Dauerstress: Jeder fünfte Deutsche fühlt sich unter Druck gesetzt
30.10.2013
Die Techniker Krankenkasse (TK) hat untersucht, in wie weit Stress innerhalb Beruf und Familie zugenommen hat. Die Ergebnisse, die dabei gemacht wurden, sind alarmierend und geben zu denken. Die Krankenkasse hatte dafür eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitutes Forsa in Auftrag gegeben. Die Resultate wurden am Mittwoch in Berlin veröffentlicht. Dabei kam unter anderem heraus, dass sich fast jeder sechste (knapp 20 Prozent) entweder von Beruf und Familie oder von den eigenen Ansprüchen unter Druck gesetzt fühlt. Zwei Drittel der berufstätigen Befragten gaben demnach an, dass die beruflichen Anforderungen am stärksten Druck auf sie ausüben.
Für den TK-Vorstandsvorsitzenden Jens Baas ist das Ergebnis Besorgniserregend. 40 Prozent der Berufstätigen, fühlen sich abgearbeitet und fast jeder Dritte fühlt sich "ausgebrannt". Wichtig dabei sind Erholungsmöglichkeiten, um sich ordentlich regenerieren zu können. "Ein stressfreier Arbeitsplatz ist eine Utopie – und auch kein erstrebenswertes Ziel", so Baas. Stress sei nicht perse negativ. "Entscheidend ist, dass man über genügend Ressourcen verfügt, die man dem Stress entgegensetzen kann."
Dabei empfinden Angestellte häufiger Stress am Arbeitsplatz als Beamte und Arbeiter. Doch auch Menschen mit höherem Einkommen sind häufiger gestresst. Für den TK-Chef Bass entsteht Stress dadurch, dass die Arbeitsmenge überhandnimmt und man dauerhaft das Gefühl hat, nicht hinterher zukommen. Druck kann aber auch entstehen, wenn die Arbeit durch große Fremdbestimmtheit gekennzeichnet ist oder wenn Pausen nicht so gemacht werden können, wie man das selbst für notwendig erachte. Auch dauernde Unterbrechungen, die den Arbeitsfluss stoppen, wirken sich negativ aus. Für jeden zweiten Berufstätigen, das zeigt die Untersuchung auch, ist Stress aber auch ein Ansporn einfach mehr zu geben und sich zu beweisen. Stress ist also nicht immer schlecht, sagt Baas, in Wissenschaft und Medizin ist der Begriff "Eustress" geläufig – jener Druck, der anspornt und letztlich glücklich macht, wenn man den Erfordernissen gerecht geworden ist und eine Aufgabe zu eigener und anderer Zufriedenheit erledigt hat.
Auch außerhalb des Berufes setzt sich Stress fort
Kommen weitere belastenden Faktoren hinzu, gibt es viele Menschen, die dabei nicht locker bleiben können. Das ist ein zentrales Ergebnis der Umfrage. Auf Platz zwei der Stressfaktoren stehen die persönlichen Stressoren, denen sich Menschen selbst unterwerfen. Dazu zählen unter anderem der perfekt geführte Haushalt oder hohe Ansprüche an die eigene Kinderbetreuung und die Betreuung der Eltern."Nicht immer sind äußere Umstände die Ursache für die Anspannung, oft ist es auch eine Frage der inneren Einstellung", sagt Baas. Sieben von zehn Menschen mit Kindern fühlen sich laut Umfrage unter Stress, sie fühlen sich aber zu fast 100 Prozent auch glücklich.
Sven Hannawald, der ehemalige Skispringer, unterstrich auf der Pressekonferenz die Bedeutung der inneren Einstellung zum äußeren Druck. Eine Bekanntheit über die Gemeinde der Skifans hinaus erlangte der Sportler auch, als er sich 2006 wegen eines Burn-out-Syndroms in einer Spezialklinik behandeln ließ und seine Profi-Skikarriere beendete. "Perfektionismus spielte bei mir eine ganz große Rolle. Ich fühlte mich schlecht, weil ich zwar Wettkämpfe gewonnen hatte, aber mit Leistungen, die schlechter waren als jene im Training. Das war recht schwer aus mir rauszukriegen", erzählte der 38-Jährige, der heute Autorennfahrer ist.
Mit dem heutigen Wissen würde er in einer vergleichbaren Situation viel früher eingreifen, sagte Hannawald. "Ich würde früher Ärzte aufsuchen, und ich würde mehr auf mein Umfeld hören. Das merkt früh, wenn man sich verändert. Und heute würde ich nach einem Wettkampf auch mal nur zum Spaß Fußball spielen und feiern, statt gleich wieder an den nächsten Wettkampf zu denken."
Sandwich-Generation stärker belastet als andere
In der Allgemeinbevölkerung ist es vor allem die sogenannte Sandwich-Generation, die besonders belastet ist. Zu ihr zählt die Altersgruppe der zwischen 35 und 45 Jahren, die sich neben den eigenen Kindern auch noch um zuwendungsbedürftigen Eltern kümmern muss. Gerade im familiären Umfeld kommen zum objektiven äußeren Druck die Ansprüche an die eigene Verantwortung. Davon seien Frauen besonders betroffen, sagt TK-Chef Baas. Männern setzt vor allem der Job ordentlich unter Strom und bei Frauen ist es neben dem Beruf auch das Gefühl, nicht zu schaffen, was einem wichtig ist. Bei beiden Geschlechtern können weitere belastende Faktoren dazukommen, so das Ergebnis der Forsa-Umfrage. So sind etwa die Arbeitsplatzunsicherheit oder aber finanzielle Belastungen durch den Erwerb des eigenen Wohnraums weitere Faktoren
Vor allem aber wenn die Ruheräume keine Erholung mehr bieten und der Stress zeitig überhand nimmt, kann die Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen, sagen Mediziner. Probleme wie Burn-out, aber auch körperliche Beeinträchtigungen,wie Rückenleiden, sind dann keine Seltenheit. Als besondere Aufgabe für seine Krankenkasse sieht Baas die Notwendigkeit, Betriebe dazu anzuregen, dass übermäßiger Stress rechtzeitig erkannt und gegengesteuert wird. Gute Möglichkeiten mit wenig Aufwand abzuschalten, bieten Autogenes Training und ordentliche Bewegung an der frischen Luft. (fr)
Bild: Rainer Sturm, Pixelio
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