Stalking belastet nicht nur die Psyche, sondern erhöht auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei den betroffenen Frauen. Sie erleiden wesentlich häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle als Frauen ohne Stalking-Erfahrung.
Ein Forschungsteam unter Federführung von Fachleuten Harvard T.H. Chan School of Public Health hat den Einfluss von Stalking auf die kardiovaskuläre Gesundheit betroffener Frauen untersucht und die Ergebnisse in dem Fachmagazin „Circulation“.
Gewalterfahrungen ein wenig beachteter Risikofaktor
Dass Gewalt ein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, haben verschiedene frühere Studien bereits aufgezeigt.
Doch „obwohl Gewalt gegen Frauen weit verbreitet ist und es Belege dafür gibt, dass Gewalt Folgen für die spätere Herzgesundheit von Frauen hat, wird sie von medizinischem Fachpersonal noch immer nicht allgemein als potenzieller kardiovaskulärer Risikofaktor bei Frauen anerkannt oder routinemäßig berücksichtigt“, erläutert die Studienautorin Dr. Rebecca B. Lawn von der Harvard T.H. Chan School of Public Health.
„Wir hielten es für wichtig, über die traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren bei Frauen hinauszublicken und unser Verständnis des Zusammenhangs zwischen wenig erforschten Gewaltformen und der Herzgesundheit zu vertiefen“, so Lawn.
Welchen Einfluss hat psychische Gewalt?
Da bisher haben nur sehr wenige Studien den Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erlebter psychischer Gewalt wie dem Stalking untersucht haben, widmeten die Fachleute sich diesem Themenfeld.
Etwa jede dritte Frau in den USA ist irgendwann in ihrem Leben von Stalking betroffen, meist von einem Lebenspartner oder Bekannten, berichten die Forschenden unter Berufung auf die Zahlen der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC).
Ob dies Auswirkungen auf das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat, untersuchten die Fachleute nun anhand von 66.270 Frauen im Alter von 36 bis 56 Jahren, die zwischen 2001 und 2021 an der Nurses’ Health Study II teilnahmen.
Als Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden dabei Herzinfarkte und Schlaganfälle bewertet. Von diesen waren innerhalb des Untersuchungszeitraums 1.879 (2,8 %) Frauen betroffen. Anschließend erfolgte ein Abgleich mit den Berichten über Stalking-Erfahrungen (7.721 Frauen betroffen) und Erfahrungen mit der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung (3.686 Frauen betroffen).
Deutlich erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko
Innerhalb des 20-jährigen Untersuchungszeitraums hatten Frauen mit Stalking-Erfahrung ein um 41 Prozent höheres Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall als Frauen ohne diese Erfahrung, berichtet das Team.
Bei Frauen, die eine einstweilige Verfügung erwirkt hatten (oft Hinweis auf schwere Gewalt), war das Risiko sogar um 70 Prozent höher als bei Frauen ohne diese Erfahrung, ergänzen die Forschenden.
Dieses erhöhte Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle im Zusammenhang mit Stalking und einstweiligen Verfügungen sei auch bei Berücksichtigung anderer Risikofaktoren wie z. B. Gesundheits- und Lebensgewohnheiten, Medikamenteneinnahme, Gesundheitszustand, Kindesmissbrauch und Depressionssymptome bestehen geblieben.
Ursache des beobachteten Zusammenhangs könnten psychische Belastungen sein, die das Nervensystem stören, die Funktion der Blutgefäße beeinträchtigen und andere biologische Mechanismen negativ beeinflussen können, erläutern die Fachleute.
Stalking nicht verharmlosen
„Vielen Menschen erscheint Stalking als keine so schwerwiegende Erfahrung, da es oft ohne Körperkontakt stattfindet. Stalking hat jedoch tiefgreifende psychische Folgen, die auch körperliche Auswirkungen haben können“, betont Professorin Karestan Koenen von der Harvard T.H. Chan School of Public Health.
„Unsere Studie unterstreicht, dass diese vermeidbaren, häufigen, kontaktlosen Formen der Gewalt gegen Frauen gesundheitsschädlich sind und als solche betrachtet werden müssen, genauso wie wir Rauchen oder schlechte Ernährung betrachten“, ergänzt Prof. Koenen.
Den Stalking-Erfahrungen von Frauen müsse mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen besser zu mindern, und Stalking dürfe nicht länger verharmlost werden. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Harvard T.H. Chan School of Public Health: Stalking, obtaining restraining order linked with increased cardiovascular disease risk in women (11.08.2025), eurekalert.org
- Rebecca B. Lawn, Audrey R. Murchland, Rebecca C. Thurston, Camille Marquez, Karen Jakubowski, Laura Sampson, Jennifer A. Sumner, Laura D. Kubzansky, Karestan C. Koenen: Stalking-Erfahrungen und der Erhalt einer einstweiligen Verfügung stehen im Zusammenhang mit dem Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse bei Frauen: eine prospektive Analyse in der Nurses‘ Health Study II; in: Circulation (veröffentlicht 11. 08.2025), ahajournals.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.