Antidepressiva wegen hoher Anzahl von Serotonin- Rezeptoren bei manchen Menschen unwirksam? US- amerikanische Forscher haben bei Mäusen in einer Hirnregion einen möglichen Grund für die Unwirksamkeit von Antidepressiva entdeckt. Sie fanden dort viele Serotonin- Rezeptoren, die wohl die Wirkung einer künstlichen Erhöhung des Serotonin- Spiegels durch Medikamente hemmen könnten.
Die Forscher um Jesse Richardson- Jones von der Columbia- Universität in New York veröffentlichten die Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des us- amerikanisches Fachjournals „Neuron“ (Volume 65 Issue 1).
In der Vergangenheit bestand seit längerem die Annahme, dass medikamentös behandelte Menschen, die schlechter auf die Antidepressiva ansprachen, viele der eingangs erwähnten Serotonin- Rezeptoren besitzen könnten. Es bestand aber immer eine Diskrepanz zwischen der Annahme und der Nachweisbarkeit.
Richardson-Jones und seine Kollegen waren nun in der Lage eine definitive Aussage zu treffen, weil sie die Mäuse in ihrem Versuch gentechnisch so veränderten, dass es ihnen möglich war, die Zahl der besagten Rezeptoren gezielt zu erhöhen, bzw. zu verringern. So konnten sie feststellen, dass die Versuchstiere mit überdurchschnittlich vielen Autorezeptoren kaum bis garnicht auf die Medikamente der Gruppe der Selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) ansprachen. Wenn die Forscher die Zahl der Rezptoren verringerten, konnten sie eine Wirkung registrieren.
Hintergrund der hohen Medienaufmerksamkeit der Ergebnisse ist unter anderem die seit Jahren schwelende Diskussion darum, welche Rolle EIN einzelner Stoff (in diesem Fall Serotonin) und natürlich vor allem die Gabe und Wirkung EINES Medikamentes bei der Depression spielen.
Serotonin und Depression- die Monoamin- Theorie
Im Falle einer Depression sind bei Betroffenen häufig die Stimmung, das Schlafverhalten und emotionale Prozesse betroffen. Dies sind alles Funktionen, die stark durch Serotonin beeinflusst werden. Deshalb erscheint es aus biochemischer Sicht schlüssig, daß das Serotonin im Organismus der Betroffenen etwas damit zu tun hat.
Entstanden ist diese Sicht wohl in den 1950er Jahren, als ein Bluthochdruckmittel (Reserpin) als Auslöser von Depressionen galt und daraufhin behauptet wurde, dass es einen Mangel an dem besagten Serotonin und einem weiteren Hormon (Noradrenalin) verursachen würde. Da beide zur Gruppe der sogenannten Monoamine gehören, nannte man diese These die „Monoamin- Theorie“.
Die Medikamente der Gruppe der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) erhöhen, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Paroxetin, die Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt- dies ist der Zwischenraum zwischen dem Ende einer Nervenzelle und der nachfolgenden Zelle, auf die der Reiz übertragen werden soll (meist Muskel- oder weitere Nervenzelle)-, weil sie eine stark hemmende Wirkung auf die Wiederaufnahme von Serotonin haben, womit sie letztendlich die Deaktivierung des Neurotransmitters verhindern.
Es gibt aber auch andere Behandlungsmodelle: Der Wirkstoff Tianeptin, der in dem Medikament Stablon® des französischen Pharmaunternehmens Les Laboratories Serviers vorhanden ist, ist ein sogenannter Serotonin- Wiederaufnahmeverstärker (SSRE). Damit bewirkt er am synaptischen Spalt genau das Gegenteil der SSRIs. Er beschleunigt die Wiederaufnahme von Serotonin. Und auch er soll antidepressiv und angstlösend mit weniger Nebenwirkungen als SSRI wirken. In Deutschland ist das Mittel zur Behandlung depressiver Störungen nicht zugelassen und nicht erhältlich.
Andere Theorien der Depressionsgenese und -behandlung
Wie eingans schon erwähnt, vermutet man auch bei dem Neurotransmitter Noradrenalin einen Zusammenhang zur Depression und dass evtl. die derzeitigen Mittel auch das Noradrenalin und damit die Depression beeinflussen. Und auch die Wirkung von Dopamin wird im Zusammenhang mit der Depression diskutiert.
Es scheint nicht nur aus biochemischer Sicht sehr schwer, bei so komplexen Wirkmechanismen, wie denen von Neurotransmittern ohne das Erkennen und (in der Behandlung) Beachten von Zusammenhängen eindeutige Aussagen zu treffen. Denn genauso, wie ein Neurotransmitter mehrere Beeinflussungsmechnismen und -orte in unserem Organismus hat, gilt dies auch für ein Medikament mit seinen Wirkstoffen.
Aktuell kamen Forscher um Dr. James E. Gangwisch vom Columbia University Medical Center in New York zu Ergebnissen, die die These unterstützen, wonach auch zu wenig Schlaf vor allem bei Jugendlichen zu Depressionen und Suizidgedanken führen könnten.
Forscher der Washington State University in Richland, Washington berichteten laut der Organisation Foodconsumer, dass Frauen, die Vitamin D nahmen, auch einen Einfluss auf Depressionen erlangten. Der Psychologe Prof. Irving Kirsch von der Universität Hull in England konstatierte schon 2002, dass Placebos durchschnittlich zu 82 % die Wirkung von Antidepressiva erreichen und vertritt in seinem neuestem Buch „The emperor’s new drugs: Exploding the antidepressant myth“ gar die Ansicht, dass die These, Depressionen seien durch ein chemisches Ungleichgewicht im Kopf verursacht seien, schlicht falsch ist.
Richardson- Jones und Kollegen wollen nun diese Mechanismen beim Menschen nachweisen. Schon vor Beginn einer medikamentösen Behandlung soll es nach ihrem Willen möglich sein, auf das Vorhandensein von vielen Autorezeptoren zu testen und diese gegebenenfalls mit Hemmstoffen zu blockieren. Aber ein wichtiger Punkt ist: Das persönliche Schicksal und der psychotherapeutische Ansatz werden in einer rein biochemisch geprägten Sicht aussen vor gelassen. (Thorsten Fischer, Heilpraktiker Osteopathie 15.01. 2010)
Weitere Informationen
1. Buch von Irving Kirsch:
Kirsch, Irving (2009). The Emperor’s New Drugs: Exploding the Antidepressant Myth. London: The Bodley Head
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.