Selbsthilfeforen im Internet nicht immer seriös
25.01.2012
Selbsthilfegruppen bieten Betroffenen die Möglichkeit zum Austausch. Doch nicht jeder möchte direkten Kontakt zu Leidengenossen. In Selbsthilfeforen im Internet können Betroffene anonym Fragen stellen und sich austauschen. Nutzer sollten dennoch vorsichtig sein, denn nicht alle Selbsthilfeangebote im Internet sind seriös.
Im Internet wird jede Krankheit diskutiert
Ob psychische Störung, Krebs, Herzinfarkt oder Akne, im Internet wird jede Erkrankung diskutiert. Dafür gibt es sogenannte Selbsthilfeforen. Zwar ist eine Registrierung der Nutzer in der Regel erforderlich, jedoch kann diese unter einem erdachter Benutzernamen erfolgen, so dass die eigene Identität anonym bleibt. Die Berliner Psychologin Jutta Hundertmark-Mayser von der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (Nakos) erklärt: „Die Schwelle, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, ist durch die Anonymität im Internet viel niedriger als bei einer herkömmlichen Selbsthilfegruppe.“ Trotz des großen Angebots im Internet ist es nicht leicht, ein seriöses Selbsthilfeforum zu finden.
Der Berliner Gesundheitswissenschaftler Sebastian Schmidt-Kähler, Geschäftsführer der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland fügt hinzu: „Bei Selbsthilfegruppen im klassischen Sinne und wie auch in Internetforen geht es vor allem um den Austausch Betroffener untereinander.“ Das Hauptinteresse der Nutzer von Selbsthilfeforen besteht in der Regel darin zu erfahren, wie sie und andere mit den Herausforderungen, die eine Erkrankung mit sich bringt, umgehen. Existenzielle Fragen zu den Themen chronische Schmerzen oder Angst vor dem Tod können im Internet sehr persönlich diskutiert werden, ohne dabei seine Identität preisgeben zu müssen. Der Experte berichtet, dass eine Austausch unter Betroffenen auch der Behandlung nützen könne, denn ein gut informierter Patient könne seinem Arzt auch gute Fragen stellen.
Wie können Betroffene ein seriöses Selbsthilfeforum finden?
Während das Internet zum Austausch von Betroffenen viele Möglichkeiten bietet, ist es schwieriger fundierte Informationen zu alternativen Behandlungsmethoden oder diagnostischen Verfahren zu finden. Schmidt-Kaehler erläutert: „Im Internet gibt es keine Gewährleistung für die sachliche Richtigkeit, die Verständlichkeit und die Qualität der angebotenen Informationen.“ Der Gesundheitswissenschaftler berichtet weiter, dass es Siegel für Internetseiten aus dem medizinischen Bereich gäbe. Dazu gehören Siegel vom Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis) oder von der Health On the Net Foundation (HON), die für Internetseiten mit medizinischen Inhalten vergeben werden, die unter anderem ihre Inhalte ständig aktualisieren, Werbung als solche kenntlich machen und den Urheber des Angebots nennen. Schmidt-Kaehler warnt: „Aber solche Siegel können nicht sicherstellen, dass die Information aus dem Netz den aktuellen Stand des Wissens wiedergibt oder keine fragwürdigen Ziele verfolgt.“ Inhalte könnten irreführend oder sogar falsch sein. „Das muss man einfach wissen, wenn man im Internet Rat sucht“ , erklärt der Experte.
