Streit zwischen AOK und Hausärzteverband
Ärzteverband beharrt auf Systemumstieg: Nach der fristlosen Kündigung der Hausarztverträge von Seiten der AOK beharrt der Bayrische Hausärzteverband auf der Forderung nach einem Systemumstieg. Ein Ende des Konflikts zwischen der Krankenkasse und dem Ärzteverband ist nicht in Sicht.
17.12.2010
Gestern gab die Allgemeine Ortskrankenkasse AOK bekannt, den Hausarztvertrag zwischen dem Bayerischen Hausärzteverband (BHÄV) und der Kasse fristlos aufzukündigen. Noch einige Wochen zuvor hatte der Ärzteverband seinerseits angekündigt, die Ärzteschaft dazu aufrufen zu wollen, die Kassenzulassung aus Protest gegen die Gesundheitsreform zum Jahresbeginn 2011 abzugeben. Die AOK hat auf diese Ankündigung ihrerseits mit drastischen Mitteln reagiert und kündigte kurzerhand die Hausarztverträge. Zu diesem Mittel habe man deshalb greifen müssen, weil der BHÄV erneut einen „Rechtsbruch“ begangen habe, in dem er seine Mitglieder zum Ausstieg aus dem Kassensystem aufrufe.
Trotz dieser drastischen Maßnahme bleibt der bayrische Hausärzteverband bei seiner Forderung über die Honorare neu zu verhandeln. Wie der stellvertretende BHÄV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Krombholz gestern sagte, ändere die Kündigung seitens der AOK nichts an den Kernforderungen des Verbandes. Der Ärzteverband fordere weiterhin eine Sicherung Tarifhoheit auf Dauer, eine Plansicherheit für die Zukunft sowie erneute Honorar-Verhandlungen „auf Augenhöhe“, so der Ärztevertreter. Man habe die Kontroverse nur deshalb begonnen, "weil wir an den gesetzlich bis Mitte 2014 fixierten Bestandschutz für die Hausarztverträge nicht glauben", argumentierte der BHÄV-Vize.
Die Töne in dem Streit haben deutlich an Schärfe zugenommen. Für die AOK sei es „unmöglich und unzumutbar“ mit einem Verein zusammen zuarbeiten, "der sich in zentralen Fragen der Sozialgesetzgebung rechtswidrig verhält, andere zum Rechtsbruch aufruft, darüber hinaus auch noch den Vertragspartner unter Androhung des rechtswidrigen Systemausstiegs zu einem neuen Vertrag zwingen will und zudem öffentlich verunglimpft", erklärte Dr. Helmut Platzer der AOK Bayern. Man habe zudem vor der Kündigung den Hausärzteverband gewarnt, zu solchen Mitteln zu greifen, falls man weiterhin den Systemausstieg propagiere.
Mittlerweile solidarisieren sich auch andere Ärzteverbände mit dem BHÄV. So sagten der Hausärzteverband in Baden-Württemberg und Medi in einer gemeinsamen Erklärung den bayrischen Kollegen ihre Unterstützung zu. Nach Ansicht von Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des baden-württembergischen Hausärzteverbandes, und von Dr. Werner Baumgärtner, Vorsitzender von Medi, müsse nun die AOK auf den Ärzteverband zugehen und Verhandlungen aufnehmen. Zudem forderten beide Verbände ihre Mitglieder auf, sich zu solidarisieren. Insbesondere gelte dies für die Hausärzte, die in den angrenzenden Regionen zu Bayern tätig seien. Diese sollten die Beschlüsse der bayrischen Kollegen nicht unterlaufen. In der Presseerklärung der beiden Organisationen heißt es: "Wir werden unsere Mitglieder auffordern, auch nicht für eine Übergangsversorgung aus Bayern zur Verfügung zu stehen". „Wir werden die Defizite der ärztlichen Versorgung, für die Politik und Krankenkassen verantwortlich sind, nicht in Baden-Württemberg auffangen“, sind sich Dietsche und Baumgärtner einig. „Mit ihren Drohgebärden gegen die bayerischen Hausärzte und den HÄV zeigt die AOK Bayern, dass sie den Hausarztvertrag nicht will und sogar soweit geht, sich über gesetzliche Bestimmungen im SGB V hinwegzusetzen“, so Dietsche und Baumgärtner weiter. Scharfe Kritik übten beide auch an der AOK-Drohung, die Schlusszahlungen für das 3. Quartal um rund 16 Millionen Euro zu kürzen.
Die AOK kontert derweilen in einer ebenso scharfen Weise. Man könne nicht zulassen, dass AOK Versicherte zum "Spielball der machtpolitischen Ambitionen des BHÄV werden", erklärte Dr. Platzer. Man wolle seine 2,6 Millionen Mitglieder genau und umfassend informieren. Der Verband der Hausärzte wolle mit ihren Aktionen die AOK zwingen, "einen neuen Hausarzt-vertrag auf Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und unter Ausschluss des Sozialgesetzbuchs zu erzwingen". Man könne aber nur Verträge mit Ärzten schließen, die nicht ihe Kassenzulassung zurück geben wollen. "Der Abschluss eines neuen Vertrags mit Ärzten, die kollektiv auf die Zulassung verzichtet haben, ist laut Sozialgesetzbuch nicht möglich", so Platzer.
Für die Patienten bedeutet dieser Streit bei einigen Gesundheitsleistungen zunächst einmal ein paar Einschränkungen. Zwar können AOK Krankenversicherte nach wie vor ihren Hausarzt in Anspruch nehmen, allerdings müssen Patienten nun wieder die volle Praxisgebühr zahlen, die zuvor von den Regelungen ausgenommen waren. Auch der jährliche Gesundheitscheck falle erst einmal weg.
Für viele Versicherte erscheint der Streit derzeit absurd. Ohne selbst in die Materie genau eingebunden zu sein, verstehen viele nicht, worum es eigentlich geht. Wie immer geht es kurz gesagt ums Geld. Die Ärzteverbände sind der Ansicht, dass die Tarife in der jetzigen Form nicht ausreichen werden, um auch zukünftig eine medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die AOK ist der Ansicht, dass die ausgehandelten Verträge genügen. Wie sich nun der Konflikt weiter entwickelt, hängt von beiden Kontrahenten ab. (sb)
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