Vermeintlich harmlose Darmbakterien können zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis beitragen. Diese überraschende Erkenntnis eröffnet neue Ansätze für die Behandlung chronischer Entzündungen und wirft ein neues Licht auf das Immunsystem.
In einer neuen Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Arizona (USA) wurde aufgezeigt, wie harmlose Darmbakterien spezielle Immunzellen formen, die außerhalb des Darms systemische Autoimmunreaktionen wie rheumatoide Arthritis auslösen können. Die Ergebnisse sind in dem Fachjournal „Nature Immunology“ nachzulesen.
Wie entstehen TFH17-Zellen?
Die Forschenden untersuchten, wie bestimmte Hybrid-Zellen entstehten – sogenannte TFH17-Zellen. Dabei handelt es sich um eine T-Follikel-Helferzelle (TFH), die gleichzeitig Signaturen der T-Helferzellen vom Typ 17 (TH17) trägt – eine Kombination, die laut dem Team besonders aggressiv agiert.
Mit Hilfe von fluoreszierend markierten Zellen in Mäusemodellen verfolgten die Fachleute den Weg der Zellen. Ausgehend von den Peyer-Plaques im Dünndarm – einer Art lymphatischer Inseln – wandern diese Zellen in andere Körperregionen. Angetrieben werden sie von eigentlich harmlosen Darmbakterien, den segmentierten filamentösen Bakterien, die das Reprogrammieren der T-Zellen sogar aktiv unterstützen.
Die Forschenden konnten auch zeigen, dass diese Zellen sich nicht wie gewöhnliche TFH-Zellen verhalten: Sie sind hoch mobil, produzieren entzündungsfördernde Moleküle und unterstützen B-Zellen in ihrer Antikörperproduktion – ein Rezept für chronische Entzündungen im ganzen Körper.
Im nächsten Schritt injizierte das Team genetisch anfälligen Mäusen entweder normale TFH-Zellen oder eine Mischung aus 80 Prozent normalen und 20 Prozent der TFH17-Zellen. Das Ergebnis war deutlich: Die Mäuse mit den Hybridzellen entwickelten im Vergleich eine 4,8-fach stärkere Gelenkentzündung, berichtet das Team in einer Pressemitteilung.
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Noch aufschlussreicher: Die aus dem Darm isolierten Hybridzellen wiesen Genexpressionsmuster auf, die jenen aus dem Blut von Teilnehmenden mit rheumatoider Arthritis sehr ähnlich sind – ein möglicher Hinweis auf einen gemeinsamen Krankheitsmechanismus.
Neue Ansätze zur Diagnose & Therapie
Die Erkenntnisse könnten nach Ansicht des Teams neue Wege zur Diagnose und gezielten Therapie von Autoimmunerkrankungen eröffnen. Besonders vielversprechend: Diese TFH17-Zellen wurden nicht nur bei rheumatoider Arthritis, sondern auch bei anderen Erkrankungen wie Lupus beobachtet.
Wenn sich ihr ursächlicher Zusammenhang mit der Autoimmunität bestätigt, könnten TFH17-Zellen künftig ein lohnendes Ziel für neue Medikamente darstellen – etwa durch Hemmung ihrer Entstehung im Darm oder ihrer Kommunikation mit anderen Immunzellen, erläutern die Forschenden.
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Darmflora auch für die Balance unseres Immunsystems entscheidend ist. Eine darmfreundliche Ernährung, mit möglichst frischen und wenig verarbeiteten Lebensmitteln sowie ein bewusster Umgang mit Antibiotika könnten helfen, das empfindliche Gleichgewicht der Mikroben aufrechtzuerhalten – und damit auch unser Immunsystem vor Kollateralschäden schützen. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Tingting Fan, Chi Tai, Kiah C. Sleiman, Madeline P. Cutcliffe, Haram Kim, et al.: Aberrant T follicular helper cells generated by TH17 cell plasticity in the gut promote extraintestinal autoimmunity; in: Nature Immunology (veröffentlicht 30.04.2025), Nature Immunology
- Ohio State University: Explaining the link between ‘good’ gut bacteria and rheumatoid arthritis (veröffentlicht 01.05.2025), Ohio State University
Wichtiger Hinweis:
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