Kava (Kawa), der Rauschpfeffer, ist das wichtigste psychoaktive Mittel von Hawaii bis zu den Fidschi-Inseln. Im Westpazifik werden die Pflanzen zu einem Getränk aufbereitet und rituell eingenommen. 2019 wurde Kava in Deutschland von der Liste der pflanzlichen Arzneien gestrichen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Piper methysticum
- Volksnamen: Rauschpfeffer, Kava-Kava, Kawapfeffer, Awa (Hawaii), Yaquona (Fidschi)
- Familie: Pfeffergewächse (Piperaceae)
- Verbreitung: Die Herkunft dieser Kulturpflanze ist nicht hinreichend geklärt, vermutet werden Inseln des Südpazifik oder Neuguineas, heute wird Rauschpfeffer fast global kultiviert. Wildpflanzen sind nicht bekannt.
- Verwendete Pflanzenteile: Wurzelstock, Blätter, Rinde
- Inhaltsstoffe: Kawain und Methysticin, Desmethoxyyangonin, Yangonin, Dihydrokawain, Flavokavin A und B, Sitosterol, Stigmastendion und Cepharadion A, eine kleine Menge ätherisches Öl, dazu Oxo-n-nonansäure, Capronsäure, Benzoesäure, Phenylessigsäure, Anissäure, Hydroxyzimtsäure, p-Methoxyphenylessigsäure.
- Anwendungsgebiete: Fieber, Asthma, Schmerzen, Angstzustände, Aphrodisiakum, Bronchitis, Vergiftungen durch Fische, Hundertfüßer und Insekten
Kava – Eine Übersicht
- Die Kava ist mit dem Schwarzen Pfeffer verwandt und teilt mit diesem den scharfen Geschmack.
- Kava-Kava ist das wichtigste psychoaktive Mittel Ozeaniens.
- Die polynesischen Worte „awa“ oder „kawa“ bedeuten „bitter“, „scharf“ oder „sauer“.
- Kava wird traditionell im Westpazifik konsumiert und nimmt in den Kulturen Polynesiens, Melanesiens und Mikronesiens eine bedeutende Rolle ein. In Europa und den USA verbreitet sich der Rauschpfeffer in neuerer Zeit.
- Kawawurzeln werden in Tempeln als Opfergaben gereicht, Rauschpfeffer gilt auf den Marquesas als göttliche Pflanze, auf Vanatu wird er bei Zaubern eingesetzt, und auf Samoa ist der Name für Kava-Rhizome „hohe Achtung“.
- Kavagetränk ist dunkel, braun, gelb und trüb und hat ein starkes Aroma: bitter, zusammenziehend oder seifenartig.
- Der Wurzelstock der Pflanze wurde in Deutschland bis 2002 eingesetzt, um Angstzustände zu behandeln und fand sich in Mitteln wie Antares, Neuronika oder Kavatino.
Inhaltsstoffe
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Honolulu kamen 2003 in einer Studie zu folgendem Ergebnis: Alle Teile der Pflanze enthalten Kavapyrone (Kawalactone, Kawaine), die kiloschweren Wurzelstöcke zwischen drei und 20 Prozent – darunter Kawain und Methysticin, Desmethoxyyangonin, Yangonin, Dihydrokawain und andere.
Der Wurzelstock enthält rund 43 Prozent Stärke, 20 Prozent Rohfaser, 12 Prozent Wasser, 3,2 Prozent Zucker, 3,6 Prozent Proteine und 3,2 Prozent Mineralstoffe. Im Rhizom stecken die Chalcone Flavokavin A und B, Sitosterol, Stigmastendion und Cepharadion A, eine kleine Menge ätherisches Öl, dazu Oxo-n-nonansäure, Capronsäure, Benzoesäure, Phenylessigsäure, Anissäure, Hydroxyzimtsäure, p-Methoxyphenylessigsäure.
Blätter und Rinde enthalten zudem Piperidin-Alkaloide: Pipermethystin, Awain und 3a,4a-Epoxy-5b-Pipermethystin.
Medizinische Wirkungen
In der (historischen) Ethnologie wird über starke psychoaktive Effekte der Kavagetränke berichtet. So sollen in Ponape Kawatrinker Gefühle der Einheit mit ihrer Umwelt und starke erotische Fantasien entwickeln, sowie fühlen, ihren Körper zu verlassen und in den Himmel zu fliegen. Solche halluzinogenen Wirkungen werden heute angezweifelt, bzw. wird vermutet, dass die Visionen durch andere Zutaten ausgelöst wurden – zum Beispiel durch die Samen des Stechapfels.
Konsens besteht hingegen über eine euphorisierende Wirkung größerer Mengen des Getränks, die mehrere Stunden anhält. Kawadrink soll den Durst löschen, leicht stimulieren, den Körper nach Anstrengungen entspannen, den Appetit anregen und die geistigen Kräfte schärfen. Eine aphrodisierende Wirkung ist umstritten, und diese Zuschreibungen haben möglicherweise mythologische Wurzeln, die auf der symbolischen Bedeutung der Kawa als „göttliche Pflanze“ basieren.
Beschrieben sind ein Zustand der „Sorglosigkeit“, Entspannung und Ruhe, eine erhöhte Sensibilität beim Zuhören, eine Sänftigung von Aggressionen und Gefühlsaubrüchen. Auf Fidschi wird betont, dass Kawa im Gegensatz zu Alkohol nie zu Streitsucht und Wut führe. So wird Kawa auch eingesetzt, um Trauernde bei Unglücksfällen zu beruhigen.
