Bilder aus dem Körperinneren: Hoffnung für die bildgestützte Diagnostik
21.11.2010
Das Unternehmen Siemens hat in München ein neuartigen Ganzkörperscanner vorgestellt, der die Messprinzipien der Magnet-resonanztomografie (MRT) und der Postitronen-Emissions-Tomografie (PET) in einem Gerät vereint.
Bei Inbetriebnahme des neuen Diagnosegerätes im „Klinikum rechts der Isar“ der Technischen Universität München am Samstag, erklärten die Entwickler, dass es erstmals gelungen sei zwei Techniken zu vereinen, die sich bislang technisch gegenseitig ausschlossen. Mit finanzieller Unterstützung durch die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat Siemens Healthcare ein Kombinationsgerät entwickelt, dass als weltweit erste System die Magnet-resonanztomografie (MRT) und die Postitronen-Emissions-Tomografie (PET) verbindet. So lassen sich Bilder vom Körperinneren anfertigen, welche völlig neue Perspektiven für die bildgestützte Diagnostik eröffnen. Denn die PET-Untersuchung zeigt, wie stark der Stoffwechsel im Gewebe ist und verdeutlicht so, wie aktiv und aggressiv mögliche Tumore sind. Durch die MRT werden dazu dreidimensional und millimetergenau die entsprechenden Bilder des Körperinneren geliefert, erklärten die Entwickler.
Von dem „Biograph mMR“ genannten klinische Großgerät erhoffen sich die Mediziner eine erhebliche Verbesserung der Diagnose bei zahlreichen Krankheiten, vor allem bei Krebs und Demenz. Professor Markus Schwaiger, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin am „Klinikum rechts der Isar“ betonte: „Wir stoßen hier in eine neue Dimension der bildgestützten Diagnostik vor“ und unterstrich damit die Bedeutung der Innovation für die Medizin.
Mit dem „Biograph mMR“ Ganzkörperscanner können Ärzte künftig auf einem Ganzkörperbild zum Beispiel erkennen, wo sich eventuelle Krebstumore im Körper befinden und wie aktiv diese sind. So können Tumoren und Metastasen mit Hilfe der bildgestützten Diagnostik fortan erheblich früher diagnostiziert werden. Das neue Kombinationsgerät bietet in der Krebsmedizin jedoch auch neue Möglichkeiten bei der Nachsorge. Denn anhand des Ganzkörperbildes können die behandelnden Ärzte künftig besser abschätzen, ob eine Chemotherapie erfolgreich war oder nicht. Mit einer einzigen Untersuchung lässt sich feststellen, ob der Tumor kleiner geworden ist und wie sich seine Stoffwechselaktivität verhält. Damit bieten sich in der Tumordiagnostik bessere Anhaltspunkte als bisher, um den Erfolg des jeweiligen Behandlungsansatzes bei Krebspatienten zu beurteilen.
Auch neurodegenerativer Erkrankungen lassen sich mit dem „Biograph mMR“ besser nachweisen, so die Hoffnung der Mediziner am „Klinikum rechts der Isar“. Denn bei neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel Demenz verringert sich die Stoffwechselaktivität in bestimmten Hirnarealen, was mit dem neuen Kombinationsgerät eindeutig festgestellt werden kann. So hoffen die Mediziner, Demenz bereits vor dem Auftreten eindeutiger Symptome diagnostizieren zu können. Die frühzeitige Diagnose ist bei derartigen Erkrankungen besonders wichtig ist, weil mit einer früh eingeleiteten Behandlung oft noch einige Jahre gewonnen werden können, in den die Patienten länger alltagstauglich bleiben. Mit der Entwicklung immer besserer Medikament, könnte das Fortschreiten der Erkrankung in Zukunft eventuell sogar gestoppt oder zumindest deutlich verlangsamt werden, so die Hoffnung der Experten. Damit würde die frühzeitige Diagnose eine umso bedeutendere Rolle spielen, denn nach Ausbruch der neurodegenerativen Erkrankungen haben die Patienten kaum Aussicht auf Besserung.
Sowohl MRT als auch PET werden bereits seit Jahren als Untersuchungsmethoden eingesetzt und auch die Kombination der Diagnoseverfahren war durch nacheinander folgende Untersuchungen bereits vor der Entwicklung des „Biograph mMR“ möglich. Allerdings waren dafür zwei Untersuchungstermine und ein erheblicher medizinischer Mehraufwand notwendig. Zudem ergaben sie weit ungenauere Ergebnisse, weil die diagnostischen Bilder aus dem Körperinneren nachträglich überlagert werden mussten. Da die Patienten bei den verschiedenen Untersuchungen jedoch, trotz aller Bemühung des Fachpersonals um Genauigkeit, meist nicht zweimal exakt die selbe Position im Ganzkörperscanner einnehmen, war die Präzision der Bilder bisher entsprechend beschränkt. Mit dem neuen „Biograph mMR“ werden diese Präzisionsprobleme behoben und die Untersuchung benötigt künftig lediglich eine Messzeit von einmal 30 Minuten.
Bisher war es nicht möglich die verschiedenen Untersuchungsverfahren in einem Gerät zu vereinen, da die für den MRT-Scan notwendigen starken Magnetfelder, die empfindlichen Sensoren der PET-Geräte gestört haben. Die Entwickler von Siemens Healthcare haben jetzt jedoch einerseits neuartige Detektoren für Gammastrahlung verwendet, die auch in starken Magnetfeldern funktionieren und anderseits alle notwendigen Bauteile der zwei Diagnosegeräte durch geschickte Miniaturisierung in einem einzigen Kombinationsgerät untergebracht, welches kaum größer als eine der ursprünglichen Apparaturen ist.
Die Detektoren eines PET-Gerätes müssen dazu in der Lage sein, die von dem sogenannten Tracer verursachte Gammastrahlung zu erfassen. Tracer werden den Patienten vor der Untersuchung in die Blutbahn gespritzt, wobei meist Traubenzucker, der mit radioaktivem Fluor markiert ist, verwendet wird. Das als Fluor-18-Desoxyglucose bezeichnete Präparat wandert im Körper und wird von allen Zellen aufgenommen, welche den Zucker als Energiequelle nutzen. Dabei nehmen Zellen mit einem erhöhten Energieumsatz, wie zum Beispiel Tumorzellen, mehr von der als Tracer genutzten radioaktiven markierten Glucose auf und die beim radioaktiven Zerfall entstehende Gammastrahlung kann von den Detektoren der PET-Geräte erfasst werden. Während in herkömmlichen Geräten Szintillationsdetektoren zum Einsatz kamen, welche in starken Magnetfeldern nicht funktionieren, haben die Siemens-Entwickler beim „Biograph mMR“ diese Sensoren durch sogenannte Avalanche-Fotodioden ersetzt. Die neuen Dioden sind so klein, dass die in ihnen fließenden Ströme nicht durch die Magnetfelder des MRT-Systems beeinflusst werden können, erklärten die Entwickler.
Das an der der Nuklearmedizinischen Klinik am 19. November unter Anwesenheit des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer erstmals in Betrieb genommen neue Kombinationsgerät ist bislang ein Prototyp. Vor der kommerziellen Markteinführung muss der „Biograph mMR“ in den kommenden Jahren in einem von den beiden Münchner Universitätskliniken getragen klinischen Anwendungstest seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wann und zu welchem Preis das Gerät dann zu kaufen sein wird, konnten die Siemens-Entwickle bei der erstmaligen Inbetriebnahme noch nicht sagen. (fp)
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