Die Psychologin und der Gesundheitswissenschaftler sind sich einig, worauf Betroffene in jedem Fall bei der Suche nach einem Selbsthilfeforum achten sollten:
– Es sollte ein Impressum mit einem Verantwortlichen geben
– Es sollte sichergestellt sein, dass wirklich Betroffene miteinander diskutieren
– Foren von Pharma – oder anderen Unternehmen mit kommerziellen Interessen sollten gemieden werden, da diese die Internetseiten häufig zu Werbezwecken nutzen
„Wenn zum Beispiel in einem Diskussionsforum zum Thema Übergewicht nur Werbung für Diätprodukte oder das Einsetzen eines Magenbandes zu sehen ist, dann sollte man die Finger davon lassen", rät Psychologin Jutta Hundertmark-Mayser. „Und wenn in den Antworten der anderen Nutzer immer wieder von ein und demselben Medikament die Rede ist, sollte ich mir auch lieber ein anderes Forum suchen“, berichtet sie weiter. Zudem sei es positiv zu bewerten, wenn es einen Moderator im Forum gebe, der auf die Einhaltung der sogenannten Nettiquette, der Forumsregeln achte. Die Psychologin berichtet: „Je vertraulicher das Thema ist, desto wichtiger ist es, dass mit den Betroffenen und ihren Äußerungen auch vertraulich umgegangen wird. Und die Nutzer selbst sollten darauf achten, dass sie ein Pseudonym wählen und dass auch in der E-Mail-Adresse ihr Klarname nicht auftaucht."
Inhalte von Selbsthilfeforen miteinander vergleichen
Um irreführende oder sogar fasche Inhalte in Selbsthilfeforen erkennen zu können, ist es ratsam, verschiedene Inhalte miteinander zu vergleichen. „Aber es gilt immer, verschiedene Quellen zusammenzuführen und sich bewusst zu machen, dass im Netz jeder zum Autor werden kann“, erläutert Schmidt-Kähler. Nur weil etwas im Internet stehe, müsse es noch lange nicht richtig sein. Der Experte führt weiter an, dass man beim Autokauf über das Internet schließlich auch verschiedene Angebote miteinander vergleichen würde. „Gleiches gilt auch für alles rund um unsere Gesundheit und die Selbsthilfeforen.“
Selbsthilfeforen besonders bei seltenen Erkrankungen hilfreich
Schmidt-Kähler erklärt: „Gerade bei seltenen Erkrankungen kann das Internet manchmal die einzige Möglichkeit für die Betroffenen sein, sich auszutauschen, weil sie vielleicht weit voneinander entfernt wohnen.“ In diesem Fall bietet das Internet einen großen Vorteil gegenüber klassischen Selbsthilfegruppen.
Zu den seltenen Krankheiten (engl. „orphan disease“) gehören nach Definition der Europäischen Union (EU) Erkrankungen, an denen landesweit weniger als 2000 Menschen (Formel 5 von 10.000 Menschen) leiden. Aufgrund der vergleichsweise geringen Zahlen von Betroffenen werden die selten Krankheiten in der konventionellen Medizin vernachlässigt. Pharmaunternehmen haben aufgrund des zu erwartenden geringen wirtschaftlichen Nutzens wenig Interesse, auf dem Gebiet zu forschen. In Deutschland leiden etwa 4 Millionen Menschen an einer solchen Erkrankung, EU-weit sind es nach Schätzungen von Experten rund 36 Millionen Betroffene. In 80 Prozent der Fälle werden die Krankheiten durch angeborene Gendefekte provoziert. Zu solchen genetischen Dispositionen gehören zum Beispiel Mukoviszidose, die Glasknochenkrankheit oder Progerie (frühzeitige Vergreisung). Diese Erkrankungen treten in der Regel bereits im frühen Kindesalter auf.
Im letzen Jahr wurde von Mitarbeitern des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg eine „Onlineplattform für Seltene Erkrankungen“ bereitgestellt, um betroffenen Patienten einen Wissens- und Erfahrungsaustausch zu bieten. In dem Forum kann jeder mitmachen, der Betroffenen helfen möchten. Die Internetplattform soll zudem Patienten, Angehörige, Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Psychologen, Pädagogen, Pflegekräfte, Wissenschaftler und Therapeuten zusammenführen und einen fachübergreifenden Austausch ermöglichen. (ag)
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Bild: Corinna Dumat / pixelio.de
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