Schlafmittel: Suchtauslöser entdeckt?
Bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln mit dem Stoff Benzodiazepin war lange umstritten, wie und ob sie eine Abhängigkeit verursachen können. Schweizer Forscher haben anhand von Mäusen die Wirkweise im Gehirn und mögliche Folgen entschlüsselt.
Bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln mit dem Stoff Benzodiazepin war lange umstritten, wie und ob sie eine Abhängigkeit verursachen können. Schweizer Forscher haben anhand von Mäusen die Wirkweise im Gehirn und mögliche Folgen entschlüssel. Die Wissenschaftler von Forschungeinrichtungen in Genf, Zürich und Massachusetts (USA) veröffentlichten ihre Ergebnisse nun in dem Fachmagazin "Nature" (Ausgabe 463 ; 769- 774) unter dem Titel "Neural bases for addictive properties of benzodiazepines".
Sie fanden heraus, dass die Benzodiazepine die Wirkung eines hemmenden Hirnbotenstoffes (Neurotransmitter) verstärken. Die Benzodiazepine setzen sich an den sogenannten GABAA- Rezeptoren fest. Dies sind hemmende Rezeptoren, die zahlreich in Gehirn und Rückenmark verbreitet sind. Sie machen etwa 30 Prozent der Rezeptoren aus.
Besonders im Bereich des Mittelhirns und des sogenannten „ventralen Tegmentums (VTA)“ sind die Mittel laut der Wissenschaftler aktiv. Sie hemmen die Aktivität von Nervenzellen, die unser inneres Belohnungssystem hemmen. Mit einer fehlenden Unterdrückung unseres Belohnungssystems wirken sie ähnlich wie Heroin, Kokain und andere Drogen.
Aber die GABAA- Rezeptoren sind noch einmal in Untereinheiten aufgeteilt. Wenn das Mittel auf eine von ihnen mit dem Namen „alpha1„ wirkt, dann setzt die oben beschriebene Wirkung ein. Bei einem anderen Unter- Rezeptor namens „alpha 2“, setzt eine angstlösende Wirkung ein. Das bedeutet, dass eine angstlösende und eine süchtig machende Wirkung nicht unbedingt zusammen auftreten müssen.
Durch diese Differenzierung sollen nun weitere Studien zeigen, ob man Mittel entwickeln kann, die ungefährlich für Menschen sind und spezifisch nur auf eine Sorte Rezeptoren wirken. Dies könnte einerseits bei den benzodiazepinhaltigen Mittel, die die Muskeln entspannen, generell beruhigend, krampflösend und schlaffördernd wirken sollen, bedeuten, dass sie spezifischer wirken könnten.
Wichtig ist das, weil die Benzodiazepine weltweit mit eine der höchsten Mißbrauchsraten aufweisen. Verschrieben werden sie meist bei Ängsten oder massiven Schlafstörungen. Andererseits könnte in weiteren Studien bei „alpha 1“- Rezeptoren ein medikamentöser Einfluss auf Süchte untersucht werden.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren schätzt, dass in Deutschland etwa anderthalb Millionen Menschen an Medikamentenabhängigkeit leiden (Jahrbuch Sucht 2004). Hier könnte also ein ökonomischer Anreiz für die Pharmaindustrie bestehen, an der Spezifizierung der Mittel zu arbeiten. Darüberhinaus sollten neben der biochemischen Sicht nicht die psychoszialen Aspekte der Sucht vernachlässigt werden. Auch in der Naturheilkunde gibt es Mittel, die ähnliche Wirkungen haben: Der in der Wurzel der Baldrianpflanze gefundene Stoff Valerensäure soll auch eine Wirkung an den GABAA- Rezeptoren haben und schlaffördernd wirken.
Johanniskraut soll stimmungsaufhellend und einschlaffördernd wirken. Es ist sogar bei einer Indikation "mittelschwere Depression" seit dem 1. April 2009 in Deutschland verschreibungspflichtig. (Thorsten Fischer, Heilpraktiker Osteopathie, 15.02.2010)
Weiterführende Informationen:
Abstract der Studie
Baldrian & L-Tryptophan: Ansätze bei Schlafstörung
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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