Umfrage bestätigt Impfmüdigkeit der Deutschen: Nur jeder Vierte gegen Grippe geimpft
24.01.2011
Die Deutschen sind des Impfens müde. Dies geht aus einer im Auftrag der Nachrichtenagentur „dpa“ durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „YouGov“ hervor.
Zwei Drittel der Deutschen wollen sich den Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „YouGov“ zufolge dieses Jahr nicht gegen die Grippe impfen lassen. Zwar liegt die Impfquote nach Aussage des Berliner Robert Koch- Instituts (RKI) in etwa auf dem Niveau der Vorjahre, doch insbesondere in den Risikogruppen, für die das RKI eine ausdrückliche Impfempfehlung ausgesprochen hat, werde das gesundheitliche Risiko der Grippe noch häufig unterschätzt. Was bei der Grippeimpfung schon seit längerem zu beobachten ist, trifft jedoch immer häufiger auch auf die notwendigen Auffrischimpfungen gegen Infektionskrankheiten wie Kinderlähmung, Pocken, Masern, Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten zu. Nach Angaben der Ständigen Impfkommission (STIKO) des RKI weisen teilweise nur noch 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Antikörper in schützender Menge auf, da die Auffrischimpfungen vernachlässigt wurden.
Schweinegrippe keine Grund für mehr Schutzimpfungen
26 Prozent der 1029 Befragten gaben in der repräsentativen Umfrage von „YouGov“ an, sich bereits mit einer Impfung gegen Grippe geschützt zu haben, sechs Prozent wollten sich im Verlauf des Winters noch impfen lassen. Damit bleibt die Impfquote in Bezug auf die Grippe ungefähr auf Vorjahresniveau, erklärte das RKI. Auch das Wiederauftreten der Schweinegrippe, ist dabei den Ergebnissen der YouGov-Umfrage zufolge für die meisten Deutschen kein Grund, sich durch eine Impfung zu schützen. Nur 21 Prozent der Geimpften oder Impfwilligen gaben in der Umfrage des Meinungsforschungsinstituts die Schweinerippe (H1N1) als persönliche Begründung für die Grippeschutzimpfung an. Insgesamt scheinen die Deutschen jedoch nicht nur bei den Grippeimpfungen ein wenig nachlässig. Auch bei den Auffrischimpfungen der Basisimpfungen gegen die oben genannten Krankheiten – wie Kinderlähmung, Diphtherie, Keuchhusten und andere – beobachten die Experten, dass der Zeitraum zur Auffrischung nicht eingehalten wird und entsprechende Lücken im Impfschutz auftreten.
Auffrischung von Basisimpfungen wird vernachlässigt
„Wir stellen immer wieder fest, dass viele die regelmäßige Auffrischung der Basisimpfungen nicht bekommen haben, wenn sie wegen Reiseimpfungen zu uns kommen“, betonte Professor Hans Dieter Nothdurft vom Tropeninstitut der Uniklinik München. Dabei werde noch „am ehesten (…) an Tetanus gedacht“, doch andere Impfungen wie beispielsweise gegen Keuchhusten oder Kinderlähmung würden vernachlässigt, so die Aussage des Experten. Grundsätzlich empfiehlt die STIKO Erwachsenen, alle zehn Jahre ihre Impfungen gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) und Diphtherie aufzufrischen, wobei „neuerdings (…) mit der Auffrischung auch die Impfung gegen Keuchhusten (Pertussis)“ empfohlen wird, erklärte Nothdurft. Insbesondere Personen die beruflich oder privat engen Kontakt zu Kindern haben, sollten sich nach Aussage des Fachmanns mit einer entsprechenden Auffrischimpfung schützen, da „kleine Kinder (…) im Wesentlichen von Erwachsenen angesteckt“ werden. Dass viele Deutsche relativ nachlässig mit ihren Auffrischimpfungen umgehen, führt der Infektionsmediziner unter anderem darauf zurück, dass in der Bevölkerung niemand mehr die Schrecken der Krankheiten kenne, da diese in Deutschland kaum noch auftreten, seit entsprechende Impfprogramme bestehen. So wurde zum Beispiel seit dem Jahr 2000 kein Diphtherie-Fall mehr in Deutschland gemeldet.
Grippeschutzimpfung: Sorge vor den Nebenwirkungen
Bei der Grippeimpfung ist die Situation grundsätzlich noch ein wenig anders, da diese nahezu jährlich erfolgen muss, dass heißt die Betroffenen sich regelmäßig zu einer entsprechenden Impfung entschließen müssen. Außerdem empfiehlt die STIKO nicht jedem Deutschen eine Grippeimpfung, sondern beschränkt sich auf Personen mit chronischen Vorerkrankungen, Menschen im Alter über 60 Jahren, Schwangere und medizinisches Personal. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte spricht sich indes auch dafür aus, alle Kinder zu immunisieren, da die Ärzte festgestellt haben, „dass die Zahl der erkrankten Kinder in den Arztpraxen zunimmt“, betonte der Verbandspräsident Wolfram Hartmann. Zudem seien Kinder einerseits Hauptüberträger der Schweinegrippe und anderseits selber besonders gefährdet, weil ihr Immunsystem noch nicht ausgereift ist, erläuterte Hartmann. Doch angesichts der Probleme, die im letzten Jahr mit den Nebenwirkungen des Schweinegrippeimpfstoffs aufgetreten sind, bleiben die Vorbehalte in der Bevölkerung bestehen.42 Prozent der Befragten in der YouGov-Umfrage gaben an sich aufgrund möglicher Nebenwirkungen zu sorgen, obwohl Fachleute wie der RKI-Impfexperte Ole Wichmann betonen, dass der aktuelle Grippeimpfstoff sehr gut verträglich sei und keine Bedenken bestehen, „dass es wesentliche Nebenwirkungen gibt“.
Impfpflicht für bestimmte Krankheiten?
Insgesamt fühlen sich die Deutschen über das Thema Schweinegrippe relativ gut informiert. Rund zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten in der YouGov-Umfrage erklärten, sich gut über das Thema Schweinegrippe informiert zu fühlen. Nur 22 Prozent gaben an, sie hätten noch Wissenslücken. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass eine Mehrheit der Deutschen sich für eine allgemeine Impfpflicht bei bestimmten Krankheiten aussprechen würde. So erklärten 61 Prozent der Befragten dass sie für eine entsprechende Impfpflicht sind, 30 Prozent lehnten eine solche grundsätzlich ab. In Ostdeutschland, wo zu DDR-Zeiten zum Beispiel für Kinderlähmung bereits eine allgemeine Impfpflicht bestand, war die Zustimmung für eine allgemeine Impfpflicht deutlich größer, wenn auch nicht unbedingt in Bezug auf Grippe. Trotz des relativ hohen Zuspruchs und der zu verzeichnenden allgemeinen Impfmüdigkeit, hält Ole Wichmann eine allgemeine Impfpflicht jedoch für nicht durchsetzbar, da diese „ein mit der Verfassung sicher kaum zu vereinbarender Eingriff in die persönliche Freiheit“ wäre. Der RKI-Impfexperte betonte, „dass man mehr auf Aufklärung setzen muss.“ (fp)
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