Diabetiker-Lebensmittel verboten: Kein wissenschaftlicher Nutzen von speziellen Diabetes Lebensmitteln.
(25.09.2010) In Deutschland leiden etwa 10 Prozent der Bevölkerung unter Diabetes. Die Betroffenen müssen besonders auf ihre Ernährung und die Einhaltung spezieller Diätvorgaben achten. Dabei standen Lebensmitteln mit dem Hinweis "für Diabetiker geeignet" bisher hoch im Kurs. Doch der bloße Austausch von Zucker gegen andere Süßmittel rechtfertigt eine derartige Etikettierung nicht, urteilte jetzt der Bundesrat und beschloss, dass die sogenannten Diabetiker-Lebensmittel verboten werden.
Zwei Jahre lang haben die Lebensmittelhersteller noch Zeit ihre Produktpalette umzustellen, danach ist die weitere Herstellung der speziellen Diabetiker-Lebensmittel untersagt. Die in der Diätverordnung gelisteten spezielle Anforderungen an diätetische Lebensmittel werden ersatzlos gestrichen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte schon im letzten Jahr geurteilt, dass Verpackungshinweise wie "für Diabetiker geeignet" oder "zur besonderen Ernährung bei Diabetes mellitus geeignet" irreführender Unsinn seien, da keiner der Hinweise wissenschaftlich haltbar sei. "Eine Beibehaltung von bisher bestehenden Regelungen für Diabetiker-Lebensmittel ist auch unter Einbeziehung der neueren Literatur nicht gerechtfertigt", so das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weiter.
Von Speiseeis, über Kuchen und Kekse bis zu Marmelade, Schokolade oder Getränken, fast jedes Nahrungsmittel ist auch in einer speziellen Diabetiker-Variante auf dem Deutschen Markt. Dabei regelte die Diätverordnung für Diabetiker-Lebensmittel bisher, welche Inhaltsstoffe diese Produkte enthalten dürfen. Weil etliche Diabetiker-Lebensmittel, wie z. B. spezielle Kekse oder Marmeladen jedoch zu viel Fett und Kalorien enthalten und generell nicht mehr den Ernährungsempfehlungen der Bundesregierung entsprechen, hatte der Ausschuss des deutschen Bundesrates für Agrarpolitik und Verbraucherschutz bereits am 06.09.2010 einstimmig die Abschaffung derartiger Produkte beschlossen. Diesem Beschluss folgte der Bundesrat bei seiner jetzigen Entscheidung, so dass die genanten Artikel spätestens in zwei Jahren vom deutschen Markt verschwinden.
Die Entscheidung wird von Seiten der Betroffenen durchweg sehr begrüßt, da die Kennzeichnungen eher irreführend waren und Diabetikern bei der Einstellung ihrer täglichen Insulindosis keine Hilfestellung boten. „Die Diabetiker-Produkte waren nichts als eine Mogelpackung. Sie suggerierten, dass man sich besonders gut ernährt, was aber überhaupt nicht stimmte", erklärt auch Professor Thomas Danne, Präsident der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Auch Diabetiker sollten sich an die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung halten, die zur „ausgewogener vollwertiger Mischkost" rät. Da zahlreiche Studien außerdem belegt haben, dass Diabetes mellitus nicht nur den Zuckerspiegel beeinflusst, sondern auch Störungen des Protein- und des Fettstoffwechsels auslöst, reicht „eine Therapie, die nur den Zuckerhaushalt reguliert, (…) nicht aus", betonte ein Sprecher des BfR.
Damit Diabetiker ihre Krankheit besser kontrollieren können, fordert die Deutschen Diabetes-Gesellschaft bereits seit Jahren eine eindeutige Deklaration aller Inhaltsstoffe auf den Verpackungen.“Die Nährwerte auf einem Lebensmittel nachvollziehbar zu kennzeichnen", ist nach Ansicht von Prof. Thomas Danne unerlässlich. Bis heute fehlen nach Angaben des Fachmanns auf etlichen Artikeln exakte Angaben über den Gehalt an Eiweiß, Zucker, Fetten, Ballaststoffen und Salzen sowie zum Brennwert oder zur Gesamtmenge an Kohlenhydraten pro 100 Gramm.
Bisher konnte sich die Lobby der Lebensmittelhersteller stets durchsetzten und mit den Diabetiker-Lebensmitteln weiterhin ordentliche Gewinne erwirtschaften. Nach der zweijährigen Übergangsfrist ist dies nun vorbei, und den Firmen stehen erhebliche Umsatzeinbußen bevor. Norbert Pahne, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Hersteller von Lebensmitteln für besondere Ernährung bezifferte den Umsatz mit Diabetikerprodukten für 2009 auf 138 Millionen Euro, zuzüglich ca. 380 Millionen Euro Einnahmen aus dem Verkauf zuckerarmer Getränke.Ein Geschäftsfeld, dass mit der Neuregelung nahezu vollständig wegbricht, da Produkte nicht länger mit speziellen Diabetiker-Aufdrucken versehen werden dürfen. Zudem muss bei einigen Artikeln sogar die Rezepturen geändert werden, da „beispielsweise bei Diabetiker-Schokolade eine Kombination von Zuckeraustauschstoffen und Süßstoffen erlaubt" war, die "bei normaler Schokolade (…) nicht erlaubt" ist, betonte Norbert Pahne. (fp)
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