Leukämie Gefahr durch Asse? In der Region um das Atommülllager Asse ist Zahl der Krebserkrankungen stark gestiegen. Rein statistisch gesehen liegt die normale Anzahl von Leukämie-Neuerkrankungen bei acht, im Umfeld von Asse liegt sie bei mehr als 18. Umweltschützer sehen sich bestätigt, das Bundesumweltamt kann noch keine eindeutigen Beweise erkennen.
27.11.2010
Die Skandale um das Atommülllager Asse reißen nicht ab. Insgesamt 126.000 Atommüllfässern lagern in dem ehemaligen Bergwerk. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace könnte das Bergwerk schon bald mit Wasser gänzlich überflutet sein. Zudem drohe ein Einsturz der maroden Anlage. Wie nun bekannt wurde, ist ein erhöhtes Aufkommen der Blutkrebserkrankung Leukämie in Region um das Atommülllager zu beobachten. Für Umweltschützer liege damit ein eindeutiger Zusammenhang zu dem Endlagerung der Asse und den gehäuften Fällen von Blutkrebs vor. Dieser Einschätzung wollte sich die Nuklearmedizinerin Dr. Elke Bruns-Philipps vom niedersächsischen Landesgesundheitsamt nicht anschließen. Bislang gebe es für den Anstieg der Leukämie Fälle zwischen den Jahren 2002 und 2009 „keine schlüssige Erklärung“. Zwar wisse man, dass eine Häufigkeit des Auftretens der Krebserkrankung besteht, wir „können aber noch keine weitergehenden Analysen zu einzelnen Patienten machen" wie die Medizinerin sagte. Das Problem: Die Daten lägen dem Gesundheitsamt nur in einer anonymisierten Form vor. Um weitere Rückschlüsse ziehen zu können, sollen nun die behandelnden Ärzte befragt werden. Durch weitere Untersuchungen solle damit ein bestehender Kontext zu einer möglicherweise bestehenden Strahlenbelastung hergestellt werden.
Landesregierung verspricht eine schnelle Aufklärung
Das derzeit bestehende mediale Interesse ist groß und die Befürchtungen in der Bevölkerung können kaum übersehen werden. Wohl aus diesem Grund hat nun die niedersächsische Landesregierung angekündigt, der massiven Häufung der Blutkrebsfälle rund um das marode Atommülllager Asse „so schnell wie möglich“ nachzugehen. Die CDU-Gesundheitsministerin Aygül Özkan versprach deshalb eine „zügige und transparente Aufklärung“. Der betroffene Landkreis Wolfenbüttel werde nun in der Aufklärung um Unterstützung gebeten, wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums am Freitagnachmittag in Hannover erklärte. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) versprach, dazu beizutragen, der hohen Anzahl der Leukämie-Steigerungsrate „in bestmöglicher Weise“ nachzugehen und bei der Aufklärung die Behörden zu unterstützen.
Im Umweltministerium beschwichtigt man allerdings. Die routinemäßig durchgeführte Überprüfung der Region um Asse hätte keine signifikanten Erkenntnisse ergeben. Die Behörden überwachen seit den sechziger Jahren die Umgebung des ehemaligen Salzbergwerks. Dabei werden die Strahlenbelastungen in der Luft, im Grundwasser und im Boden auf Gammastrahlungen und Radioaktivität überprüft. "Seither ist kein Eintrag in der Umgebung aus der Asse festgestellt worden", erläuterte die Sprecherin des Ministeriums, Jutta Kremer-Heye.
„Das marode Endlager Asse ist eine Bombe, an der die Lunte bereits brennt“, erläuterte hingegen Heinz Smital, Atomphysiker des Umweltvereins „Greenpeace”. „Niemand weiß genau, welcher Atommüll in der Asse lagert und wie viel. Klar ist aber, dass die Asse mit Wasser voll läuft und die lecken Atommüllfässer früher oder später das Trinkwasser in der Region radioaktiv verseuchen werden“. Seit Jahren drängen Bürgerinitiativen und Umweltverbände auf eine schnelle Lösung und den Abtransport der radioaktiven Fässer.
