US-Forschungsansatz: Bakterien sollen sich selbst vergiften
10.02.2011
US-Forscher haben einen neuen Ansatz entwickelt, um gefährliche Bakterien mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen. Sie wollen den Mechanismus aushebeln, der die Erreger vor ihren selber produzierten Giften schützt.
Die Bakterien würden sich selbst töten, sobald der Schutzmechanismus außer Kraft gesetzt werden kann, erklärten die Forscher der Washington University in St. Louis, USA in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Structure“. Die meisten Erreger bedienen sich einer Art Gegengiftes, um sich selber vor den Giftstoffen zu schützen, die sie im Organismus ausstoßen. Wenn dieses Gegengift ausgeschaltet werden könnte, würden die Bakterien an ihren eigenen Giften zu Grunde gehen, so die Aussage der US-Forscher.
Schutzmechanismus der Bakterien gegen eigene Giftstoffe
Im Rahmen ihrer Untersuchungen haben die Forscher um Studienleiter Craig Smith das Bakterium Streptococcus pyogenes genauer unter die Lupe genommen und herausgefunden, wie sich der Erreger vor seinen eigenen Giftstoffen schützt. Streptococcus pyogenes ist ein unangenehmer Zeitgenosse. Die Bakterien siedeln sich im Gewebe des Rachenraums an und können sowohl akute invasive Infektionen als auch nicht-invasive Folgekrankheiten verursachen.Wo der Erreger sich ausbreitetet, verteilt er seine Giftstoffe, welche als gewebeauflösende Enzyme nicht nur die roten Blutkörperchen sondern auch andere Zellen schädigen beziehungsweise auflösen. Scharlach, Mandel- und Rachenentzündungen sind mögliche Folgen einer Infektion mit Streptococcus pyogenes. Damit die eigenen Zellen nicht von den gewebeauflösenden Giften angegriffen werden, produziert der Erreger parallel ein Gegengift, das sich als spezielles Eiweißmolekül an die Proteine des Bakteriengiftes anheftet. Der von den US-Forschern entdeckte Schutzmechanismus bietet ihrer Ansicht nach einen guten Ansatz für die zukünftige Bekämpfung der Bakterien. Denn sollte es gelingen einen Wirkstoff zu entwickeln, der gezielt das Gegengift ausschaltet, würden sich die Erreger selber zerstören. Dabei könnte die neue Methode nicht nur bei Streptococcus pyogenes eingesetzt werden, sondern auch bei zahlreichen anderen Bakterien, die sich auf gleiche Weise vor ihren eigenen Giftstoffen schützen.
Spezialisiertes Eiweißmolekül wirkt als Gegengift
Bei der Untersuchung der Streptococcus pyogenes Bakterien, entdeckten die US-Forscher ein hoch spezialisiertes Protein, das für den Schutz der Erreger vor den eigenen Giften verantwortlich ist. Dieses Eiweißmolekül sei in der Lage zwei unterschiedliche Formen anzunehmen und sobald es auf das Gift treffe, gehe es in eine spezielle Struktur zur Blockierung der Giftmoleküle über, erklärten Craig Smith und Kollegen. Ziel künftiger Forschung sollte daher sein, eine Möglichkeit zu finden, mit der das Gegengift in seiner inaktiven Form gehalten werden kann, so die US-Forscher weiter. Denn dann könnte das Gift nicht mehr blockiert werden und die Bakterien würden sich selbst abtöten. Die Wissenschaftler werteten ihre Entdeckung als besonders wichtig für die Entwicklung neuer antibakterieller Arzneimittel, da einerseits „auch viele andere Bakterien (…) den gleichen Mechanismus wie Streptococcus pyogenes“ nutzen und anderseits aufgrund der zunehmenden Anzahl multiresistenter Erreger dringend Medikamente mit neuen Wirkmechanismen zur Bekämpfung der Bakterien benötigt werden.
Multiresistente Erreger erfordern neue Medikamente
Die Verbreitung der multiresistenten Erreger, die gegen fast alle gängigen Antibiotika immun und entsprechend schwierig zu behandeln sind, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere in Krankenhäuser und stationären Pflegeeinrichtungen stellen sie bisweilen ein ernsthaftes Problem dar. Um die Antibiotika-resistenten Bakterien erfolgreich zu bekämpfen, müssen nach Aussage von Craig Smith fortwährend neue Medikamente entwickelt werden. Der Studienleiter erklärte, dass zwischen den Bakterien und dem Organismus der betroffenen Patienten Krieg herrsche, bei dem die Bakterien Gifte absondern und der Organismus über sein Immunsystem reagiere. Um die Heilungschancen zu verbessern werden die Infektionen zusätzlich meist mit Antibiotika bekämpft, so Craig Smith weiter. „Da aber immer mehr Erreger Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, müssen wir neue Wege gehen“, betonte der Experte. Hier bieten die jetzt gemachten Erkenntnisse nach Ansicht des US-Wissenschaftlers einen guten Ansatzpunkt. (fp)
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