Wird das Hören schlechter, leidet das Gehirn. Jetzt hat sich gezeigt, dass bereits ab dem mittleren Lebensalter ein Zusammenhang zwischen Hörverlust und kognitivem Abbau besteht. Diese Erkenntnis liefert wichtige Impulse für die Prävention und Gesundheitsvorsorge.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of São Paulo in Brasilien wurde der Zusammenhang zwischen Hörverlust und kognitivem Abbau während einer achtjährigen Nachbeobachtung anhand einer brasilianischen Stichprobe untersucht. Die Ergebnisse sind in dem „Journal of Alzheimer’s Disease“ nachzulesen.
Hörvermögen der Teilnehmenden bewertet
Die für die Studie ausgewerteten Daten stammen aus der groß angelegten Gesundheitsstudie ELSA-Brasil, die seit 2008 über 15.000 brasilianische Staatsbedienstete wissenschaftlich begleitet. Für die aktuelle Untersuchung wurden 805 Teilnehmende im mittleren Lebensalter ausgewählt, bei denen in einem Zeitraum von acht Jahren drei Audiometrie-Tests durchgeführt wurden.
Audiometrie ist ein diagnostisches Verfahren, das in der Medizin eingesetzt wird, um das Hörvermögen einer Person zu bewerten. Parallel wurden kognitive Leistungen wie Gedächtnis, Sprachvermögen und exekutive Funktionen gemessen. Ziel war es, festzustellen, ob sich ein Zusammenhang zwischen objektiv gemessenem Hörverlust und geistigem Abbau erkennen lässt, berichtet das Team.
Hörverlust fördert soziale Isolation
Die Ergebnisse der Untersuchung sind eindeutig: 62 der 805 Teilnehmenden (7,7 Prozent) litten unter messbarem Hörverlust. Bei Betroffenen wurde ein signifikant schnellerer kognitiver Abbau festgestellt als bei Teilnehmenden ohne Hörprobleme. Besonders betroffen waren das Gedächtnis und die sogenannten exekutiven Funktionen.
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Ein weiterer Nachteil von Hörverlust ist, dass dieser tendenziell zu sozialer Isolation führt. „Fast jeder kennt einen älteren Menschen, sei es ein Freund oder Verwandter, der schlecht hört. Um mit ihm zu sprechen, muss man lauter sprechen, Sätze wiederholen, und er wird letztendlich von Gesprächen ausgeschlossen“, erläutert die Studienautorin Professorin Claudia Suemoto in einer aktuellen Pressemitteilung.
Hörvorsorge als Schlüssel zur Demenzprävention
Die Studie unterstreiche die Dringlichkeit, Hörtests bereits im mittleren Alter in die medizinische Vorsorge zu integrieren – insbesondere in Ländern mit begrenztem Zugang zu Gesundheitsleistungen. Denn Hörverlust gehört zu den modifizierbaren Risikofaktoren für Demenz, also den Faktoren, die sich beeinflussen bzw. beheben lassen, so das Forschungsteam.
Gleichzeitig weise die Studie auf die Bedeutung von Lärmschutz im Berufsalltag und im Freizeitverhalten hin – etwa bei der Nutzung lauter Kopfhörer. Zudem nennen die Forschenden neben dem Hörverlust auch Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Depressionen, Bewegungsmangel, Rauchen und Luftverschmutzung als weitere beeinflussbare Faktoren, die Stellschrauben für ein demenzfreies Altern bilden können.
Besseres Gehör, bessere geistige Gesundheit
Insgesamt liefert die Studie eindrückliche wissenschaftliche Belege dafür, dass Personen, die besserer hören, länger geistig fit bleiben. Regelmäßige Hörtests, Gehörschutz und frühzeitige Versorgung mit Hörhilfen könnten demnach einen zentralen Baustein der Demenzprävention bilden. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Alessandra Giannella Samelli, Natalia Gomes Gonçalves, Fernanda Yasmin Odila Maestri Miguel Padilha, Vitor Martins Guesser, Carla Gentile Matas, et al.: Hearing loss and cognitive decline in the Brazilian Longitudinal Study of Adult Health (ELSA-Brasil) during eight years of follow-up; in: Journal of Alzheimer’s Disease (veröffentlicht 08.02.2025), Journal of Alzheimer’s Disease
- Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo: Hearing loss in middle age may accelerate cognitive decline (veröffentlicht 07.05.2025), Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo
Wichtiger Hinweis:
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