Gesundheitsreform: Die Gesundheit wird für gesetzlich Krankenversicherte im Durchschnitt teurer. Gering- und Mittelverdiener schneiden im Schnitt schlechter ab. Wir zeigen auf, was sich durch die Reform verändern wird.
(12.11.2010) Vor der Bundestagswahl hatten Union und FDP beteuert, die Menschen hätten bald mehr „Netto als Brutto“. Doch heute wurde die Gesundheitsreform beschlossen und die meisten Menschen werden am Monatsende mehr Bruttoeinkommen als Netto haben. Denn ab 2011 treten zahlreiche Änderungen in Kraft, die sich bei vielen Menschen im Geldbeutel deutlich bemerkbar machen werden. Wir zeigen auf, was sich für den Einzelnen verändern wird.
Die Beitrage der Krankenkassen steigen an
Mit dem Jahresbeginn 2011 steigt der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen flächendeckend von 14,9 auf 15,5 Prozent. Angestellte, Arbeiter und Rentner müssen ab dem Zeitpunkt einen Krankenkassenbeitragssatz von 8,2 Prozent vom Bruttoeinkommen begleichen. Die Arbeitgeber müssen 7,3 Prozent berappen. Nach dieser Anhebung wird der Krankenversicherungsbeitrag der Arbeitgeber eingefroren. Das bedeutet, dass alle weiteren Beitragsanstiege von den Kassenpatienten allein gezahlt werden müssen. Freiwillig gesetzlich Krankenversicherte (z.b. Selbstständige) müssen die gesamten 15,5 Prozent allein tragen.
Welche konkreten Auswirkungen hat das auf den Einzelnen?
Welche konkreten Auswirkungen hat das auf den Einzelnen? Wir rechnen vor: Verfügt ein Angestellter über ein fiktives Bruttoeinkommen von 1000 Euro, so muss dieser einen Krankenversicherungsbeitrag von insgesamt 82 Euro im Monat ab Neujahr zahlen. Das macht eine Mehrbelastung von insgesamt 36 Euro im Jahr. Zuvor lag der Beitag bei 79 Euro je Monat. Verdient ein Berufstätiger 1500 Euro, so muss dieser 123 anstatt 118,50 Euro im Monat zahlen. Bei einem Einkommen von 2000 Euro sind das monatlich 164 statt 158 Euro (72 Euro mehr im Jahr). Wer 3000 Euro brutto im Monat verdient, muss monatlich 9 Euro/108 Euro im Jahr mehr zahlen. Bei einem Einkommen von 4000 Euro sind es dann monatlich 12 Euro/144 Euro.
Zusatzbeiträge zukünftig ohne Begrenzung
Die Krankenkassen können am Jahresbeginn die Höhe der Zusatzbeiträge ohne Begrenzung bestimmen. Das bedeutet, dass jede Krankenkasse selbst festlegt, welchen pauschalen Beitrag sie zusätzlich zu den regulären Versicherungsbeiträgen erhebt. Der Zusatzbeitrag wird für die Betroffenen unabhängig vom Einkommen des Einzelnen erhoben. Durch diese Neuerung werden vor allem Gering- und Mittelverdiener stärker finanziell belastet, als Personen die über ein höheres Einkommen verfügen. Die Bundesregierung plant allerdings für Geringfügig Beschäftigte einen sogenannten Sozialausgleich zu schaffen. Bestandteil dieser Regelung ist, dass die Betroffenen einen steuerlich finanzierten Ausgleich erhalten, wenn der Pauschalbetrag des Zusatzbeitrages höher ist als zwei Prozentpunkte des Bruttoeinkommens. Sehr wahrscheinlich wird dieser geplante Sozialausgleich durch das Finanzamt im Zuge der Einkommenssteuerjahresabrechnung zurück erstattet. Erstattet wird dann die Differenz zwischen Zusatzbeitrag und Bruttoeinkommen. Hartz IV-Bezieher werden im Gegensatz zu Arbeitslosengeld Eins Beziehern von einem Zusatzbeitrag befreit werden.
Wie hoch werden die Zusatzbeiträge werden?
Die meisten Krankenkassen, die einen Zusatzbeitrag erheben, verlangen einen zusätzlichen Beitrag von 8 Euro im Monat. Das bedeutet für den Einzelnen ein Beitragsanstieg von 96 Euro jährlich. Der Zusatzbeitrag wird nicht über die Gehaltsabrechnung abgezogen, sondern muss gesondert an die Krankenkasse überwiesen werden. Hier gibt es allerdings vom Bundesgesundheitsministerium die Überlegung, das Modell zukünftig zu verändern. Geplant ist, den Zusatzbeitrag über die Gehaltsabrechnung abziehen zu lassen. In diesem Punkt wird allerdings auch innerhalb der Koalition der bürokratische Aufwand kritisiert, so dass bislang keine abschließende Lösung existiert.
Gesundheitsökonomen gehen davon aus, dass die meisten Krankenkassen ab 2011 um einen Zusatzbeitrag nicht herum kommen werden. Auch wird vorher gesagt, dass der Zusatzbeitrag schon sehr bald nicht nur für alle Kassen gelten, sondern auch stark erhöht sein wird. Zusatzbeiträge zwischen 20 und 50 Euro im Monat können schon sehr bald Realität werden. Wir rechnen nun vor, ab wann ein Arbeitnehmer einen Sozialausgleich erhält.
Berechnung des Sozialausgleichs
Verdient ein Arbeitnehmer 1000 Euro brutto und muss einen fiktiven Zusatzbeitrag von 20 Euro im Monat an die Krankenkasse entrichten, erhält der Betroffene keinen Sozialausgleich. Denn der Zusatzbeitrag übersteigt nicht die zwei Prozentpunkte des Einkommens. Verdient ein Geringfügig Beschäftigter 800 Euro und muss 16 Euro zusätzlich zahlen (2 Prozent), bekommt auch dieser keinen Sozialausgleich, denn durch den im Vergleich geringeren regulären Kassenbeitrag (minus vier Euro) steigt auch automatisch das berechnete Einkommen und senkt somit den Anspruch. Zusammengefasst bedeutet dies, dass bei einem höheren Zusatzbeitrag ein Geringverdiener stärker belastet wird, als jemand, der bei gleichem Einkommen einen geringeren Zusatzbeitrag entrichten muss. Trotz Sozialausgleich werden die meisten Menschen zusammengefasst über ein geringeres Einkommen verfügen, auch wenn sie wenig verdienen. (sb)
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