Verlorener Mückenkiller aus dem Zweiten Weltkrieg
DFDT ist ein schnell wirkendes Insektizid, das in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges entwickelt wurde. Nach dem Krieg ist es in Vergessenheit geraten. Ein amerikanisches Forschungsteam wandte sich nun aus Mangel an Alternativen dem Insektizid erneut zu. Dabei stellte das Team erstaunt fest, dass DFDT hochpotent ist und vermutlich viel weniger Umweltschäden entstanden wären, wenn dieses statt DDT genutzt worden wäre.
Forschende der New York University rollten ein altes Forschungsprojekt der Nazis erneut aus, um einem vergessenen Insektenkiller nachzugehen. Das Team analysierte das heute verbotene Insektizid DDT, das in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren der meist verbreitetste Insektentöter der Welt war. Indem die Forschenden Chloratome durch Fluor ersetzten, erhielten sie ein zwei bis viermal potenteres Insektizid als DDT. Es handelt sich dabei um DFDT, das vergessene Insektizid aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Studie wurde kürzlich im „Journal of the American Chemical Society“ vorgestellt.
Vergessene Nazi-Forschung
Aus alten Dokumenten ging hervor, dass DFDT während des Zweiten Weltkriegs von deutschen Wissenschaftlern als Insektizid entwickelt wurde und von den Streitkräften zur Insektenbekämpfung in der Sowjetunion und in Nordafrika eingesetzt wurde. Im Chaos der Nachkriegszeit endete die DFDT-Fertigung abrupt. Die Forschung fand keine weitere Beachtung und ging verloren. Die Studienlage wurde von den militärischen Geheimdiensten als dünn und unzureichend eingestuft.
DDT wurde trotz nicht absehbarer Nebenwirkungen zugelassen
Zur gleichen Zeit setzten die Alliierten Kräfte Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) zur Insektenbekämpfung im Militär ein. In den fünfziger Jahren wurde DDT dann in Amerika für die breite Masse zugänglich gemacht, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon von der Aufsichtsbehörde FDA bemerkt wurde, dass sich DDT in der Nahrung anreichert und vom Körper nur schlecht abgebaut werden kann.
DDT wurde zum Welterfolg
Dann begann der große Siegeszug des fraglichen Insektizids. Es wurde zwischen den Jahren 1950 und 1970 zum meist genutzten Insektenbekämpfungsmittel der Welt. Schädlinge verschwanden quasi über Nacht von den Feldern und in den USA wurden sogar Tapeten damit getränkt, um Insekten aus den Häusern fernzuhalten. Alle aufkeimenden Bedenken wurden mit finanzierten Gegenstudien klein gehalten.
Ein Gigant verschwindet
Im Laufe der Zeit ließ sich die Schädlichkeit nicht mehr verschleiern und verharmlosen. DDT wurde als krebserregend klassifiziert. In zahllosen Studien an Ratten, Hamstern und Mäusen konnte nachgewiesen werden, dass DDT Tumoren in Leber, Lunge und dem Lymphsystem begünstigt. Außerdem steht DDT unter Verdacht, Früh- und Totgeburten zu fördern. Darüber hinaus machte DDT auch die Eierschalen von Vögeln dünner, woraufhin diese weniger Nachwuchs großziehen konnten. Im Jahr 1972 wurde es in den USA und im Jahr 1977 dann schließlich auch in Deutschland verboten. Heute ist DDT vereinzelt noch zur Moskitobekämpfung in Malaria-Hochrisikogebieten zugelassen.
Was hat DDT mit DFDT zu tun?
Das New Yorker Forschungsteam analysierte nun auf der Suche nach neuen Schädlingsbekämpfern die Kristallstruktur von DDT. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tauschten Chloratome gegen Fluor aus und entwickelten so fluoriertes DDT. Von dieser Version entwickelten die Forschenden eine Variante mit einem Fluor-Atom (Monofluor) und eine mit zwei Fluor-Atomen (Difluor). Erstaunt stellte das Team fest, dass es sich bei der Difluor-Variante um das vergessene Insektizid DFDT aus dem Zweiten Weltkrieg handelte. DFDT ist also eine Art Weiterentwicklung des bekannten Insektizids DDT.
DFDT ist zwei- bis viermal stärker als DDT
In ersten Tests zeigte sich, dass DFDT Moskitos zwei- bis viermal schneller tötet als DDT. Durch die stärkere Wirksamkeit seien nur geringere Mengen des Giftes erforderlich, was die Umweltauswirkungen wahrscheinlich minimieren würde. Darüber hinaus werde der Studie zur Folge durch die schnelle Wirksamkeit verhindert, dass sich die Mücken fortpflanzen können. Dadurch sei die Entwicklung von Resistenzen unwahrscheinlich.
Geschichte wird von den Siegern geschrieben
„Wir waren überrascht, als wir feststellten, dass DDT von Beginn an einen starken Konkurrenten hatte“, resümiert Chemie-Professor Bart Kahr aus dem Studienteam. Die damalige Wahl, DDT zu verwenden, wurde den Forschenden zur Folge nicht aus wissenschaftlicher Sicht getroffen. Stattdessen seien geopolitische und wirtschaftliche Umstände sowie die Verbindung zum deutschen Militär die Hauptursachen, warum DFDT den Wettbewerb verlor. „Ein schneller wirkendes und weniger hartnäckiges Insektizid wie DFDT hätte wohl den Lauf des 20. Jahrhunderts verändern können“, vermutet Kahr. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mengdi Qiu, Michael D. Ward, Bart Kahr, u.a.: Manipulating Solid Forms of Contact Insecticides for Infectious Disease Prevention, Journal of the American Chemical Society, 2019, pubs.acs.org
- New York University: Researchers Rediscover Fast-acting German Insecticide Lost in the Aftermath of WWII (Abbruf: 14.10.2019), nyu.edu
Wichtiger Hinweis:
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