Abschweifende Gedanken machen unglücklich: US-Psychologen stellen negative Wirkung abschweifender Gedanken fest. 50 Prozent der Menschen sind gedanklich nicht bei der Sache.
Menschen, die bei einer Beschäftigung gedanklich abschweifen, sind unzufriedener und häufig unglücklich. Das Abschweifen ist dabei nicht Folge sondern Ursache der Unzufriedenheit, so das Ergebnis einer Studie der Harvard Universität.
Die Hälfte der Zeit sind Menschen geistig abwesend. US-Psychologen der Universität Harvard haben 2.250 iPhone-Nutzer mit einer extra programmierten App zu verschiedenen Tageszeiten nach ihrer Aktivität, ihrer Zufriedenheit und ihrer gedanklichen Präsenz befragt. Ihr überraschendes Ergebnis haben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science“ veröffentlicht. Demnach waren die Testpersonen nicht nur die Hälfte der Zeit geistig abwesend, sondern das gedankliche Abschweifen machte sie auch unglücklich.
Yoga zur Konzentration auf den Augenblick
In der fernöstlichen Philosophie spielt die Konzentration auf den Augenblick von jeher eine besondere Rolle. Meditations-, Yoga- und Tai Chi-Übungen helfen den Menschen sich stärker auf den Augenblick zu konzentrieren und unterstreichen dabei die positive Wirkung auf Körper und Geist. Die US-Psychologen unterstützen mit ihren Veröffentlichungen im Fachmagazin „Science“, diese positive Wirkung der gedanklichen Präsenz bzw. der Konzentration auf den Augenblick. Denn sie haben nicht nur festgestellt, dass viele Menschen sich nicht auf ihre aktuelle Aktivität konzentrieren, sondern dass die gedanklichen Abschweifungen sie auch unglücklich machen.
iPhone-App hilft bei der psychologischen Studie
Mit Hilfe einer speziell fürs iPhone entwickelten Software konnten die Forscher der Harvard Universität die 2.250 Studienteilnehmer ohne größere Umstände mehrmals täglich zu ihrer Konzentrationsfähigkeit, ihrer Aktivität und ihrer empfundenen Zufriedenheit befragen. Dabei haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass 47 Prozent der Testpersonen mit ihren Gedanken nicht bei ihrer momentanen Beschäftigung waren, wobei kaum Unterschiede zwischen angenehm und unangenehm empfundenen Aktivitäten festzustellen waren. Egal ob sie gerade fernsahen, einkauften, aßen oder spazieren gingen, knapp die Hälfte der Probanden war stets nicht bei der Sache.
Errungenschaft des Verstandes mit Schattenseiten
Eine der Eigenschaften, die uns Menschen gegenüber den meisten anderen Lebewesen auszeichnet, ist die Fähigkeit des Homo sapiens über Vergangenheit und Zukunft nachzudenken oder einfach der Fantasie freien Lauf lassen. Während diese Errungenschaft des Verstandes für die Planung der Zukunft von entscheidender Bedeutung ist, haben die Wissenschaftler jedoch die Schattenseite unserer außergewöhnlichen gedanklichen Leistungskraft aufgedeckt. Denn das viele Grübeln macht uns unglücklich und so zahlen wir einen hohen emotionalen Preis. Matthew Killingsworth, Autor des „Science“-Artikels betonte, dass ihren Ergebnissen zufolge „abschweifende Gedanken (…) ein hervorragender Anzeiger für die Zufriedenheit von Menschen“ sind. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist die gedankliche Präsenz dabei „wichtiger für die Zufriedenheit als die Dinge, die wir gerade tun.“
„Ein umherschweifendes Gemüt ist ein unglückliches Gemüt“
„Gedankliche Abschweifungen scheinen bei allen Aktivitäten vorzukommen“, erklärte Killingsworth und „unser mentales Leben ist bemerkenswert stark von der Nicht-Gegenwart durchdrungen.“ Was jedoch den Studienergebnissen zufolge für unsere emotionale Zufriedenheit nicht besonders vorteilhaft ist. Denn anders als zu vermuten, sind die gedanklichen Abschweifungen nach Aussage der Wissenschaftler nicht Folge von Unzufriedenheit, sondern eher deren Ursache. Bereits „viele philosophische und religiöse Traditionen lehren, dass man Zufriedenheit nur im Augenblick findet“, so die Autoren. Sind Menschen gedanklich nicht bei der Sache, fühlen sie sich eher unglücklich, denn „das menschliche Gemüt ist ein umherschweifendes Gemüt, und ein umherschweifendes Gemüt ist ein unglückliches Gemüt“, so das Fazit der US-Psychologen in dem aktuellen „Science“-Artikel. (fp, 12.11.2010)
Autoren- und Quelleninformationen
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