Gibt es eine Salbe gegen Neurodermitis?
Ein Wundermittel gegen Neurodermitis oder ein großer PR Coup
Ein Raunen ging durch die Republik, als der Dokumentarfilm „Heilung unerwünscht“ in der ARD lief. Von einem Allheilmittel gegen Schuppenflechte und Neurodermitis war die Rede. Und davon, dass die Pharmaindustrie die Herstellung und den Vertrieb absichtlich boykottiere, damit Regividerm nicht in Konkurrenz zu ihren Produkten tritt. „Geld verdient man am chronischen Leid“ so das Urteil von Klingelhöller in dem Dokumentarfilm. Nun ist der Erfinder der Salbe, Karsten Klingelhöller, und der Vertreiber des Produkts, die Mavena Health Care AG, selbst in die Schlagzeilen geraten. Aufgrund der Ausstrahlung des Filmes „Heilung unerwünscht“, soll sich das schweizerische Unternehmen dazu entschlossen haben, die Salbe auf den Markt zu bringen. Doch wie sich nun herausstellte, waren sich die Herstellerfirma Regeneratio Pharma GmbH und die Mavena AG bereits im September handelseinig.
Der Hauptbestandteil der Salbe ist das Vitamin B 12 und Avocadoöl, sie ist ein Medizinprodukt der Klasse II und kein Arzneimittel. Eine Apothekenpflicht besteht nicht, im Gegensatz zu Arzneimitteln ist es nicht notwendig, einen Wirksamkeitsnachweis zu führen, um das Produkt auf den Markt zu bringen. Die erforderlichen klinischen Tests für ein Medizinprodukt der Klasse II sind minimal und mit denen für ein Arzneimittel nicht zu vergleichen. Hier hätte man in dem Dokumentarfilm schon hellhörig werden können. Von drei kleinen, nicht repräsentativen Studien ist die Rede. Peter Altmeyer und Markus Stücker von der Hautklinik der Ruhr Universität Bochum testeten die Salbe an 13 Personen. Gegenüber Spiegel Online ließen sie verlautbaren, dass „Regividerm nachgewiesen wirksam ist“. Es ist nicht für den längeren Gebrauch bestimmt, somit wird die Aussage des Pressesprechers der Vertriebsfirma widerlegt, der in einem Interview mit dem Radiosender FFH verlauten ließ, das Produkt sei für die Langzeittherapie geeignet.
Wie wirksam die Salbe ist, bleibt allerdings umstritten. Im Gegensatz zu einem Arzneimittel wirkt ein Medizinprodukt physikalisch oder chemisch. Das Vitamin B 12 soll die Radikale, welche bei Entzündungsprozessen in der Haut von Neurodermitiserkrankten entstehen, abfangen. Die Ursache des Entzündungsprozesses wird somit nicht therapiert. Es lindert laut Aussage des Herstellers die Symptome der Krankheit, aber verhindert nicht deren Entstehung. Laut Stücker auf Spiegel Online könne das Produkt „bei mittelschweren Formen von Neurodermitis eine Linderung bringen“. Ein Wundermittel sei es allerdings nicht. Ein Vorteil gegenüber Cortison ist sicherlich, dass die Haut nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen wird. Wobei es hier auch Berichte von Anwendern gibt, dass die Haut nach der Behandlung angefangen hat zu jucken. In der Sendung „Hart, aber fair“ äußerte sich Beda Stadler, Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern, spontan in der Sendung mit den Worten "Ein bisschen Avocadoöl mit etwas Vitaminen drin kann diese schweren Krankheiten nicht kurieren. Das ist Betrug. Neurodermitis und Schuppenflechte können nicht geheilt werden." Die Dokumentation über die Entstehungsgeschichte verurteilt er: „Wenn man anfängt, auf diese Art Wundermittel zu promovieren, spielt man mit den Hoffnungen der Patienten." Eine angebliche Wirkung ohne Nebenwirkungen bezeichnete er als „verlässliches Warnsignal, wenn jemand versucht, andere Menschen über den Tisch zu ziehen."
Wie wirksam Regividerm ist wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen, wenn Betroffene von ihren Erfahrungen mit der Salbe berichten. Was bleibt ist der bittere Beigeschmack, dass alles nur ein großer PR-Coup war, um das Mittel erfolgreich zu vermarkten. Die manchmal durchaus berechtigten Zweifel an der Pharmaindustrie wurden von den Verantwortlichen gewinnbringend instrumentalisiert. (sb)
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