Cannabis bald auf Rezept?
(23.08.2010) Seit das Emnid-Institut im Auftrag der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin" ermittelt hat, dass 75 Prozent der Bundesbürger für den Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken sind, ist das Thema wieder in aller Munde und auch die Bundesregierung möchte von der enormen Unterstützung, die eine solche Legalisierung bei der Bevölkerung findet, profitieren.
Der Sender „ntv“ hat jetzt im Interview mit dem Arzt, Autor und Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin", Franjo Grotenhermen, die Vor- und Nachteile der Legalisierung des medizinischen Cannabis-Einsatzes erörtert. Grotenhermen erklärte, dass es in Deutschland derzeit grundsätzlich zwei Behandlungsmöglichkeiten gibt, bei denen Cannabisprodukte eingesetzt werden: Eine davon ist die Therapie mit „Dronabinol“, welches als psychoaktives Cannabinoid seit 1998 in Deutschland verschreibbar ist. Rund 40 Personen haben für die Verwendung des Produktes eine Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten. Solch eine Genehmigung ist nach Aussage des Fachmanns jedoch sehr schwer zu bekommen. So ist vorab vom behandelnden Arzt darzulegen, w arum der Einsatz von Cannabis notwendig ist und dass keine anderen Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Von der Qualität der ärztlichen Begründung hängt im Wesentlichen auch ab, ob eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen möglich ist oder nicht. So erklärte Holger Rönitz von der THC Pharm GmbH im Gespräch mit Heilpraxisnet, dass z. B.bei unstillbarem Erbrechen oder Tumorkachexie sowie in der Palliativmedizin die Chancen für eine Kostenübernahme relativ gut stehen. Es ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung der Krankenkassen und bei vielen Erkrankungen lehnen diese die Kostenübernahme einer Behandlung kategorisch ab, da Dronabinol“ arzneinmittelrechtlich in Deutschland bisher nicht zugelassen ist, so Franjo Grotenhermen von der Arbeitsgemeinschaft “Cannabis als Medizin”. Bei bis zu 800,- Euro Kosten je Monat, für viele Patienten eine nicht zu überwindende Hürde.
Den hohen Preis erklärt Franjo Grotenhermen, mit den geringen Umsatzzahlen, die eine Massenproduktion von Dronabinol ausschließen. Zudem seien mit den enormen Sicherheitsauflagen für BTM hohe Kosten für Herstellung, Lagerung und Transport der Präparate verbunden.800,- Euro Kosten je Monat sind nach Aussage von Holger Rönitz jedoch eher selten, da diese nur bei extrem hohen Dosierungen, also sehr schwerwiegenden Erkrankungen, anfallen. Dies ist in etwa bei 10 Prozent aller Patienten der Fall. Durchschnittlich dürften die monatlichen Kosten für eine „Dronabinol“-Therapie hingegen zwischen 125,- und 400,- Euro liegen, so Holger Rönitz gegenüber Heilpraxisnet.de.
Als besonderes Kennzeichen der Cannabis-Präparate nennt Grotenhermen die Breite des Wirkungsspektrums, wobei er von drei Bereichen spricht, die sich in neurologische Erkrankungen, chronische Schmerzen und die Hemmung von Übelkeit (z. B. nach Chemo-Therapien) unterscheiden lassen. Die Nebenwirkungen sind dabei verhältnismäßig gering. Lediglich Personen mit Herzerkrankungen sollten vorsichtig sein, da Präparate wie „Dronabinol“ Blutdruckschwankungen und Herzfrequenzsteigerungen auslösen können.. Auch besteht die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, ähnlich wie sie bei unzähligen anderen Präparaten gegeben ist, erklärte der Fachmann außerdem gegenüber dem Sender ntv. Zudem sei ein Missbrauch durch einzelne Personen letztendlich niemals ganz auzuschließen. Er persönlich glaube jedoch, dass der Missbrauch nicht größer sein wird, als mit anderen Medikamenten und betonte, dass es falsch sei aus Angst vor Missbrauch, die Patienten, die Cannabis-Medikamente benötigen, dafür bezahlen zu lassen.
Hier ändert auch die Überlegung der schwarz-gelben Regierungskoalition wenig an der Situation für schwerkranke Patienten. Es wird nach Aussage des Experten lediglich für die Pharma-Unternehmen die Möglichkiet geschaffen, ihre Präparate auf Cannabis-Basis zur Zulassung zu bringen. Als Beispiel nennt Franjo Grotenhermen gegenüber ntv das Medikament „Sativex“, dass gegen Spastik bei Multipler Sklerose eingesetzt wird. Die Zulassung ist für 2011 geplant und geht nur durch, wenn bis dahin das Betäubungsmittelgesetz geändert ist. Hilfe verspricht das Präparat jedoch lediglich einer verschwindend geringen Anzahl von Patienten, nämlich denen mit Multipler Sklerose, die außerdem unter Spastik leiden. Im Endeffekt setzt die Bunderegierung nur Dinge um, die in anderen europäischen Ländern längst Gang und Gäbe sind und nutzt dies vor dem Hintergrund der hohen Zustimmung in der Bevölkerung, um die eigenen Popularität zu steigern, so auch die Ansicht des Experten Grotenhermen.
Dass den Pharma-Unternehmen die Möglichkeit geboten werden soll Medikamente auf Cannabis-Basis zuzulassen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung und da die meisten von der Unternehmen bereits seit Jahren Cannabis-Medikamente eforschen auch notwendig. Aber es bestand bisher kein besonderes großes Interesse von Seiten der Pharmaunternehmen daran, Wirkstoffe auf natürlicher Basis herzustellen. Bervorzugt wird an Präparaten geforscht, die ähnlich den aus Cannabis gewonnenen Medikamenten wirken jedoch auf synthetischem Weg hergestellt werden. Denn nur so lässt sich das Produkt entsprechend patentieren und ein ordentlicher Gewinn erwirtschaften. Das dieser am Ende oft zu Lasten der Patienten geht, spielt dabei keine Rolle.
Der Fachmann geht jedoch davon aus, dass in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein Vielzahl von Cannabis-Medikamenten auf den Markt kommen wird und den betroffenen Patienten damit zumindest ein Stück weit geholfen werden kann. Die jetzt angedachten Änderungen gehen der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin" hingegen lange nicht weit genug. (fp)
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Bild: Uwe Steinbrich / pixelio.de.
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