Verhärtete Fronten zwischen bayrischen Hausärzten und den Krankenkassen: Hausärzte stimmen über die kollektive Rückgabe der kassenärztlichen Zulassung ab.
22.12.2010
Am heutigen Mittwoch haben sich die bayrischen Hausärzte in Nürnberg versammelt, um unter anderem über den Vorschlage des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV) zur kollektiven Rückgabe ihrer Kassenzulassungen zu entscheiden. Die Krankenkassen warnen die Hausärzte vor diesem folgenreichen Schritt. Nach der Rückgabe der Zulassung können die bayrischen Mediziner keine Patienten mit einer Krankenkassen-Karte behandeln. Zur Stunde treffen sich tausende Hausärzte und stimmen momentan über die Rückgabe kassenärztlichen Zulassung ab.
Interessenpolitik zu Lasten der Patienten
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hat sich der Streit zwischen den Hausärzte und den Krankenkassen in Bayern immer weiter zugespitzt, was zuletzt darin gipfelte, dass die AOK Bayern und die bayrischen Ersatzkassen ihre Hausarztverträge aufgrund „gravierender Vertragsverletzungen“ fristlos kündigten. Einige Tage später kündigten auch die Ersatzkassen den Hausärztevertrag. Der BHÄV zeigte sich jedoch unbeeindruckt von dem drastischen Vorgehen und der wachsenden Kritik aus Reihen der Politik. Der Verband hofft bei der heutigen Versammlung trotz allem die Mehrheit der bayrischen Hausärzte für die kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen gewinnen. So bleiben die Fronten kurz vor der Abstimmung extrem verhärtet. Die Krankenkassen und der BHÄV werfen sich in eilig ausgegebenen Pressemitteilungen gegenseitig Interessenpolitik auf dem Rücken der Patienten vor und machen die Gegenseite für drohende Versorgungsengpässe der Patienten verantwortlich.
Politiker kritisieren das Vorgehen der Hausärzte
Sollten sich 60 Prozent der bayrischen Hausärzte (3.813 der stimmberechtigten Mitglieder) bei der Versammlung in der Nürnberger Arena für einen Ausstieg aus dem Kassen-System entscheiden, wäre dies ein bisher einmaliger Vorgang, der das gesamte deutsche Gesundheitswesen erschüttern könnte. So wächst auch in den Reihen der Politik die Nervosität. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warnte die Hausärzte davor, mit der Rückgabe ihrer Kassenzulassung eine „rote Linie“ zu überschreiten. Dies könne kein Ministerpräsident und keine Regierung akzeptieren, schimpfte Seehofer in Richtung der bayrischen Hausärzte. Auch aus Berlin wendete sich der Gesundheitsstaatssekretär Stefan Kapferer (FDP) mit mahnenden Worten an die bayrischen Ärzte: „Wer aus dem Kassensystem aussteigt, darf die nächsten sechs Jahre nicht mehr als Kassenarzt arbeiten“ betonte Kapferer mit Blick auf die finanziellen Konsequenzen. Insgesamt gab sich die Bundesregierung, angesichts der Androhung der bayrischen Hausärzte aus dem Kassensystem auszusteigen, jedoch eher zurückhaltend. Solche Drohungen habe es bereits mehrfach gegeben, daher sollte zunächst abgewartet werden, wie sich die Ärzte tatsächlich entscheiden, erklärte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts.
Folgen der kollektiven Kassenzulassungs-Rückgabe
Welche Folgen die kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen für die Patienten tatsächlich hätte, bleibt dabei bislang unklar. Während der BHÄV in der aktuellen Pressemitteilung erneut seine Absicht unterstreicht, nach einem erfolgreichen Ausstieg mit den Krankenkassen umgehend neue, besser dotierte Verträge aushandeln zu wollen, erklärten bereits sechs der gesetzlichen bayrischen Krankenversicherungen den Neuabschluss von Verträgen mit den Hausärzten kategorisch abzulehnen. Damit könnten die Ärzte eine Behandlung gesetzlich Versicherter nach dem 30. März 2011 nicht mehr über die Chipkarte abrechnen und die Patienten müssten für die erhaltenen medizinischen Leistungen aus eigener Tasche bezahlen. So könnte der Ausstieg der bayrischen Hausärzte aus dem Kassensystem nach Einschätzung zahlreicher Gesundheitsexperten ein Beben im gesamten deutschen Gesundheitswesen auslösen. Daher wird das voraussichtlich heute Abend vorliegende Abstimmungsergebnis der bayrischen Hausärzte nicht nur von den Krankenkassen mit Spannung erwartet. Der BHÄV-Vorsitzende Wolfgang Hoppenthaller, zeigte sich im Vorfeld der Veranstaltung jedoch optimistisch, das benötigte Quorum für die kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen zu erreichen. (fp)
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Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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