Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung erwartet ein regelrechtes Chaos bei der Einführung der neuen elektronischen Gesundheitskarte. Die Vorsitzende des Kassenverbandes warf dem Bundesgesundheitsminister "unwirtschaftliches Verhalten" vor. Weigern sich die Krankenkassen, so drohen hohe Strafen in Millionenhöhe.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen kritisiert die geplanten Zwangsmittel bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte. Die Kassenvertreter erwarten ein regelrechtes Chaos bei der Einführung, Leidtragende seien die Patienten und Krankenkassen.
Einführung der neuen Krankenkassenkarten schon 2011
Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler macht Druck: Noch im kommenden Jahr 2011 sollen die neuen elektronischen Gesundheitskarten eingeführt werden. Die Krankenkassen sollen unter der Androhung von hohen Strafgeldern die neuen Krankenkassenkarte einführen. Mindestens zehn Prozent der Patienten sollen eine elektronische Karte bis Jahresende besitzen. Die Krankenkassen schlagen Alarm und befürchten ein regelrechtes Chaos. Viele Arztpraxen seien auf die neuen Gesundheitskarten überhaupt nicht vorbereitet.
Rösler will Krankenkassen zur Einführung zwingen
Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will die gesetzlichen Krankenkassen dazu zwingen, noch vor Jahresende 2011 mindestens 10 Prozent der Versicherten mit den neuen Gesundheitskarten auszustatten. Ansonsten, so die Drohung des Gesundheitsministers, müssen die Kassen Strafgelder in Millionenhöhe zahlen. Mit der Umsetzung will Rösler die geplante Gesundheitsreform schneller unter Dach und Fach bringen. Doch der Bundesverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hält dagegen und kritisiert das massive Vorhaben. So sagte die Vorsitzende des GKV-Verbandes, Doris Pfeiffer, der Bundesgesundheitsminister solle sein Vorhaben überdenken und die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte stoppen. Pfeiffer kritisierte, Röslers Pläne seien ökonomisch gesehen "unwirtschaftlich" und würden zu einem Chaos in den Arztpraxen führen. Viele Ärzte verfügen über solche speziellen Lesegeräte nicht. Die Kassenpatienten wären dazu gezwungen, gleich zwei Krankenkassenkarten bei sich zuführen, damit eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gewahrt bleibt.
Doch die Klagen der Krankenkassen scheinen im Gesundheitsministerium zu verpuffen. Im Gegenteil, sollten die Krankenkassen die vorgegebene 10 Prozent Quote nicht erreichen, so droht der Minister mit empfindlichen Strafen. Bis zu 178 Millionen Euro müssten die einzelnen Krankenkassen zahlen, wenn sie die vorgegebene Quote nicht erfüllen. Für kleiner Krankenkassen könnte diese Drohung Existenzgefährdend sein. Doris Pfeiffer warnte: Würden solche Sanktionen tatsächlich Realität werden, so könnte es passieren, dass viele Kassen zahlreiche Arbeitsplätze abbauen.
Finanzielle Nachteile für Krankenkassen erwartet
Einige der ohnehin schon schwer gebeutelten Krankenkassen wissen noch nicht, ob sie wohl möglich Zusatzbeiträge erheben müssen, um das Defizit in den Kassen ausgleichen zu können. Müssen nun auch noch die Pläne des Gesundheitsministeriums unter Strafandrohung umgesetzt werden, so erscheint das bei vielen Kassen als blanker Hohn. Denn bislang ist noch überhaupt nicht geklärt, ob die neuen Gesundheitskarten in dieser Form erhalten bleiben. Schließlich verändern sich die Anforderungen an ein solches Verfahren fortlaufend, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass die Art und Funktionsweise sich noch einmal ändern werden. Bislang gab es nur ein einziges Pilotprojekt, bei dem die Karte bei Versicherten in Nordrhein-Westfalen getestet wurde. Erschwerend kommt hinzu, dass zunächst alle Arztpraxen mit neuen Lesegeräten ausgestattet werden müssen. Weil die Neueinführung nicht so schnell von statten gehen kann, müssten die Versicherten immer zwei Krankenversicherungskarten bei sich tragen. Alles in allem entstehen so rund 50 Millionen Euro Mehrausgaben.
Elektronische Gesundheitskarte schon 2011 möglich
Die neue elektronische Gesundheitskarte wird ein Foto des Versicherten sowie einen Chip tragen. Da das Verfahren noch nicht ausgereift ist, werden die Funktionsweisen nicht anders sein, als bei den herkömmlichen Karten. Bislang war immer vereinbart, dass die flächendeckende Versorgung der Gesundheitskarten erst dann statt finden soll, wenn alle Praxen ausreichend mit Lesegeräten versorgt sind. (sb, 08.11.2010)
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