Gesichtslähmung: Schlaganfall oder Fazialisparese?
16.04.2014
Halbseitige Lähmungen des Gesichts lassen die meisten Menschen unwillkürlich an einen Schlaganfall denken, doch kann sich hinter den Beschwerden auch eine sogenannte Fazialisparese verbergen. Diese Gesichtslähmung wird hervorgerufen durch eine Funktionsstörung des Gesichtsnervs, die ihrerseits verschiedenste Ursachen haben kann. Ein ärztliche Überprüfung des Beschwerdebildes ist jedoch in jedem Fall geboten.
Oft zeigen sich die Symptome einer Fazialisparese relativ plötzlich. Die Gesichtsmuskulatur erscheint teilweise oder vollständig gelähmt, die Betroffenen können den Mund nicht richtig schließen, ihr Mundwinkeln hängen, die Stirn lässt sich nicht runzeln und das Augenlid nicht richtig schließen. Das Naserümpfen ebenfalls ist nicht möglich und die Betroffen leiden mitunter an „Missempfindungen an der Wange oder einem Druckgefühl am Ohr“, zitiert „Spiegel Online“ den Facharzt Josef Heckmann von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Auch Störungen des Geschmackssinns und eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen seien mögliche Symptome. Da ein Laie jedoch nicht erkennen könne, ob die Beschwerden auf einen Schlaganfall oder eine Fazialisparese zurückgehen, sollte laut Angaben des Experten umgehend ein Notarzt alarmiert werde
Bei einer Fazialisparese gehen die Gesichtslähmungen auf eine Funktionsstörung des Nervus facialis zurück, der aus dem Hirnstamm austritt, die Schädelbasis im Bereich des Felsenbeins hinter dem Ohrläppchen verlässt, durch die Speicheldrüse läuft und sich dann fächerförmig in feinen Verästelungen über das Gesicht verteilt, erläuterte der Facharzt für Neurologie und Oberarzt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Günther Thayssen, in dem „Spiegel Online“-Artikel. Der Nerv versorgt unter anderem die mimische Muskulatur, Teile der Speicheldrüsen und die Tränendrüsen. Auch ist er für den Geschmackssinn im vorderen Bereich der Zunge erforderlich. Entsprechend umfassend können die Beschwerden bei einer Funktionsstörung des siebten Hirnnervs ausfallen.
75 Prozent der Fazialisparesen ohne erkennbare körperliche Ursache
Unterschieden wird zwischen der sogenannten „peripheren Fazialisparese“ (Schädigung von Teilen des Gesichtsnervs), der „zentralen fazialen Parese“ (zentrale Nervschädigung im Gehirn) und der „idiopathischen Fazialisparese“ (keine körperliche Ursache erkennbar). Letzteres trifft nach Einschätzung der Experten auf rund 75 Prozent der Fälle zu. Circa 25 von 100.000 Menschen erkranken pro Jahr an dieser häufigste Hirnnervenerkrankung. Bei den übrigen 25 Prozent der Fazialisparesen sind als mögliche Gründe zum Beispiel Infektionen mit Viren (z. B. Windpockenvirus, Epstein-Barr-Virus) oder Bakterien (z. B. das Mycobacterium tuberculosis, Borrelien), Autoimmunkrankheiten des Nervensystems (z. B. Guillain-Barré-Syndrom), Verletzungen (beispielsweise Frakturen) und Tumore feststellbar.
Herpes-Simplex-Virus als Auslöser in der Diskussion
Bei den idiopathischen Lähmungen des Gesichtsnervs lässt sich bis heute zwar keine eindeutige körperliche Ursache erkennen, doch wird laut Angaben des DGN-Experten Heckmann in der Fachwelt diskutiert, ob möglicherweise ein reaktiviertes Herpes-simplex-Virus die Lähmung auslösen kann. Die im Rahmen einer solchen reaktivierten Infektion auftretenden entzündlichen Prozesse könnten der Theorie zufolge eine Schwellung des Nervus facialis in dem engen knöchernen Fazialiskanal bedingen. Hierdurch würde der Nerv eingeklemmt und in seiner Funktion gestört. „Wir wissen, dass der Nerv geschwollen ist und die Durchblutung dadurch vermindert sein kann“, betonte Josef Heckmann.
Umfassende Untersuchungen erforderlich
Sobald der Notarzt eintrifft, wird dieser zunächst überprüfen, ob ein Schlaganfall vorliegt. Ist dies nicht der Fall, folgen weitere fachärztliche Untersuchungen, bei denen mit Hilfe bildgebender Verfahren wie der Computertomografie oder der Magnetresonanztomografie nach Verletzungen, Tumore und Hirnblutungen gesucht wird. Eine Blutuntersuchung liefert Hinweise auf mögliche Entzündungsprozesse und Infektionen. Auch eine sogenannte „Lumbalpunktion“, bei der „Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit entnommen und untersucht“ wird, kann zur Diagnosestellung erforderlich werden, erläuterte der DGN-Experte. Lässt sich eine körperliche Ursache der Fazialisparese feststellen, richtet sich nach dieser die anschließende Therapie.
Therapeutische Versorgung der Fazialisparese meist unumgänglich
Allgemein ist bei einer Fazialisparese meist eine Behandlung erforderlich, da durch den unvollständigen Lidschluss eine Austrocknung der Hornhaut des Auges droht, was wiederum eine Entzündung des Auges auslösen kann. Daher sollten Betroffene laut Aussage von Josef Heckmann „das Auge fleißig mit einer Dexpanthenol-Augensalbe pflegen.“ Ein sogenannter Uhrglasverband könne das Auge zudem über Nacht schützen. Des Weiteren sollten laut Aussage des Facharztes rund zehn Tage lang Kortisontabletten eingenommen werden. Ergänzende Gesichtsmassagen und Mimikübungen könnten den Heilungsverlauf darüber hinaus positiv beeinflussen. Betroffene berichten auch über eine vielversprechende Wirkung von Lymphdrainagen. Die idiopathischen Fazialisparesen bilden sich laut Aussage der Experten abhängig von dem Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung bei rund 80 Prozent der Patienten nach maximal acht Wochen zurück. Allerdings leiden die übrigen Patienten oftmals erheblich länger und unter Umständen zeigen sie eine dauerhafte Lähmung des Gesichtsnervs. Hier müsse schlimmstenfalls über eine Operation nachgedacht werden, insbesondere um den Lidschluss wieder zu ermöglichen, erläuterte Günther Thayssen. (fp)
Bild: Uta Herbert / pixelio.de
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