Krankem Flüchtlingskind Hilfe verweigert: Geldstrafen
16.04.2014
Einem einjährigen Flüchtlingskind wurde in einem fränkischen Aufnahmelager Hilfe verweigert obwohl es an einer schweren Infektion erkrankt war. Drei Mitarbeiter der Einrichtung wurden nun wegen unterlassener Hilfeleistung zu Geldstrafen verurteilt. Sie hatten sich geweigert, einen Krankenwagen für den serbischen Jungen zu rufen.
Hilfe für einjähriges Flüchtlingskind verweigert
Für den kleinen Leonardo wäre beinahe jede lebensrettende Hilfe zu spät gekommen. Dem damals einjährigen schwerkranken Jungen war in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZAE) im mittelfränkischen Zirndorf Hilfe verweigert worden. Als die aus Serbien stammenden Eltern im Dezember 2011 die Pförtner baten, für ihren offensichtlich kranken Sohn einen Notarzt zu rufen, wurde dem nicht nachgekommen. Drei Mitarbeiter des Aufnahmelagers sind nun vom Amtsgericht Fürth zu Geldstrafen verurteilt worden. So muss eine Mitarbeiterin der Einrichtung 60 Tagessätze à 40 Euro bezahlen und zwei Pförtner wurden zu ebenfalls 60 Tagessätzen à 45 beziehungsweise 50 Euro verurteilt. Die Urteile lauteten auf unterlassene Hilfeleistung sowie fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen.
Richter spricht von herzlosem Verhalten
Der Junge war damals an einer massiven bakteriellen Infektion erkrankt gewesen. Trotz eindringlicher Bitten der Eltern hatten die Pförtner weder einen Arzt noch einen Rettungswagen gerufen, sondern den Vater aufgerufen, sich zuerst einen Krankenschein zu besorgen. Und auch die Angestellte habe keinen Arzt gerufen, sondern die Familie zu Fuß bei winterlichen Temperaturen zu einem Mediziner geschickt. In der Praxis angelangt, ließ die dortige Kinderärztin den kleinen Leonardo sofort in eine Klinik bringen, wo sein Leben nur knapp gerettet werden konnte. Der Richter sprach beim Prozess am Dienstag von herzlosem Verhalten, zu dem ihm nichts mehr einfalle.
Arzt wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen
Ein Bereitschaftsarzt, der das Kind im Aufnahmelager untersucht hatte und der wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt war, wurde hingegen vom Amtsgericht Fürth freigesprochen. Der Mediziner hatte bei dem Jungen lediglich einen fiebrigen Infekt diagnostiziert gehabt, den er nicht für weiter bedrohlich hielt und verschrieb Fieberzäpfchen. Später hatte sich jedoch herausgestellt, dass das Kind an einer Meningokokken-Infektion erkrankt war. Die Bakterien lösten bei ihm das sogenannte Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom aus, wobei das Blut gerinnt und die Haut oder anderes Gewebe absterben. Der Junge bleib zwei Wochen im künstlichen Koma, musste sich umfangreiche Hauttransplantationen unterziehen und verlor einen Zeh und einen Finger.
Kind hätte früher behandelt werden müssen
Wie eine Medizinerin vom Klinikum Fürth vor Gericht aussagte, hätte das kleine Kind früher behandelt werden müssen. Vermutlich litt der Junge schon am frühen Morgen an starken Schmerzen. Der Aussage der Ärztin zufolge sei das Kind nicht mehr ansprechbar gewesen und habe kurz darauf nicht mehr atmen können. Es hatte zuerst hohes Fieberbekommen und wurde dann apathisch und bekam dunkelblaue Flecken auf der Haut. In der Verhandlung sagte ein Gutachter von der Universität Erlangen, dass diese Erkrankung selbst bei Behandlung in 90 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Und die Ärztin vom Klinikum Fürth erklärte, dass bei dieser Erkrankung jede Stunde zählt. Der bayerische Flüchtlingsrat hatte sich schon vor Wochen kritisch gegenüber den Verhältnissen in dem Aufnahmelager geäußert: „Flüchtlinge, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden, sind auf Gedeih und Verderb vom Verhalten der dortigen MitarbeiterInnen abhängig. In der ZAE Zirndorf werden sie eiskalt verwaltet – Leonardo beinahe zu Tode.“ (sb)
Bild: Helene Souza / pixelio.de
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