Bei Diabetes scheinen nicht nur Übergewicht und ungesunde Ernährung sondern auch bestimmte Gehirnzellen eine entscheidende Rolle zu spielen. Diese Erkenntnis könnte den Weg für neue Behandlungsstrategien ebnen.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten vom University of Washington Medicine Diabetes Institute wurde der Einfluss von AgRP-Neuronen im Hypothalamus auf den Blutzuckerspiegel bei Typ-2-Diabetes untersucht. Die Ergebnisse sind im englischsprachigen „Journal of Clinical Investigation“ nachzulesen.
Gehirnzellen im Visier der Diabetesforschung
Typ-2-Diabetes gilt als Volkskrankheit – mit bekannten Risikofaktoren wie Übergewicht, ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel. Lange war klar: Diese Faktoren führen zu Insulinresistenz oder einem Mangel an Insulinproduktion. Das Gehirn spielte in dieser Gleichung bislang kaum eine Rolle.
Bereits frühere Studien – unter anderem von demselben Forschungsgruppe – zeigten jedoch, dass die Injektion des Wachstumsfaktors FGF1 direkt ins Gehirn bei Mäusen eine langanhaltende Remission von Typ-2-Diabetes auslösen kann. Dabei fiel auf, dass die Aktivität der AgRP-Neuronen im Hypothalamus hierdurch unterdrückt wurde.
Diese Zellen rückten bei der aktuellen Studie erneut ins Zentrum der Forschung. Die Forschenden blockierten gezielt die Kommunikation der AgRP-Neuronen. Dabei zeigte sich laut dem Team, dass die zuvor erhöhten Blutzuckerwerte sich über Monate normalisierten – ohne dass sich das Körpergewicht oder der Appetit der Versuchstiere änderte.
Diese Neuronen spielen eine überproportionale Rolle bei der Entstehung von Hyperglykämie und Typ-2-Diabetes, betont Studienautor Dr. Michael Schwartz in einer aktuellen Pressemitteilung.
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Die Ergebnisse widersprechen der bisherigen Auffassung, wonach Diabetes vor allem aus Insulinproblemen im Körper resultiert. Die Studie stellt somit eine fundamentale Neubewertung der Krankheitsursachen dar.
Hoffen auf neue Therapieoptionen
AgRP-Neuronen haben demnach offenbar großen Einfluss auf den Blutzucker, nicht aber auf das Körpergewicht. Das bedeutet, dass ein gezieltes Ausschalten dieser Neuronen zwar Diabetes verbessern, aber nicht automatisch Übergewicht reduzieren kann. Dennoch könnten diese Nervenzellen ein vielversprechendes therapeutisches Ziel darstellen.
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass Medikamente, die auf diese Neuronen wirken, zu einer Remission von Typ-2-Diabetes führen könnten – selbst ohne Gewichtsverlust, berichtet Dr. Schwartz. Neuartige Diabetes-Medikamente wie Ozempic hemmen bereits die Aktivität der AgRP-Neuronen, auch wenn der genaue Mechanismus dabei noch nicht vollständig verstanden ist.
Paradigmenwechsel in der Diabetes-Behandlung
Die Erkenntnisse könnten langfristig zu einem Paradigmenwechsel in der Behandlung von Typ-2-Diabetes führen, weg von der ausschließlichen Fokussierung auf Ernährung, Gewicht und Insulin, hin zu neurobiologischen Prozessen im Gehirn. Doch bis zur Anwendung beim Menschen sind noch viele Fragen zu klären. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Yang Gou, Micaela Glat, Vincent Damian, Caeley L. Bryan, Bao Anh Phan, et al.: AgRP neuron hyperactivity drives hyperglycemia in a mouse model of type 2 diabetes; in: Journal of Clinical Investigation (veröffentlicht 15.05.2025), Journal of Clinical Investigation
- University of Washington School of Medicine/UW Medicine: Can the brain be targeted to treat type 2 diabetes? (veröffentlicht 15.05.2025), University of Washington School of Medicine/UW Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.