Bei chronischem Durchfall bleibt die Ursache oft unklar. Wie eine neue Studie zeigt, hat möglicherweise ein bisher kaum bekanntes Darmhormon einen maßgeblichen Einfluss.
Ein Forschungsteam um Dr. Chris Bannon vom Institute of Metabolic Science der University of Cambridge hat untersucht, welche Rolle das Darmhormon INSL5 bei chronischem Durchfall spielt, der durch eine Malabsorption von Gallensäuren entsteht. Die Ergebnisse sind in dem Fachmagazin „Gut“ veröffentlicht.
Durchfall durch Gallensäure-Malabsorption
Chronische Durchfälle werden bisher häufig dem Reizdarmsyndrom zugeschrieben, weil es keine Routine-Labortests gibt, die eine weitere Differenzierung ermöglichen. Doch in vielen Fällen handelt es sich um eine unerkannte Gallensäure-Malabsorption, erläutern die Forschenden.
Laut den Fachleuten werden bei rund einem Prozent der Bevölkerung Gallensäuren nicht wie üblich im Dünndarm recycelt, sondern in den Dickdarm gespült. Die aggressiven Gallensäuren gelangen in den Dickdarm, reizen die Schleimhaut und können Inkontinenz-Attacken beziehungsweise chronischen Durchfall auslösen, so das Forschungsteam.
Welchen Einfluss hat INSL5?
Aus früheren Untersuchungen an Tieren sei zudem bekannt, dass Gallensäuren das Hormon INSL5 aus Zellen am Ende des Darms freisetzen. Ob dieses Hormon auch beim Menschen eine Rolle spielt, überprüften die Forschenden nun anhand verschiedener Datenreihen.
Beispielsweise hatte ein Team der University of Adelaide Freiwilligen Gallensäuren per Einlauf verabreicht, um das Sättigungshormon GLP-1 zu untersuchen. Dabei kam es unerwartet zu kurzfristigem Durchfall. Und die nun ausgewerteten Proben zeigen, dass parallel auch INSL5 stark anstieg.
Bei Gesunden kaum INSL5 nachweisbar
Ein Vergleich der Blut- und Stuhlproben von gesunden Personen und Personen mit bestätigter Gallensäure-Diarrhö (Daten des Imperial College London) ergab zudem, dass bei Gesunden INSL5 kaum vorhanden ist, während bei den Teilnehmenden mit chronischem Durchfall die Spiegel deutlich erhöht waren und besonders hohe INSL5-Werte mit besonders flüssigem Stuhl korrelierten.
Nicht zuletzt zeigte die Auswertung einer weiteren Probenrreihe an Patientinnen und Patienten mit Reizdarm-Diarrhö, aber ohne Gallensäureproblem, die das Antiemetikum Ondansetron (blockiert auch INSL5) erhielten, dass rund 40 Prozent dieser Gruppe erhöhte INSL5-Werte hatten und diese am besten auf das Medikament ansprachen.
Neue Ansätze zur Diagnose & Therapie
Insgesamt wird deutlich, dass das Darmhormon offensichtlich einen wesentlichen Einfluss auf die Gallensäure-Diarrhö hat und eine Messung von INSL5 könnte wichtige Hilfestellungen bei deren Diagnose bieten.
„Ich werde oft gefragt, warum wir ein Hormon haben, das Durchfall verursacht. Ich betrachte es als eine Art Giftsensor. Gallensäuren gehören nicht in den Dickdarm – sie reizen ihn und sind giftig für das Mikrobiom“, erläutert Dr. Bannon.
Es sei daher durchaus sinnvoll, dass diese Giftstoffe erkannt und wieder ausgeschieden werden, doch werde es problematisch, wenn der Durchfall ständig ausgelöst wird und weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht.
Hier könnte möglicherweise das Medikament Ondansetron helfen, das offenbar speziell bei INSL5-gesteuertem Durchfall greift. Auch die Entwicklung spezifischerer INSL5-Blocker erscheint als vielversprechende Behandlungsoption, doch zunächst sind nun weitere Studien erforderlich, um die zugrundeliegenden Mechanismen genauer zu verstehen. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Cambridge: Discovery of role of gut hormone in chronic diarrhoea could aid development of new tests and treatments (veröffentlicht 29.07.2025), cam.ac.uk
- Christopher A. Bannon, Julian R. F. Walters, Tongzhi Wu, Richard G. Kay, Austin Punnoose, Robin C. Spiller, Jonathan Wilson, Petra Verdino, Peter Barker, Keith Burling, Michael Horowitz, Christopher K. Rayner, Alexander C. Ford, Frank Reimann, Fiona M Gribble: Insulin-like peptide 5 is released in response to bile acid in the rectum and is associated with diarrhoea severity in patients with bile acid diarrhoea; in: Gut (veröffentlicht 23.07.2025), gut.bmj.com
Wichtiger Hinweis:
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