Schlaganfall: Weitere Verbesserung der Behandlung
Ein Schlaganfall ist eine bedrohliche Herz-Kreislauf-Erkrankung mit weitreichenden Folgen: Jedes Jahr erleiden etwa 270.000 Menschen in Deutschland einen sogenannten Hirninfarkt. Schnelles Handeln ist wichtig, um Zellschäden im Gehirn möglichst gering zu halten und so mehr Lebensqualität zu erhalten. Fachleute berichten nun über verbesserte Behandlungsergebnisse durch die Gabe eines zusätzlichen Medikaments.
Ein akuter Schlaganfall erfolgt in der Regel in intensivmedizinischen Abteilungen von Krankenhäusern, die auf die Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten spezialisiert sind. Nun wird über eine weitere Verbesserung der Behandlungsergebnisse nach einem Hirninfarkt berichtet.
- Nach einem Schlaganfall rettet die schnelle angemessene Behandlung Leben und senkt den Anteil der Betroffenen mit bleibenden Schäden.
- Ursächliche gefäßverstopfende Blutgerinnsel (Thromben) können medikamentös aufgelöst werden. Sind große Hirnarterien betroffen, ist in der Regel ein Kathetereingriff zur mechanischen Entfernung des Gerinnsels indiziert.
- Eine Studie zeigt nun, dass die Behandlungsergebnisse noch weiter verbessert werden können, wenn nach dem Eingriff zusätzlich einmalig ein Lyse-Medikament verabreicht wird. So stieg der Anteil eines „exzellenten“ neurologischen 90-Tages-Outcomes von 40 auf knapp 60 Prozent an.
Durchblutung möglichst schnell wiederherstellen
Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer aktuellen Mitteilung erklärt, entsteht ein Schlaganfall meistens durch den Verschluss einer Hirnarterie.
Hierdurch wird die Durchblutung eines Gehirnareals unterbrochen beziehungsweise stark vermindert (Ischämie) und es kommt regional zu einem Sauerstoffmangel in den Gehirnzellen mit entsprechenden Symptomen (wie Lähmungen oder Sprachverlust). Ursächlich für den Gefäßverschluss sind meist Blutgerinnsel (Thromben).
Bei der Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls ist es entscheidend, dass die Durchblutung (Perfusion) so schnell wie möglich wiederhergestellt wird, weil es sonst zu bleibenden Schäden kommen kann – als optimales Zeitfenster gelten dabei maximal 4,5 Stunden.
Die gängige Therapie ist die intravenöse Thrombolyse (kurz Lyse), also die medikamentöse Auflösung des Gerinnsels (wenn keine Kontraindikation vorliegt). Wenn es sich aber um große Hirnarterien handelt, ist in den meisten Fällen ein Kathetereingriff zur direkten Entfernung des Gerinnsels indiziert (mechanische Thrombektomie).
Dieser Eingriff kann bis 24 Stunden nach Beginn des Schlaganfalls durchgeführt werden. Doch auch nach erfolgreicher Thrombektomie (d. h. wieder erlangter Gefäßdurchgängigkeit in der Angiografie) haben nur ungefähr 27 Prozent der Betroffenen nach drei Monaten keine neurologischen Restbefunde. Bei den meisten verbleiben neurologische Symptome.
Das liegt daran, dass trotz Wiedereröffnung der großen Gefäße sich die Mikrozirkulation nach der Thrombektomie manchmal nicht vollständig oder schnell genug normalisiert.
Behandlung in Schlaganfallzentren
Eine neue doppelblind randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-II-Studie untersuchte, ob die zusätzliche intravenöse Gabe eines Lyse-Medikamentes (Alteplase) im Anschluss an die Thrombektomie zu einem besseren Outcome führt.
Den Angaben zufolge wurden von Dezember 2018 bis Mai 2021 in sieben Schlaganfallzentren in Spanien 121 Betroffene, die wegen eines Schlaganfalls durch Großgefäßverschluss thrombektomiert worden waren und einen definierten eTICI-Score in der Angiografie aufwiesen, in zwei Gruppen randomisiert.
Die Patientinnen und Patienten erhielten nach der Thrombektomie entweder Infusionen mit Alteplase oder Placebo. Die Gruppen waren in ihren Ausgangs-Charakteristika vergleichbar, der Symptomschweregrad beziehungsweise der mediane NIHSS-Score (je höher, desto schwerer der Schlaganfall, Maximum 42 Punkte) betrug 14.
Primäres Outcome war ein mRS-Score (modifizierte Rankin-Skala des Behinderungsgrades mit maximal 6 Punkten) von 0-1 nach 90 Tagen (also keine bis minimale Behinderung). Als sekundäres Outcome wurde die Therapiesicherheit einschließlich symptomatischer intrazerebrale Blutungen und Tod analysiert.
„Eindrucksvolle Verbesserung“
Von 1.825 thrombektomierten Betroffenen erfüllten 748 die geforderten angiographischen Kriterien, 121 konnten randomisiert werden (mittleres Alter 70,6 Jahre, 47 Prozent Frauen).
Nach 90 Tagen hatten in der Alteplase-Gruppe 36/61 (59 Prozent) Betroffene einen mRS-Score von 0-1 gegenüber 21/52 (40,4 Prozent) in der Placebogruppe (adjustierter Risikounterschied 18,4 Prozent, p=0,047). Symptomatische intrazerebrale Blutungen innerhalb von 24 Stunden nach der Behandlung erlitten 3,8 Prozent in der Placebogruppe gegenüber 0 Prozent in der Alteplase-Gruppe.
Die 90-Tage-Mortalität betrug 8 Prozent in der Alteplase-Gruppe und 15 Prozent in der Placebogruppe (Risikounterschied -7,2 Prozent).
Die Autorinnen und Autoren werten diese Ergebnisse noch als vorläufig, da wegen der vorzeitigen Beendigung der Studie (aufgrund der COVID-19-Pandemie) nur 60 Prozent der vorgesehenen Teilnehmendenzahl erreicht wurde und die statistischen Analysen nicht wie geplant erfolgen konnten (beispielsweise Subgruppenanalyse sowie Interaktionsanalyse).
„Der Einsatz von Alteplase nach der Thrombektomie zeigte eine eindrucksvolle Verbesserung des neurologischen 90-Tages-Outcomes“, kommentiert Prof. Dr. med. Dr. h. c. Stefan Schwab, Erlangen.
„Ich gehe davon aus, dass es künftig weitere Studien geben wird, um diese Ergebnisse zu bestätigen und neue Erkenntnisse zu gewinnen“, sagt der Experte.
„So ist es beispielsweise interessant und wichtig, inwieweit auch Betroffene profitieren, bei denen vor der Thrombektomie bereits eine Lysetherapie begonnen worden war, da eine Lyse das Blutungsrisiko prinzipiell erhöhen kann. Ein entsprechendes Sicherheitssignal wurde in der vorliegenden Studie nicht beobachtet.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Weitere Verbesserung der Behandlungsergebnisse nach Schlaganfall, (Abruf: 15.03.2022), Deutsche Gesellschaft für Neurologie
- Renú A, Millán M,San Román L et al.: Effect of Intra-arterial Alteplase vs Placebo Following Successful Thrombectomy on Functional Outcomes in Patients With Large Vessel Occlusion Acute Ischemic Stroke: The CHOICE Randomized Clinical Trial; in: JAMA, (veröffentlicht: 01.03.2022), JAMA
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.