Infektionen, Erbkrankheiten und Krebs: Entdecktes Protein eröffnet neue Einblicke

Grundlegende Erkenntnisse über zellinterne Transportwege

Zwei Forschungsteams entdeckten unabhängig voneinander ein bislang unbekanntes Protein, welches für die Transportwege innerhalb von Zellen von zentraler Bedeutung ist. Das Protein scheint laut zwei neuen Studien eine Rolle bei Erbkrankheiten, Virusinfektionen und beim Wachstum von Tumorzellen zu spielen.

Forschende des Exzellenzclusters „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen“ haben ein Schlüsselprotein entdeckt, welches eine große Bedeutung für Virusinfektionen, Erbkrankheiten und Krebs zu haben scheint. Es handelt sich dabei um ein bislang unbekanntes Krankheitsgen, welches zahlreiche neue Ansätze für die Forschung und Therapie eröffnet. Die entsprechenden Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Science“ vorgestellt.

Faktoren der Viren-Vermehrung untersucht

Die Arbeitsgruppe um Professorin Sabrina Jabs suchte im Rahmen der Studie nach Faktoren, ohne die sich RNA-Viren wie das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht vermehren können. Dazu nutzte das Team die neusten Methoden der Gen-Analyse, um in menschlichen Zellkulturen zu untersuchen, welche Zellen nach Infektion mit bestimmten Viren überleben.

„Das heißt, wir haben in der Zellkultur praktisch jedes Gen im Genom mindestens einmal ausgeschaltet und anschließend analysiert, bei welchem Gen-Knockout die Zellen trotz Virusinfektion überleben, weil die Viren sich nicht vermehren können“, erläutert Jabs.

Entdeckung eines bislang unbekannten Proteins

Neben wichtigen Faktoren für die Vermehrung von Viren haben die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch ein bisher unbekanntes Protein namens LYSET entdeckt.

Das Protein ist nach Angaben der Forschenden für die ordnungsgemäße Funktion der Lysosomen entscheidend. Die Lyosomen sind vereinfacht ausgedrückt der Magen von Zellen. Dieser abgegrenzte Bereich innerhalb von Zellen ist mit Enzymen und Phosphatasen gefüllt, mit denen Fremdstoffe oder körpereigene Stoffe abgebaut werden.

LYSET regelt den Transport zum Lysosom

Wie oben bereits erwähnt, sind die Lysosomen wichtige Abbauorte in der Zelle. Sie enthalten eine Vielzahl von Enzymen, um zellfremdes und zelleigenes Material zu „verdauen“. Fehlfunktionen in diesem Prozess können dazu führen, dass sich bestimmte Substanzen in der Zelle anreichern.

Wichtiger Transportweg innerhalb von Zellen identifiziert

Diese Anreicherungen sind die Ursache für Beschwerden, die bei Betroffenen mit lysosomalen Speicherkrankheiten hervorgerufen werden. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Krankheiten, die den erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen zugeordnet werden.

„Unsere Arbeit identifiziert LYSET als unverzichtbaren Regulator für einen grundlegend wichtigen Transportweg innerhalb der Zelle“, hebt Professorin Jabs hervor. Mutationen im LYSET-Gen werden ihr zufolge mit einer seltenen lysosomalen Speicherkrankheit namens Mukolipidose in Verbindung gebracht.

Die Arbeitsgruppe konnte darüber hinaus zeigen, dass der Transport von Enzymen zu den Lysosomen stark gestört ist, wenn das Protein LYSET fehlt.

Wie beeinflusst LYSET Virusinfektionen?

Doch neben den erblich bedingten Stoffwechselerkrankungen spielt das neu entdeckte Protein offenbar auch eine wichtige Rolle bei Virusinfektionen.

Denn in Zellen ohne LYSET konnten auch Viren, die in die Zellen eindrangen, keinen Schaden anrichten, wodurch das Protein beziehungsweise die Hemmung des Proteins für die Behandlung von Virusinfektionen in Frage kommt.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Studie einen wichtigen und bislang unbekannten Transportweg innerhalb von Zellen aufzeigt und gleichzeitig tiefe grundlegende Einblicke in die Zellphysiologie gewährt.

LYSET könnte auch bei Krebs eine Rolle spielen

Ein weiteres Forschungsteam des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist unabhängig von der Arbeitsgruppe ebenfalls im Rahmen einer weiteren Studie auf das Protein LYSET aufmerksam geworden.

„Wir haben vor etwa einem Jahr von der anderen Studie unter Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg erfahren, Daten ausgetauscht und beschlossen, die Arbeiten lieber gemeinsam bei Science einzureichen, als zu versuchen, in Konkurrenz zueinander die Entdeckung als Erste zu veröffentlichen“, berichtet Jabs. Die Arbeiten erscheinen daher als sich ergänzende Publikationen gemeinsam.

In der zweiten Science-Publikation des DKFZ beschreiben die Forschenden die Bedeutung von LYSET für das Wachstum von Tumorzellen. Die Erkenntnisse der beiden Studien eröffnen eine ganze Reihe von Ansätzen für kommende Forschungsarbeiten, da das entdeckte Protein bislang nicht charakterisiert wurde.

Zahlreiche neue Forschungsansätze

„Die temporäre Hemmung von LYSET und des lysosomalen Enzymtransportweges könnte als Therapieansatz genutzt werden, um das Wachstum bestimmter Tumore zu unterdrücken und Virusinfektionen zu verhindern“, resümiert Jabs. (vb)