Berufstätige Mütter und Väter sind nicht gestresster als kinderlose Erwerbstätige
20.03.2014
Kinder oder Karriere? Viele junge Menschen schieben die Gründung einer Familie heraus, weil sie befürchten, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine starke Stressbelastung bedeuten könnte. Doch wie aus dem aktuellen Gesundheitsreport 2014 der DAK Baden-Württemberg hervorgeht, sind erwerbstätige Eltern offenbar nicht mehr gestresst als kinderlose Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Viele junge Menschen fürchten sich vor Unvereinbarkeit von Familie und Beruf
Fühlen sich Männer und Frauen, die Kind(er) und Karriere unter einen Hut bringen, gestresster als kinderlose Erwerbstätige? Offenbar nicht, so das Ergebnis des Gesundheitsreports 2014 der DAK Baden-Württemberg. Die Kasse hatte 3000 baden-württembergische Männer und Frauen in der „Rushhour des Lebens" im Alter zwischen 25 und 39 befragt – einem Zeitraum, in dem normalerweise Entscheidungen in Hinblick auf Karriere, Heiraten und Kinderkriegen getroffen werden. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Erwerbstätige mit und ohne Kinder gleiche Belastungswerte durch chronischen Stress hätten, indem beide auf einer Stressskala von 0 bis 48 (maximaler Stress) einen Wert rund um 20 erreicht hätten.
Stressbelastung bei Vollzeit und Teilzeit gleich hoch
Wie viel gearbeitet wird, würde dabei der DAK nach keinen Unterschied machen, denn selbst in Vollzeit arbeitende Mütter würden keine höheren Belastungswerte aufweisen als Frauen, die gar nicht oder Teilzeit arbeiten. Einen deutlichen Unterschied zwischen Eltern und Nicht-Eltern gibt es jedoch in puncto freie Zeit: Hier gaben zwei Drittel der erwerbstätigen Eltern in Baden-Württemberg an, nicht genug Zeit für sich selbst zu haben, für knapp die Hälfte (47,4%) bestand zudem die Sorge, die Partnerschaft zu vernachlässigen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele Mütter und Väter im Spagat zwischen Job und Kindern Abstriche bei sich selbst machen“, so der Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg, Markus Saur. „Bei ihnen bleiben vor allem ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung auf der Strecke. Erwerbstätige mit Kindern treiben weniger Sport als Berufstätige ohne Kinder.“
Ergebnisse könnten jungen Menschen die Sorgen nehmen
Die Erkenntnis, das berufstätige Eltern also nicht generell gestresster sind als gleichaltrige Männer und Frauen ohne Kind, könnte dem Heidelberger Arbeitspsychologen Karlheinz Sonntag zufolge möglicherweise junge Menschen die Sorge vor einer Unvereinbarkeit von Familie und Beruf nehmen. Denn eine Familie könne sehr hilfreich sein, um vom Arbeitsalltag abzuschalten und neue Energie zu tanken, so der Experte gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
„Kultureller Wandel“ in den Betrieben erforderlich
Um Beruf und Familie tatsächlich gut vereinbaren zu können, gäbe es der Studie nach jedoch weiterhin einige Hindernisse, die eine Entlastung erwerbstätiger Eltern erschweren. So seien zum einen nach wie vor die Angebote an Betriebskindergärten und Notfallkinderbetreuung nicht ausreichend, zudem würden nur wenige Arbeitgeber auch die Männer ermutigen, in Elternzeit zu gehen. Dementsprechend sind es auch eher die Frauen, die Elternschaft als beruflichen Nachteil betrachten als die Männer: Hier hatten laut der Studie 54,4 Prozent der weiblichen Befragten das Statement "Ohne Kinder wäre ich in meinem beruflichen Fortkommen schon weiter“ mit „Ja“ beantwortet, wohingegen nur 12,7 Prozent der Männer dem zustimmen konnten. Daher müsste nach Ansicht Saurs ein „kultureller Wandel“ in den Unternehmen stattfinden, der Müttern wie Vätern größtmögliche Flexibilität ermögliche. „Zudem sollte der in der Kinderversorgung aktive Vater im Berufsleben zum akzeptierten Rollenmodell werden. Flexibilität nicht nur in Bezug auf die Arbeitszeiten hilft, Belastungen insbesondere in der Rushhour des Lebens zu reduzieren“, so der Landeschef weiter.
„Rushhour-Generation“ fehlt deutlich weniger wegen Krankheit im Job als ältere und jüngere Menschen
Neben dem Thema „Kinder und Karriere“ stand bei dem aktuellen Gesundheitsreport 2014 vor allem die gesundheitliche Situation der sogenannten „Rushhour-Generation“ im Fokus, wobei die DAK Gesundheit zu einem positiven Fazit gelang: Denn obwohl bei vielen Männern und Frauen in dieser Lebensphase der persönliche Druck wegen mehrfacher Belastung steige, wirke sich dies nicht auf die Krankschreibungen aus. Ganz im Gegenteil: Im Vergleich zu jüngeren und älteren Menschen im Land fehlen die 25- bis 39-jährigen Baden-Württemberger deutlich weniger im Job aufgrund von Krankheit.
Baden-Württemberg erlangt Spitzen-Wert beim Krankenstand
Auch beim allgemeinen Krankenstand kommt der Report zu dem Ergebnis, dass die Baden-Württemberger im Bundes-Vergleich offenbar sehr robust sind: Hier erlangte das drittgrößte Bundesland einen Spitzen-Wert von 3,3% (Vorjahr: 3,2), was bedeutet, dass an einem Tag erkrankungsbedingt 33 von 1000 Beschäftigten fehlten – bundesweit waren es durchschnittlich 40 gewesen. Die meisten Ausfälle durch Krankheit hatte es dabei im Gesundheitswesen (3,8%) gegeben, die wenigsten in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien (2,5%), die häufigsten Gründe für den Ausfall waren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems wie zum Beispiel Rückenschmerzen (20,5%) sowie Erkrankungen des Atmungssystems.
Arbeitgeber sollten nachhaltiger in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren
Doch auch wenn es um die Gesundheit der 25- bis 39-jährigen Baden-Württemberger der aktuellen Studie nach offenbar recht gut bestellt ist, dürften sich die Betriebe laut Markus Saur nicht auf den positiven Ergebnissen ausruhen: „Sollen diese besonders beanspruchten jüngeren Arbeitnehmer bis zum 67. Lebensjahr produktiv bleiben, müssen die Arbeitgeber nachhaltiger in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren“, so der Experte, denn „Der niedrige Krankenstand der 25- bis 39-jährigen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in diesem Alter erste Ansätze für chronische Krankheiten bilden.“ (nr)
Bild: Rolf van Melis / pixelio.de
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