestand Vogelgrippe-Viren vom Typ H5N2 festgestellt wurden. Dieser Erregertyp wird allgeimein von Virologen als völlig harmlos eingestuft. Im europäischen Ausland werden deshalb auch keine Bestandstötungen aufgrund dieses Erregers vorgenommen, wie die Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e.V. mitteilte.
Die Tiere des betroffenen Geflügelbetriebs werden in Ställen vorgemästet, um dann, wenn das Federkleid genug Schutz bietet, bis zur Schlachtung in ganztägiger Freilandhaltung artgemäß leben zu dürfen. „Dies ist die tierfreundlichste Art der Mast“, betonte Dr. Rosemarie Heiß, die den Bestand tierärztlich betreut.
Massentötungen dieser Art riefen in der Vergangenheit massive Proteste nicht nur auf Seiten der Tierschützer hervor. Das wirkt sich nachteilig auf den Absatz von Geflügelfleisch aus, weshalb die Geflügel-wirtschaft keine Öffentlichkeit will. Tierschützer Eckard Wendt von der Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e.V. (AGfaN) durfte das Gelände deshalb auch nicht betreten. Er konnte aber den Ablauf von außerhalb beobachten: Die Tiere wurden unter Aufsicht eines Amtsveterinärs von vier Personen ruhig in Pferche und in die Transportkörbe getrieben, lahmende Tiere sogar fast behutsam aufgenommen. Nur gelegentlich vergaß einmal ein Arbeiter den unerwünschten Beobachter und warf eine Gans in den Transportbehälter. Die Fahrt zum zentral aufgestellten Vergasungscontainer verlief langsam und damit schonend. Das Entladen in den Container dagegen bewertete Wendt als absolut tierschutzwidrig. Die Tiere wurden hoch über dem Container in einen Trichter mit Fallrohr geschüttet. Die Tötung erfolgte wie üblich mit CO2-Gas (Kohlendioxid). CO2 verbindet sich mit der Feuchtigkeit der Atemwege zur stark reizenden Kohlensäure (H2CO3), die extreme Angstzustände auslöst. Der Tod tritt durch Sauerstoffentzug, also durch Ersticken ein.
Agrarministerium weist Kritik zurück
Das Landwirtschaftsministerium wies die Kritik der Tierschützer zurück. Laut einer Sprecherin sei eine Schlachtung nicht möglich gewesen. Allerdings werde die Massentötung der Tiere durch Fachkräfte überwacht. Mit der Tötung der Tiere soll ein Übergreifen der Infektion auf andere Geflügelbestände verhindert werden. Nach wie vor geht man in dem Ministerium davon aus, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass der an sich harmlose Virus zu dem gefährlichen H5N1-Virus mutiert. Dies könne generell bei den Viren Typen H5 und H7 der Fall sein. Desto mehr Tiere zusammen leben, um so größer sei auch die Gefahr. Zudem habe man nach der Tierschutzverordnung gehandelt, die eine Tötung in solchen Fällen vorsieht.
Dagegen hält Tierärztin Dr. Karin Ulich von dem Verband "Mensch & Tier e.V.": "Es ist völlig ausgeschlossen, dass der harmlose Influenza-Typ H5N2, der im Kreis Parchim bei gesunden Enten und Gänsen gefunden wurde, zu H5N1 mutiert. Gesunde Freilandtiere mit intaktem Immunsystem bilden gegen H5N2 schützende Antikörper. Durch diesen natürlichen Vorgang verschwinden die Viren nach kurzer Zeit aus dem Bestand." (PM Eckard Wendt, Sb, pm Tier & Mensch, 15.11.2010)
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Bildnachweis: Eckard Wendt / AGfaN
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