Reform im Gesundheitswesen: Ärzte sprechen sich Kostenerstattung aus
Ungeachtet der zunehmenden Kritik beharrt der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf seinen Plan, zukünftig das Modell der Kostenerstattung einzuführen. Die Ärzte loben den Gesundheitsminister dafür, schließlich erhoffen sie sich dadurch höhere Honorare. Kritik kommt vor allem aus den Reihen des Verbraucherschutzes und den Krankenkassen.
Ähnlich wie in der privaten Krankenversicherung will der FDP Minister Rösler die Kostenerstattung bei jedem Arztbesuch einführen. Versicherte sollen dabei bei jedem Arztbesuch in Vorkasse gehen und erst am Ende des Jahres alle Rechnungen bei ihrer Krankenkasse einreichen. Das Prinzip soll freiwillig sein, wie der Minister betonte. Doch Verbraucherschützer befürchten, dass dadurch eine Drei-Klassen-Medizin eingeführt wird. Gänzlich anders sehen das die Ärzte-Verbände. Sie stellen sich demonstrativ hinter den Plänen. So nannte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler am Freitag die Pläne zwar als „tiefgreifend“, aber unerlässlichen Schritt zur Kontrolle der Ausgaben im Gesundheitswesen.
Kostenerstattungsmodell soll nächstes Jahr starten
Nach der großen und bereits in großen Teilen von der Bundesregierung verabschiedeten Gesundheitsreform will der Gesundheitsminister das Projekt in Angriff nehmen. Zuvor allerdings, so einer Sprecher des Ministeriums, wollen man die Ärztehonorare reformieren. Erst im Anschluss soll dann ein „seriöses Rechnungssystem“ für Versicherte verabschiedet werden. Mit einer Gesetzesänderung will Philipp Rösler Patienten „motivieren“ bei jedem Arztbesuch eine Rechnung zu bezahlen. Die Kosten sollen dann die Versicherten bei ihren Krankenkassen zurück holen. „Es ist und bleibt freiwillig, es wird niemand dazu gezwungen“, wie ein Sprecher des Bundesgesundheitsminister am Freitag betonte.
Ärzteverbände sprachen sich gänzlich für eine solche Reform aus. Patienten würden damit mehr in die Selbstverantwortung genommen, wie es hieß. Durch ein neues Modell der Eigenbeteiligung oder Kostenerstattung könne das Problem einer unbegrenzten Nachfrage nach medizinischen, ambulanten Gesundheitsleistungen angegangen werden. „Nur dann wird es gelingen, von der hohen Zahl an Arztbesuchen im Jahr herunterzukommen“, argumentierte Kassenärzte-Chef Andreas Köhler. Nur so könne erreicht werden, dass die hohe Anzahl von zum Teil unnötigen Arztbesuchen reduziert wird.
Krankenkassen gegen Arztrechnungen
Doch argumentieren die Ärzte hier ganz uneigennützig? Diese Frage stellen sich auch die Krankenkassen. „Wenn man jetzt hört, wie laut die Ärztevertreter nach der Kostenerstattung rufen, dann müssen alle Alarmglocken läuten“, kritisierte der Krankenkassen Bundesverbandssprecher Florian Lanz. Lanz lehnt die Vorkasse bei jedem Arztbesuch und damit das Modell der Kostenerstattung ab. Gegenüber der „Bild“ sagte der stellvertretende AOK-Vorsitzende Jürgen Graalmann, dass das Modell keine Probleme des Gesundheitssystems lösen können. Es verunsichert nur die Patienten und „bringt mehr Verwaltungsaufwand bei allen“.
Bei einer Kostenerstattung könnten Ärzte ihre Honorare direkt bei den Versicherten abrechnen, unabhängig davon, ob die Gesundheitsleistungen tatsächlich von den Krankenkassen später zurück erstattet werden. Denn oftmals zahlen die Kassen für bestimmte Leistungen nicht, wenn die Ärzte dafür nicht qualifiziert sind. Im allgemeinen Behandlungsalltag passiert so etwas relativ häufig, da sich Behandlungen unterschiedlicher Fachrichtungen überschneiden. Das Nachsehen haben dann die Patienten, denn sie bleiben dann auf den Kosten sitzen, wie auch der Bundesverband der Verbraucherschützer kritisiert. So könne es schnell passieren, dass zahlreiche Versicherte verunsichert sind, weil sie bei den unterschiedlichen Gesundheitsleistungen nicht mehr durchsehen. So müsste dann jede Behandlung zunächst mit der Kasse ausgehandelt werden.
Weitere Zusatzbeiträge nicht ausgeschlossen
Trotz der Beitragserhöhungen ab dem kommenden Jahr können auf die Versicherten trotz aller Beteuerungen des Gesundheitsministers auch 2011 weitere Zusatzbeiträge entstehen. So sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer gegenüber dem Inforadio „rbb“, dass man insgesamt von einer stabilen Finanzlage bei den Krankenkassen ausgeht. Allerdings könne es bei einigen Krankenkassen in vor allem teuren Städten durch Finanzlücken weitere Zusatzbeiträge geben. Aus diesem Grund seien weitere Strukturreformen vor allem in Kliniken notwendig. (sb, 02.10.2010)
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