Nur Darmbakterien zeigen den wahren Vitamin-D-Spiegel
Die Art und Weise, wie die Bakterien und Mikroorganismen unserer Darmflora zusammengesetzt sind, beeinflusst nicht nur unsere Gesundheit und das Risiko für zahlreiche Erkrankungen. Laut einer aktuellen Studie lässt sich nur anhand des Darmmikrobioms das Gehalt an aktivem Vitamin-D bestimmen. Dieser Wert sei wesentlich präziser und umfasse zudem verschiedene Vitamin-D-Formen, die in anderen Messungen gar nicht erfasst werden.
Forschende der University of California San Diego ermöglichten ein neues und tiefergehendes Verständnis von Vitamin-D und dessen typischen Messungen. Der aktuellen Studie zufolge sind bisherige Vitamin-D-Messungen unzureichend, da nicht alle Formen des Vitamins erkannt werden. Nur die Metaboliten der Darmflora können laut Studie wirklichen Aufschluss über den Vitamin-D-Spiegel geben. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in den renommierten Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Verschiedene Vitamin-D-Formen
Vitamin-D kann verschiedene Formen annehmen. Standard-Bluttests zeigen jedoch nur eine einzige Form an und zwar eine inaktive Vorstufe, die vom Körper gespeichert werden kann, berichtet das Forschungsteam. Diese Vorstufe wird vom Körper in eine aktive Form umgewandelt und kann dann erst genutzt werden.
Aktives Vitamin-D interagiert mit den Darmbakterien
Während der Studienarbeit stellte das Forschungsteam fest, dass die Bakterien der Darmflora nicht in Verbindung mit der Vitamin-D-Vorstufe stehen – dafür aber umso mehr mit aktivem Vitamin-D, welches bislang in keinem Test erfasst wird. „Wir waren überrascht, dass die Mikrobenvielfalt eng mit aktivem Vitamin-D, nicht aber mit der Vorläuferform in Verbindung gebracht wurde“, berichtet die leitende Studienautorin Deborah Kado, Direktorin der Osteoporose-Klinik an der University of California San Diego.
Krankheitsrisiken durch Vitamin-D-Mangel
Mehrere Studien haben bereits gezeigt, dass Menschen mit einem Vitamin-D-Mangel unter anderem ein höheres Risiko für Krebs, Herzkrankheiten und schwere COVID-19-Verläufe haben. Die bislang größte randomisierte klinische Studie mit mehr als 25.000 Erwachsenen kam jedoch zu dem Schluss, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten keinen Einfluss auf solche Risiken hat. Die aktuelle Studie stellt nun jedoch die Art und Weise in Frage, wie wir Vitamin-D messen.
Studie stellt frühere Erkenntnisse infrage
„Unsere Studie deutet darauf hin, dass frühere Studienergebnisse zustande kamen, da nur die Vorläuferform von Vitamin-D und nicht das aktive Hormon gemessen wurde“, betont Professorin Kado. Die Messung der Bildung und des Abbaus des aktivem Vitamin-D sei möglicherweise ein besserer Indikator für zugrunde liegende Gesundheitsprobleme. Zudem müsse überprüft werden, wie sich eine Vitamin-D-Supplementierung auf das aktive Vitamin-D auswirkt.
Ablauf der Studie
Insgesamt wurden Stuhl- und Blutproben von 567 Männern aus sechs US-amerikanischen Städten analysiert. Das Durchschnittsalter der Probanden betrug 84 Jahre. Ein Großteil der Teilnehmer war in einem guten oder sehr guten Gesundheitszustand. Mithilfe von hochmodernen Analyseverfahren ermittelten die Forschenden die Bakterienarten in jeder Stuhlprobe sowie die Vitamin-D-Metaboliten im Blutserum jedes Teilnehmers.
12 Bakterienarten waren mit hohen Vitamin-D-Spiegeln verbunden
Allgemein zeigte sich, dass aktives Vitamin-D mit einer höheren Vielfalt in der Zusammensetzung der Darmflora verbunden ist. Insbesondere 12 Bakterienarten waren bei den Probanden mit den höchsten Gehalt an aktiven Vitamin-D besonders häufig vertreten. Diese Bakterien gehören zu den Arten, die Butyrat produzieren – eine Fettsäure, die zur Erhaltung einer gesunden Darmschleimhaut beiträgt.
Vitamin-D-Vorläufer haben keine zuverlässige Aussagekraft
Unerwarteterweise scheint das Pensum der gespeicherten Vorläuferform nicht mit dem Maß des tatsächlich verfügbaren aktiven Vitamin-D verbunden zu sein. So bekamen Männer aus Kalifornien beispielsweise das meiste Sonnenlicht ab und hatten die größten Mengen an Vitamin-D-Vorläufern gespeichert. Die Menge an dem aktiven Vitamin-D war jedoch über alle Teilnehmer ähnlich verteilt – unabhängig vom Wohnort.
Müssen wir neu über Vitamin-D denken?
„Es scheint so, als ob es keine Rolle spielt, wie viel Vitamin-D man durch Sonnenlicht oder Nahrungsergänzung bekommt, noch wie viel der Körper speichern kann“, resümiert Kado. Es komme in erster Linie darauf an, wie gut der Körper in der Lage ist, Vorläufer in aktives Vitamin-D umzuwandeln. Die Forschenden schlagen vor, dass dieser Messwert in folgenden klinischen Studien berücksichtigt werden muss, um ein genaueres Bild von Vitamin-D und dessen Aufgabe im Körper zu erhalten.
Einschränkungen der Studie
Forschungsleiterin Kado weist darauf hin, dass es sich bei den Blut- und Stuhlproben um eine zeitliche Momentaufnahme handelt. Zudem wurden nur Männer im fortgeschrittenen Alter untersucht. Die Ergebnisse sagen nichts darüber aus, wie sich Faktoren wie Ernährung, Schlafgewohnheiten sowie die Einnahme von Medikamenten oder Vitamin-D-Präparaten auf die Darmflora und auf das verfügbare aktive Vitamin-D auswirkt. Hierzu seien weitere Studien erforderlich, die die Rolle der Bakterien im Vitamin-D-Stoffwechsel identifizieren. Aus solchen Ergebnissen könnten sich in Zukunft verbesserte Vitamin-D-Therapien ableiten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of California San Diego: Study Reveals Connection Between Gut Bacteria and Vitamin D Levels (veröffentlicht: 30.11.2020), ucsdnews.ucsd.edu
- Robert L. Thomas, Lingjing Jiang, John S. Adams, et al.: Vitamin D metabolites and the gut microbiome in older men; in: Nature Communications, 2020, nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.