Krankenkassen gegen Vorkasse beim Arzt: Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung spricht sich gegen die Kostenerstattung für Versicherte aus. Das Modell spare keine Kosten, sondern fördere Mehrausgaben. Auch für Ärzte bringe das Modell finanzielle Risiken.
Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer, hat sich in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau (FR) gegen eine Kostenerstattung beim Arztbesuch durch gesetzlich Versicherte ausgesprochen. Ein solches Modell würde keine Kosten für das Gesundheitssystem sparen, sondern führe sogar zu Mehrausgaben.
Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung, Doris Pfeiffer hat sich in einem Interview gegen das geplante Modell der Kostenerstattung ausgesprochen. Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plant, das Modell weiter auszubauen. Gesetzlich Versicherte sollen ähnlich wie bei der Privaten Krankenversicherung zunächst jeden Arztbesuch aus eigener Tasche bezahlen. Erst zum Jahresende sollen die Versicherten die Kosten bei ihrer Krankenkasse einreichen. Das Gesundheitsministerium betont, dass diese Regelung freiwillig sein soll. Vor allem Krankenkassen und Verbraucherschützer warnen vor einer neu entstehenden „Drei-Klassen-Medizin“. Versicherte ohne Kostenerstattung wären sehr wahrscheinlich nur noch auf eine Basisversorgung angewiesen.
Krankenkassen können Tarife und Leistungen aushandeln
Pfeiffer bekräftigte, dass das momentan gültige Versicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung zahlreiche Vorteile in Bezug auf die Begrenzung von Mehrausgaben hat. Denn die Krankenkassen könnten mit den Ärzten und Kliniken direkte Verträge abschließen. So sagte Pfeiffer gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Die Kassen können so auf Qualität und Wirtschaftlichkeit und damit auf die Kosten direkt Einfluss nehmen. Rechnen die Versicherten wie in der privaten Krankenversicherung selbst mit dem Arzt ab, verlieren die Kassen diese Möglichkeit zur Kostensteuerung.“
Modell schafft keine Transparenz: Versicherte wollen gesundheitliche Hilfe
Das Bundesgesundheitsministerium betont hingegen, das neue Modell würde für Transparenz schaffen. Durch die Quittungen könnten die Patienten nachvollziehen, welche Kosten für die Gesundheitsleistungen entstanden sind. Für die Kassen-Verbandschefin gilt dieses Argument nicht, da kranke Menschen nicht über die Behandlung verhandeln wollen, sondern eine gesundheitlich fördernde Behandlung erwarten. So sagte Pfeiffer: „Der Arzt ist der Experte, auf den sich der Patient verlassen muss.“
Ärzte müssten das Risiko selbst tragen, wenn Patienten ihre Rechnung nicht bezahlen
Ärzteverbände unterstützen den Vorschlag der Kostenerstattung. Patienten würden damit mehr in die Selbstverantwortung genommen. Durch ein neues Modell der Eigenbeteiligung oder Kostenerstattung könne das Problem einer unbegrenzten Nachfrage nach medizinischen, ambulanten Gesundheitsleistungen angegangen werden. „Nur dann wird es gelingen, von der hohen Zahl an Arztbesuchen im Jahr herunterzukommen“, argumentierte Kassenärzte-Chef Andreas Köhler unlängst. Unnötige Arztbesuche könnten durch das Vorkasse-Modell vermieden werden. Doch für Pfeiffer sind diese Argumente nicht verwunderlich. Sie sagte gegenüber der Zeitung: „Die Ärzte erhoffen sich, sich dadurch sämtlichen Steuerungsinstrumenten zu entziehen. Menschen in Notlagen kann man natürlich leichter dazu überreden, unnötige Leistungen zu bezahlen, als die Krankenkassen in Verhandlungen auf Augenhöhe.“ Doch auch für die Ärzte könne das Modell negative Folgen haben, schließlich müssen sie das alleinige Risiko tragen, wenn die Behandlungskosten nicht beglichen werden. Sie müssten sich schließlich darum kümmern, wenn Patienten ihre Rechnungen nicht zahlen können. „Unter diesem Aspekt ist die gesetzliche Versicherung eine sichere Bank.“ so Pfeiffer gegenüber der FR.
Höhere Kosten für die Versicherten?
In diesem Zuge warnte Doris Pfeiffer auch vor höheren Kosten. Durch die Abrechnung bei den Krankenkassen steigen unweigerlich auch die Kosten für die Verwaltung, da der Aufwand deutlich höher wird. Schließlich sei es kein Zufall, dass der Verwaltungsaufwand bei der PKV in etwa drei mal so hoch ist, als bei den gesetzlichen Kassen. Gleichzeitig fehle eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Es könne passieren, dass die Versicherten mit höheren Kosten konfrontiert sind, da es nicht ohne Abschläge funktioniert. (sb, 06.10.2010)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.