Verbot der Massenchemikalie Bisphenol-A in Babyflaschen. EU-Behörde steht unter dem Verdacht, von Lobbyverbänden unterwandert zu sein. Wurden deshalb keine strengeren Richtlinien festgelegt?
11.02.2011
Ab dem ersten März 2011 dürfen die Hersteller von Babyflaschen die gesundheitsschädliche Chemikalie Bisphenol-A für die Produktion nicht mehr verwenden. Ab Juni dieses Jahres dürfen die belasteten Babyflaschen auch nicht mehr im deutschen Handel geführt werden. Das teilte das Bundesverbraucherministerium mit. In anderen Produkten wie Kassenbons, Plastikflaschen oder Thermopapier wird hormonähnliche Massenchemikalie weiterhin eingesetzt.
Längst überfällig war das Verbot von Bisphenol A (BPA) in Babyflaschen. Schon seit Jahren existieren wissenschaftliche Gutachten, die der Chemikalie eine negative Wirkung auf den menschlichen Organismus bescheinigen. In zahlreichen Ländern hatte man bereits vor einigen Jahren ein Verbot eingeführt, in Deutschland hingegen konnten sich Verbraucherschützer bislang hierbei nicht durchsetzen.
Bisphenol A wirkt wie ein Hormon und schädigt den Organismus
Da die Chemikalie wie das weibliche Hormon Östrogen wirkt, haben zahlreiche Studien bereits einen Nachweis erbringen können, dass der Hormonhaushalt bei Frauen und Männern massiv gestört. Ein Indiz für diese Wirkung sind die steigenden Zahlen von Unfruchtbarkeit bei Frauen. So wurde im letzten Jahr auf dem Wissenschaftskongress "Endocrine Society" eine Studie vorgestellt, bei der erwiesen wurde, dass die Plastikchemikalie den Hormonhaushalt gravierend stört und unter anderem zu Erkrankungen der Eierstöcke führt. Im Studienverlauf litten Frauen mit einem hohen BPA Anteil in bis zu zehn Prozent der Fällen an dem polyzystischem Ovariensyndrom. Frauen die unter dieser Krankheit litten, wiesen zumeist einen höheren Gehalt an Bisphenol-A im Blut auf, als andere. Eine andere Studie der renommierten Harvard Universität in den USA kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Dabei stellten die Forscher fest, dass BPA nicht nur die Reifung von Eizellen, sondern auch den Verlauf einer Schwangerschaft negativ beeinflusst. Frauen, die wiederholt von Aborten betroffen waren, wiesen hohe BPA Konzentrationen im Blut auf. (Bisphenol-A führt zur Unfruchtbarkeit bei Frauen)
Weitere Studien legten nahe, dass die Alltagschemikalie zur Verminderung der Spermienproduktion bei Männern führt, die letztendlich auch beim männlichen Geschlecht eine Unfruchtbarkeit provoziert. Forscher sehen im Zusammenhang mit BPA auch eine Förderung von Diabetes und Adipositas.
EU Behörde: Die Gesundheit ist durch BPA nicht in Gefahr
Von Seiten der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde hieß es, gesundheitliche Schädigungen seien durch die BPA Chemikalie nicht zu befürchten. „Die Mengen an Bisphenol A, die von der Bevölkerung in Deutschland mit der Nahrung aufgenommen werden, liegen in allen Altersgruppen deutlich unter dem festgelegten Grenzwert", erklärte die EU Behörde. Hier stellt sich die Frage, warum zahlreiche wissenschaftliche Studien missachtet werden, obwohl die Studienbelege eindeutig sind.
Der MDR hatte unlängst während einer Recherche heraus gefunden, dass anscheinend die EU Lebensmittelbehörde stark unter dem Einfluss von Lobbyverbänden steht. Denn die MDR- Journalisten machten eine erstaunliche Entdeckung. Bei einer Durchsicht der Personalien innerhalb des Europäischen Amts für Lebensmittelsicherheit fiel auf, dass die Ungarin Diana Banati Präsidentin des EFSA-Verwaltungsrats ist. Gleichzeitig saß Banati lange Zeit in dem Lobbyisten-Verband "International Life Sciences Institute ILSI " im Aufsichtsrat. Dieser Verband ist für zahlreiche Großkonzerne wie Nestlé, Bayer oder Coca-Cola zuständig. .Neben diesen Konzernen wird die ILSI aber auch von den größten Bisphenol-A Produzenten mit finanziert. Frau Banati war lange Zeit in einer Spitzenposition des Lobbyisten-Verbandes und gleichzeitig Präsidentin des EFSA- Verwaltungsrats. Daneben waren noch drei weitere wichtige EU-Behördenmitarbeiter gleichzeitig auch für einen Lobbyverband tätig. (Lobbyisten verhindern Bisphenol-A Verbot)
EU-Richtlinie nur leicht verschärft
Offiziell hieß es in einem Statement der Bundesregierung, dass nicht alle Fragen zu Bisphenol-A vollständig wissenschaftlich geklärt wurden. Daher habe die EU-Kommission auf Druck von Deutschland nachgegeben und vorsorglich die Verwendung von BPA eingeschränkt. Die Richtlinie spricht allerdings nicht von einem generellem Verbot, sondern nur von einen minimalen Einschränkung und das auch nur in Bezug auf Babyflaschen. Das Verbot von BPA in Babyflaschen tritt am 1. März 2011 in Kraft. Für bereits hergestellte Produkte gilt eine Übergangsfrist von drei Monaten. Im Handel sind allerdings schon jetzt Babyschnuller und Babyflaschen erhältlich, die BPA frei sind. In zahlreichen Kinderspielzeugen ist BPA weiterhin nicht verboten. (sb)
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Bild: Rudolf Ortner / pixelio.de
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