Jetzt wurde ein potenzieller neuer Ansatz zur Behandlung von Lyme-Borreliose identifiziert: Das Antibiotikum Piperacillin wirkt in extrem niedriger Dosierung gegen die Erreger, ohne dabei das empfindliche Gleichgewicht der Darmflora zu stören.
In einer neuen Forschungsarbeit unter Beteiligung von Fachleuten vom Medical College of Wisconsin wird darauf hingewiesen, dass Piperacillin in vitro und bei Mäusen Borrelia burgdorferi erfolgreich eliminieren kann. Die Ergebnisse sind in dem Fachjournal „Science Translational Medicine“ nachzulesen.
Lyme-Borreliose: Eine ernstzunehmende Gefahr
Lyme-Borreliose wird durch den Biss von infizierter Zecken ausgelöst. Unbehandelt kann die Infektion zu schweren, chronischen Gesundheitsproblemen führen – darunter Herzrhythmusstörungen, Nervenschäden und Gelenkentzündungen. Frühzeitig mit Antibiotika behandelt, lässt sich der Krankheitsverlauf meist eindämmen.
Doch gerade der aktuelle Behandlungsstandard mit Doxycyclin hat Tücken: Viele Erkrankte leiden unter Nebenwirkungen durch die Zerstörung der Darmflora – und bei bis zu 20 Prozent bleibt die Therapie sogar wirkungslos. Dies macht deutlich, wie dringend wirksame Alternativen zur Behandlung von Lyme-Borreliose benötigt werden.
Knapp 500 Wirkstoffe analysiert
Die Forschenden testeten fast 500 Wirkstoffe auf ihre Effektivität gegen Borrelien-Bakterien. Dabei erwies sich Piperacillin, ein bereits für Lungenentzündungen zugelassenes Penicillin-Derivat, als überraschend wirksam: Bereits in einer 100-fach geringeren Dosierung als Doxycyclin heilte es Mäuse vollständig – ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Darmflora.
Während andere Bakterienarten Piperacillin durch sogenannte Beta-Laktamasen unwirksam machen können, produziert Borrelia burgdorferi – der Erreger der Lyme-Borreliose – dieses Enzym nicht. Deshalb entfällt die Notwendigkeit einer Kombination mit Tazobactam, was die Therapie noch gezielter und verträglicher macht, erklärt das Team.
„Je mehr wir über die verschiedenen Stämme und Arten der Borreliose-verursachenden Borrelien verstehen, desto näher kommen wir einem maßgeschneiderten Ansatz“, erläutert der Studienautor Brandon L. Jutras in einer aktuellen Pressemitteilung.
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In Zukunft könnten die neuen Erkenntnisse zur Entwicklung maßgeschneiderter Therapien und möglicherweise einem speziellen Medikament oder einer Wirkstoff-Kombination zur wirksamen Behandlung von Borreliose führen. Dass Piperacillin das Wachstum und die Zellteilung der Borrelien gezielt hemmt, ohne nützliche Bakterien zu schädigen, verdeutliche seine Eignung als selektives Therapeutikum.
Was bedeuten die Ergebnisse?
Noch ist Piperacillin nicht offiziell für die Behandlung der Lyme-Borreliose zugelassen – doch die Studienergebnisse könnten den Weg für klinische Tests ebnen. Sollte sich die Wirksamkeit auch beim Menschen bestätigen, wäre das ein entscheidender Fortschritt in der Bekämpfung der Krankheit.
Ein vorsichtiger Optimismus ist angebracht: Zwar ersetzt Piperacillin keine Zeckenprävention oder Schutzmaßnahmen bei Aufenthalten in der Natur. Doch es könnte zukünftig eine sanftere, effektivere Behandlungsoption darstellen – besonders für vulnerable Gruppen wie Kinder.
Die Entdeckung von Piperacillin als gezielte Waffe gegen Borreliose markiert also einen vielversprechenden Schritt in der personalisierten Infektionsmedizin. Sie zeigt: Auch altbekannte Antibiotika können in neuem Licht erstrahlen – wenn man genau hinschaut. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mecaila E. McClune, Osamudiamen Ebohon, Jules M. Dressler, Marisela M. Davis, Juselyn D. Tupik, et al.: The peptidoglycan of Borrelia burgdorferi can persist in discrete tissues and cause systemic responses consistent with chronic illness; in: Science Translational Medicine (veröffentlicht 23.04.2025), Science Translational Medicine
- Northwestern University: The antibiotic that takes the bite out of Lyme (veröffentlicht 23.04.2025), Northwestern University
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.