Ein Apotheker in Berlin betrog Krankenkassen mit Hilfe von HIV Patienten in der Abrechnung von Medikamenten.
(12.11.2010) Apotheker erleichtert die gesetzlichen Krankenkassen mit Hilfe von HIV-Infizierten um mehr als 10 Millionen Euro, so der Verdacht des Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft Berlin. Am Mittwoch und Donnerstag haben die Ermittlungsbehörden den Apotheker und sieben HIV-Infizierte verhaftet und deren Wohnungen durchsucht.
Das Landeskriminalamt (LKA) und die Staatsanwaltschaft Berlin haben aufgrund des Verdachts des gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs am Mittwoch und Donnerstag bundesweit acht Haftbefehle vollstreckt und zehn Wohnungen durchsucht. Ein Apotheker und sieben HIV-Infizierte sollen die Krankenkassen mit Hilfe falscher Abrechnung von HIV-Medikamenten um Millionen erleichtert haben. Die Ermittlungsbehörden sprechen von einem entstandenen Schaden in Höhe von etwa 10 Millionen Euro.
Apotheker macht mit HIV-Infizierten gemeinsame Sache
Der 66-jährige verhaftete Apotheker betreibt eine Apotheke am Kurfürstendamm im Berliner Bezirk Charlottenburg, welche schon seit Jahren als Anlaufstelle für Drogenabhängige galt. So wunderte es anfangs niemanden, dass hier angeblich besonders viele HIV-Medikamente über den Ladentisch gingen. Doch zwischen 2007 und 2009 soll der Apotheker mit Hilfe der HIV-Infizierten seine Einnahmen illegaler Weise erheblich aufgebessert haben. Dabei haben die Aids-Patienten nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden die Masche des verdächtigen Apothekers mit hoher krimineller Energie unterstützt.
10 Millionen Schadenssumme bei den Krankenkassen
Die ebenfalls verhafteten HIV-Infizierten hätten einen regelrechten „Ärzte-Tourismus“ betrieben, um sich bei verschiedenen Ärzten deutlich mehr Rezepte zu besorgen, als sie benötigten. Anschließend habe der Apotheker diese Rezepte angekauft und bei den Kassen abgerechnet, ohne die entsprechenden Medikamente an die HIV-Patienten abzugeben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Berlin. Durch den gewerbs- und bandenmäßigen Abrechnungsbetrug mit den durchschnittlich 2.000 Euro teuren Verschreibungen der HIV-Medikamente, sei den gesetzlichen Krankenkassen ein Schaden von mindestens 10 Millionen Euro entstanden, berichteten die Ermittlungsbehörden weiter. Wie viel der illegal erschlichenen Gelder der Arzt an die HIV-Infizierten für den Ankauf der Rezepte weitergegeben hat, wollte die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitteilen.
Vermögenswerte und Rezepte bei Hausdurchsuchungen sichergestellt
Bei den am Mittwoch und Donnerstag in Berlin, Schleswig-Holstein und Hessen durchgeführten Hausdurchsuchungen, wurden von den Ermittlern neben Vermögenswerten des beschuldigten Apothekers (mehrere Luxusautos und andere Wertgegenstände; Gesamtwert über 200.000 Euro) zahlreiche Rezepte beschlagnahmt, die den gewerbs- und bandenmäßigen Abrechnungsbetrug belegen sollen. So geht die Staatsanwaltschaft Berlin „davon aus, dass nun eine Vielzahl weiterer Ermittlungen eingeleitet werden“ kann, wie ihr Sprecher Martin Steltner im Rahmen einer gemeinsamen Pressemitteilung von Polizei und Generalstaatsanwaltschaft Berlin betonte.
Apotheker und Ärzte genießen generell großes Vertrauen
Immer wieder fallen schwarze Schafe unter den Ärzten und Apothekern mit derartigen betrügerischen Abrechnungsmethoden auf. So ist in den vergangenen Tagen zum Beispiel auch ein Hamburger Arzt aufgrund des Verdachts auf Abrechnungsbetrug verhaftet worden. Da die niedergelassenen Ärzte und Apotheker weitreichende Befugnisse im Umgang mit Medikamenten und deren Verschreibung sowie bei der Abrechnung von Behandlungen haben, ist es für Personen mit entsprechender krimineller Energie nur zu leicht möglich sich am System illegal zu bereichern. Kein Wunder, dass der Verein Berliner Apotheker e.V sich daher am Donnerstag Angesichts des jüngsten Betrugsfalls besonders bestürzt zeigte. „Sollte sich der Vorwurf bestätigen, verurteilen wir das Gebaren aufs schärfste. Wir hoffen auf eine vorbehaltlose Aufklärung des Sachverhaltes“, betonte der Vereinssprecher Jan Ott. Denn der Vorwurf des gewerbs- und bandenmäßigen Abrechnungsbetrugs lastet schwer auf dem Vertrauen, dass die Apotheker generell auch bei den Krankenkassen genießen.
Routinekontrollen würden Abrechnungsbetrug aufdecken
Dieses Vertrauen mag auch einer der Gründe dafür sein, dass der jetzige Betrug erst verhältnismäßig spät aufgefallen ist. Denn normalerweise wäre es für die Krankenkassen ein Leichtes, die Daten ihrer Versicherten kurz auf kritische Positionen hin zu überprüfen. Bei den Abrechnungsstellen der geschädigten Krankenkassen liegen alle relevanten Daten vor und trotz datenschutzrechtlicher Bestimmungen müsste der medizinische Dienste bei Kontrolle der Versichertendaten den massiven Missbrauch erkennen.
Bei chronischen Erkrankungen wie AIDS wird nur eine bestimmte Menge an Arzneimitteln benötigt, liegen die abgerechneten Summen weit höher, ist ein Missbrauch sehr wahrscheinlich. Doch um derartige Abrechnungsbetrüge zu erkennen, müssten die Versichertendaten regelmäßig kontrolliert werden und dies würde deutlich mehr Personal benötigen. So setzten viel Krankenkassen bis heute auf vertrauenswürdiges Verhalten der Ärzte und Apotheker und kontrollieren ihre Daten daher nur mit gelegentlichen Stichproben. Manchmal ein Fehler, wie sich jetzt zeigt. Denn eine Schadenssumme von mehr als 10 Millionen Euro bedarf schon einer Unmenge gefälschter HIV-Medikamente-Abrechnungen (2.000 Euro je Abrechnung = 5.000 gefälschte Abrechnungen bei 10 Mio. Euro Schaden). (fp)
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