Die Finanzierung der Krankenkassen ist für das Jahr 2011 gesichert. Dennoch sind Krankenkassen Zusatzbeiträge für 2011 nicht ausgeschlossen.
Nachdem die Kritik an der Gesundheitsreform in den letzten Tage kurz vorm überkochen stand, versucht die Bundesregierung die positiven Aspekte der Änderungen wieder ein wenig mehr in den Vordergrund zu stellen. Dabei können sich die Vertreter von CDU / CSU und FDP auf die jetzt bekannt gegebenen Prognosen des Schätzerkreises für die gesetzlichen Krankenversicherungen stützen, die davon ausgehen, dass die Ausgaben der Krankenkassen im kommenden Jahr durch die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gedeckt werden.
Schätzerkreis gibt Prognose für 2011 bekannt
Nach zweitägigen Beratungen hat der Schätzerkreis für die gesetzlichen Krankenversicherungen in Bonn die Prognosen zur Finanzsituation im Gesundheitssystem veröffentlicht. Demnach stehen den Krankenkassen im Jahr 2011 Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds in Höhe von 181,1 Milliarden Euro zur Verfügung, bei geschätzten Ausgaben von 178,9 Millionen Euro. So können voraussichtlich alle Ausgaben durch die Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds gedeckt werden. Weitere Zusatzbeiträge müssten daher 2011 noch nicht erhoben werden. Und auch der Sozialausgleich ist durch die zusätzliche Bereitstellung von zwei Milliarden Euro aus Steuermitteln für das Jahr 2011 nach übereinstimmender Ansicht der Experten nachhaltig gesichert.
Befürchtetes Kassendefizit von 11 Milliarden konnte vermieden werden
Das befürchtete Kassendefizit von etwa 11 Milliarden Euro, konnte in erster Linie durch die Anhebung des Beitragssatzes von 14,9 auf 15,5 Prozent des Bruttolohnes vermieden werden. Dabei müssen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber jeweils eine Beitragssteigerung von 0,3 Prozent übernehmen. Der Anteil der Arbeitgeber soll zukünftig jedoch festgeschrieben werden, so dass jegliche weiteren Beitragssatzanhebungen ausschließlich von den Arbeitnehmern zu leisten sind. Zudem wird ab 2012 wieder mit einem erheblichen Defizit bei den gesetzlichen Krankenkassen gerechnet, welches nach den Plänen der Bundesregierung durch die Erhebung von Zusatzbeiträgen aufgefangen werden soll. So müssen in Zukunft jegliche weiteren Kostensteigerungen der gesetzlichen Krankenkassen ausschließlich von den Mitgliedern getragen werden.
Geplante Einsparungen reichen zur Sanierung des Gesundheitssystems nicht aus
Dass die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung der Kosten im Jahr 2011 ausreichen, ist auch auf die angedachten Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem zurück zu führen. So wurden zum Beispiel die Verwaltungskosten bei den gesetzlichen Krankenversicherungen auf den Wert von 2010 festgeschrieben und auch bei den Kassenärzten, Hausärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und den Ausgaben für Medikamente wurden nicht unerhebliche Einsparungen durchgesetzt. Damit ließ sich zumindest die Finanzierung für das Jahr 2011 sichern. Doch zur Sanierung des Gesundheitssystems reicht dies nicht aus.
Ab 2012 flächendeckende Zusatzbeiträge
Bereits ab 2012 rechnen Experten wie Professor Dr. Jürgen Wasem vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg /Essen aber auch Vertreter der Bundesregierung mit der flächendeckenden Einführung von Zusatzbeiträgen. Diese dürften anfangs durchschnittlich bei etwa 5,- Euro liegen, werden jedoch in Zukunft relativ stark steigen. Prof. Dr. Wasem auf Basis eigener Berechnungen davon aus, dass die Zusatzbeiträge „schon 2020 im Schnitt knapp 80 Euro pro Kassenmitglied betragen“.
Auch 2011 schon Zusatzbeiträge bei bestimmten Kassen?
Aber auch für 2011 ist die Erhebung von Zusatzbeiträgen, trotz der insgesamt gesicherten Finanzierung nicht auszuschließen. So schließt die Verbandschefin des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Doris Pfeiffer, im Gespräch mit rbb-Inforadio die Erhebung von Zusatzbeiträgen auch für das kommende Jahr nicht aus. Sie stimmt zwar den Prognosen des Schätzerkreises zur generellen Finanzsituation der Kassen zu, doch bei einzelnen Krankenversicherungen gestalte sich dies anders. Doris Pfeiffer zu Folge könnten bei Kassen mit vielen Versicherten in überwiegend städtischen Regionen zum Beispiel durch hohe Krankenhauskosten finanzielle Defizite auflaufen, so dass die Versicherungen dann einen Zusatzbeitrag erheben müssen.
Kritik an der Gesundheitsreform reißt nicht ab
Nicht nur auf politischer Ebene bleibt die Reform weiterhin umstritten. Daran ändern auch die zusätzlichen Vorschläge aus dem Gesundheitsministerium wenig. So stoßen die jüngsten Pläne des Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) zur Einführung der Vorabbezahlung beim Arzt ebenfalls auf erheblichen Widerstand. Zum Beispiel betonte AOK-Vizevorstandschef Jürgen Graalmann gegenüber der „Bild“: „Vorkasse beim Arzt löst kein einziges Problem der GKV", sondern verunsichere die Patienten und schaffe "mehr Verwaltungsaufwand bei allen". Daher wird auch dieser Vorschlag des Bundesgesundheitsministers von vielen Seiten relativ scharf kritisiert. Aus Reihen der Opposition wurde angesichts des relativ milden Umgangs mit der Pharmalobby und der „Geschenke“ an die privaten Krankenversicherungen zudem erneut der Vorwurf der „Klientelpolitk“ laut und Vertreter der SPD betonten, dass die Regierungskoalition mit der Reform den sozialen Frieden gefährde. Auf Basis der jetzt bekannt gegebenen Prognosen des Schätzerkreises, sehen sich die Regierungsvertreter von CDU / CSU und FDP jedoch in ihren Plänen bestätigt und werden trotz aller Kritik vorerst wahrscheinlich keine weiteren Anpassungen der Gesundheitsreform mehr vornehmen. (fp, 01.10.2010)
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