Den Ursachen von auf der Spur. Ist ADHS genetisch bedingt?
Den Ursachen von ADHS auf der Spur. Britische Forscher haben in einer repräsentativen Studie herausgefunden, was von verschiedenen Fachleuten schon seit langem vermutet wird: das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) ist genetisch bedingt – zumindest teilweise.
500 000 Kinder leiden in Deutschland an ADHS
Rund 500 000 Kinder und Jugendliche leiden in Deutschland unter den auch als Zappelphilipp-Syndrom bekannten Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen und ihre Eltern und Lehrer leiden oft gleich mit. Dabei hat die Zahl der ADHS-Diagnosen in den letzten Jahren stetig zugenommen und die Schätzungen der Experten zu den aktuellen Zahlen für Deutschland schwanken zwischen zwei und sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen die von ADHS betroffen seien sollen. Bei Jungen kommt die psychische Störung etwa drei- bis viermal häufiger vor als bei Mädchen. ADHS tritt meist schon im Kindesalter auf, kann die Betroffenen jedoch ein Leben lang begleiten.
Multifaktorielle Verursachung von ADHS
Bei der Suche nach den Ursachen für ADHS wurden schon die verschiedensten Gründe wie zum Beispiel Erziehungsfehler, Vernachlässigung und frühkindliche Traumata diskutiert. Zuletzt galt die These der multifaktoriellen Verursachung von ADHS, also vom Zusammenwirken biologischer, psychischer und sozialer Faktoren als realistischstes Szenario. Die Studienergebnisse der Wissenschaftler von der Universität Cardiff in Wales legen den Fokus jetzt hingegen wieder auf das genetisch bedingte Vorkommen von ADHS.
Genetische Verbindung als Ursache für ADHS entdeckt
Im Rahmen der Studie verglichen die Forscher die DNA von 366 Kindern mit diagnostiziertem ADHS-Syndrom mit dem Erbgut von 1047 Menschen ohne Erkrankung. Mehr als doppelt so viele wie bei den gesunden Kindern wiesen unter den ADHS-Patienten eine deutliche und seltene Veränderungen ihrer DNA auf (15 Prozent gegenüber 7 Prozent). „Wir haben bereits seit einigen Jahres gewusst, dass ADHS wohl genetisch bedingt sein muss, weil es in betroffenen Familien immer wieder vorkommt", erklärt die Studienleiterin Prof. Anita Thapar, Professorin für neuropsychiatrische Genetik an der Universität Cardiff. Ihre Vermutung sehen die Wissenschaftler nun bestätigt und Prof. Thapar ergänzt, dass es „wirklich spannend ist, dass wir erstmals die genetische Verbindung gefunden haben."
Genkopiezahlvarianten (CNV) bilden den Unterschied
Der genetische Unterschied zwischen gesunden Kindern und ADHS-Patienten beruht im wesentlichen auf Abweichungen bei den sogenannte Genkopiezahlvarianten bzw. „copy number variants“ (CNV), so die Aussage der Wissenschaftler. „Kinder mit ADHS verfügen häufiger über eine defekte DNA-Struktur. Dabei sind manche Teile doppelt oder fehlen ganz“, erläutert Prof. Thapar die Ergebnisse ihrer Studie. CNV stehen dabei seit längerem im Verdacht Auswirkungen auf die Prädisposition für bestimmten Erkrankungen wie zum Beispiel auch Schizophrenie oder Autismus zu haben.
Studienergebnisse für Betroffene und ihre Eltern von Vorteil
Für die Betroffenen und ihre Eltern sind die Ergebnisse nach Ansicht der Forscher eine Erleichterung, denn hyperaktive Kinder würde wegen ihres Verhaltens immer noch häufig stigmatisiert, wobei oft auch die Erziehung durch die Eltern in Frage gestellt wird. „Die Entdeckung dieses direkten genetischen Zusammenhangs dürfte dieses Missverständnis ausräumen", betont Prof. Thapar, auch wenn die Ursachen der psychischen Störung mit den vorgelegten Ergebnissen noch nicht abschließend geklärt seien. Denn eine bestimmtes Gen, dass ADHS verursacht, konnten die Wissenschaftler nicht finden, sondern lediglich CNV die im Zusammenspiel eine Erkrankung begünstigen. So erläutert Prof. Thapar, dass noch viel Arbeit bevorstehe, ehe die psychische Störung vollständig verstanden werden könne.
CNV lassen sich zur Diagnose von ADHS nutzen
Bei der Diagnose von ADHS können die jetzt vorgelegten Studienergebnisse jedoch äußerst hilfreich seien, da behandelnde Ärzte nun auch nach den genannten CNV als Risikofaktor für ADHS suchen können. Zudem hoffen die Wissenschaftler, dass sich aus den Ergebnissen effektiveren Behandlungsmethoden für betroffene Kinder ableiten lassen.
Zu viele ADHS-Medikamente verschrieben
Bisher wurde der steigenden Zahl von ADHS-Patienten viel zu häufig mit dem Einsatz von Medikamenten wie Ritalin oder Strattera begegnet, so auch die Ansicht des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland. Zwar ist den meisten Ärzten die Problematik des Medikament-Einsatzes mittlerweile bewusst, so dass die Zahl der Verschreibungen entsprechender Präparate bei Kindern im Alter von sechs bis neun Jahren nach Angaben der DAK zwischen 2007 und 2009 um 24 Prozent gesunken ist. Doch der G-BA sah sich dennoch erst kürzlich dazu gezwungen, die Verordnung von ADHS-Medikamenten wie Ritalin zusätzlich einzuschränken. So ist künftig eine noch umfassendere Diagnose ausschließlich vom Spezialisten zu erstellen und die medikamentöse Therapie muss regelmäßig unterbrochen werden, um die Auswirkungen auf das Befinden des Kindes zu überprüfen. Denn die entsprechenden ADHS-Medikamente stehen immer wieder im Verdacht Nebenwirkungen wie zum Beispiel Appetitlosigkeit, Wachstumsstörungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden aber auch zusätzliche psychische Probleme wie Nervosität, Reizbarkeit, innere Unruhe, psychotische Phasen oder gar paranoide Wahnvorstellungen und Halluzinationen zu verursachen. (fp)
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Bild: Rainer Sturm /Pixelio.de
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Wichtiger Hinweis:
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