Hohe Erkrankungsrate von Leukämie und Schilddrüsenkrebs in der Region
In einem Vermerk des Sozial- und Gesundheitsministeriums wird von 18 neuen Leukämie-Erkrankungen in Gemeinde berichtet. Es handelt sich zum einen um Krebs bei Männern in 12 Fällen und zum anderen um Schilddrüsenkrebs bei Frauen in 6 Fällen. Laut statistischen Erhebungen wären in der Gemeinde mit rund 10.000 Einwohner für den Zeitraum zwischen 2002 und 2009 gerade einmal acht neue Blutkrebserkrankungen erwartet worden. Nicht nur die Leukämie-Fälle haben deutlich zugenommen, sondern auch die Rate der Schilddrüsenkrebs-Neuerkrankungen ist nach Regierungskreisen Angaben um das Dreifache als erwartet angestiegen. "Das ist ein Ergebnis, dass Anlass zur Sorge gibt" meint auch die Strahlenexpertin Dr. Elke Bruns-Philipps. Allerdings erlauben die momentan verfügbaren Daten noch keine abschließende Feststellung der möglichen Ursachen. Aber: "Radioaktivität ist natürlich ein Risikofaktor. Es gibt aber auch andere." wie die Expertin betonte.
In der nächsten Wochen ist ein Spitzentreffen der Experten geplant. Mann wolle gemeinsam mit den Fachleuten des Bundesamts für Strahlenschutz überlegen, wie man weitere Informationen gewinnen könnte, um das besorgniserregende Phänomen zu untersuchen. Allerdings können keine schnellen Informationen geliefert werden. Bruns-Philipps geht davon aus, dass es mehrere Monate andauern könne, bis alle Krankengeschichten der Patienten bekannt sind. Geprüft werden soll auch, ob einige erkrankte Männer wohl möglich früher in dem Bergwerk Asse gearbeitet hätten. Im Zuge dessen appellierte die Bürgermeisterin der Gemeinde Asse, Regina Bollmeier (SPD), die Betroffenen mögen ihre Krankenakten frei geben, damit die Vorfälle genau untersucht werden könnten. "Wir wissen nicht, wie alt die Betroffen sind, wo sie mal gearbeitet haben, seit wann sie krank sind, seit wann sie in der Region wohnen. Es gibt ganz viele wichtige Informationen, die wir einfach nicht wissen, und die müssen jetzt erhoben werden", sagte die SPD-Politikerin.
Bundesamt für Strahlenschutz: Keine Kontaminationen durch radiaoktive Stoffe
Für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bestehen derzeit keine Anzeichen für gesundheitliche Gefahren der Bevölkerung. Messungen in dem Bergwerk „über und unter Tage“ hätten keinen Anlass zur Besorgnis ergeben. Man habe „umfangreiche Boden- und Ackerfrüchteproben aus der Umgebung der Asse“ entnommen, die ergeben hätten, dass „keine Kontaminationen durch radiaoktive Stoffe aus der Asse zu befürchten“ sind. Seit dem Jahre 2009 ist die Behörde für das Atommülllager in Asse zuständig.
In einem Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ sagte der Leiter des Deutschen Kinderkrebsregister, Peter Kaatsch, dass man generell weiß, dass „ionisierende Strahlung Leukämien und Schilddrüsenkrebs“ hervorrufen. Nach dem Tschernobyl-Unglück habe man festgestellt, dass auch „bei Kindern die Zahl der Schilddrüsenkrebsfälle sehr stark angestiegen“ sind. Bei einer erhöhten Strahlenbelastung treten Leukämie und Schilddrüsenkrebs „am ehesten gehäuft auf“, so Kaatsch. Das Deutsche Krebsregister untersucht die Verteilung der Erkrankungen bei Kindern sehr genau. Der Experte wies allerdings daraufhin, dass es zu mindestens bei Kindern keine einzige Ursache für Krebserkrankungen gibt. "Natürlich gibt es Regionen mit höheren Erkrankungsraten und welche mit niedrigeren, das ist einfach die natürliche statistische Schwankungsbreite. Aber es gibt keine Region, wo die Landkreise mit erhöhten Erkrankungsraten zusammen liegen." (sb)
Lesen Sie auch:
Atomkraftwerke begünstigen keine Fehlbildungen?
Asse: Erhöhte Anzahl der Leukämie-Erkrankungen
Bildnachweis: Koordinationskreis Asse II
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.