Beim Konsum größerer Mengen erschlaffen zwar die Glieder und die Betroffenen haben das Bedürfnis, sich hinzulegen, die geistige Zurechnungsfähigkeit bleibt aber erhalten. Kawawurzel wirkt betäubend und fördert den Schlaf, die Pflanze stillt Schmerzen und wirkt Angst- und Spannungszuständen entgegen. Kawaextrakt kann zur lokalen Anästhesie eingesetzt werden, hier wirkt es ähnlich wie Kokain, Procain oder Lidocain.
Eine Metaanalyse von sieben Studien zur Wirkung von Kava kam zu folgendem Ergebnis: Die Daten implizierten, verglichen mit Placebos, dass Kavaextrakt effektiv sein könnte, um die Symptome von Ängstlichkeitsstörungen zu behandeln, aber diese Effekte scheinen gering zu sein. Großangelegte Studien sind notwendig, um bestehende Unsicherheiten aufzuklären.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Ein Review römischer Wissenschaftler:innen von 2016 erwähnt folgende mögliche Effekte: Nebenwirkungen beim Konsum der Wurzel, Blätter und Rinde können ein vermindertes Sehvermögen sein; die Reaktionsfähigkeit ist eingeschränkt; die Haut kann allergisch reagieren, und leichte Gefühle der Taubheit und Lippen können auftreten.
Kawa sollte niemals in der Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden. Hoher Konsum über lange Zeit kann die Leber schädigen und zu Gewichtsverlust führen, ebenso zu Hautausschlag und Lungenhochdruck.
Anwendungen
In Ozeanien wird die frisch gegrabene Wurzel geschält und zerschnitten, dann gleich weiterverarbeitet oder getrocknet. Die Kavapyrone lassen sich kaum in Wasser lösen, hingegen gut in Alkohol und dienen deshalb oft als alkoholische Tinkturen. Pharmazeutisch werden aus der getrockneten Wurzel Extrakte mit 94-prozentigem Ethanol und einem Prozent Ethylmethylketon gewonnen, aber auch mit Alkohol-Wasser-Gemischen oder Aceton. Der reine Alkoholextrakt enthält am meisten Kavapyrone.
Das traditionelle Kavagetränk besteht aus geschälten frischen Wurzeln, die zehn Minuten durchgekaut und durchgespeichelt werden, wobei sich das Volumen der Wurzelstöcke erheblich erhöht. Diese durchgekauten Wurzeln werden dann in speziellen Gefäßen (Kavabowle, Kanoa) aus Vesi-Holz mit Wasser vermischt, durch ein Sieb aus Rinde oder Kokosfasern gefiltert und in Trinkschalen gefüllt.
Getrunken wird es frisch, da es schnell schal schmeckt und „faulig“ aussieht. Wer an einer Kavazeremonie teilnimmt, trinkt ein bis vier Schalen, manche Polynesier konsumieren sechs bis acht davon pro Tag. Eine psychoaktive Wirkung entsteht nach dem Konsum mehrerer Liter dieses Getränks. Bisweilen werden dem Kavadrink auch andere Substanzen zugesetzt wie Chilischoten, Kokosmilch oder die Samen des Stechapfels.
Kawawurzel wird auch unzubereitet (also nur geschält) gekaut. Auf Tonga werden halbwelke Blätter zu Tee verarbeitet und verängstigten Kindern gegeben, um sie zu beruhigen, und die Stiche von Hundertfüßern, Insekten und giftigen Fischen werden mit frischen Blättern behandelt.
Auf Hawaii gilt vorgekaute Kawawurzel als Mittel gegen Fieber, auf Neukaledonien werden die frischen Blätter bei Bronchitis gekaut. In Papua-Neuguinea wird Kava während des Tätowierens gekaut, um die Schmerzen zu betäuben.
Ist Kava in Deutschland als Arzneimittel zugelassen?
Ein Review von 2011 erörtert: Seit langem steht Kawawurzel im Verdacht, auf Dauer und in hohen Dosen genossen die Leber zu schädigen. Derzeit gäbe es aber keine unstrittigen Grund, warum es eine kavainduzierte Leberschädigung in westlichen Ländern geben sollte.
2019 widerrief das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung von Arzneimitteln, die Kava enthalten. Zuvor hatte der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) eine solche Entscheidung empfohlen.
Dem BfArM zufolge sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig. Angeführt wurden Bedenken wegen der Giftwirkung des Kawa-Rhizoms, besonders ein Potenzial, Krebs zu fördern und Schäden der Leber zu verursachen. Demnach hätte der Konsum von Kawa zu Lebertransplantationen und tödlichen Verläufen geführt. Die arzneilich wirksamen Bestandteile hätten weder eine anerkannte Wirksamkeit noch ein notwendiges Sicherheitsniveau.
Kava in der Kultur
Kava hat in den Gesellschaften Polynesiens, Mikronesiens oder Melanesiens eine ähnliche Bedeutung wie Bier in Deutschland. Allein auf Hawaii werden rund ein Dutzend Kavasorten genutzt – in der Religion, Medizin, in politischen Versammlungen, in der sozialen Gemeinschaft und im kulturellen Ritual. Mit anderen Kava zu trinken stärkt in Austronesien den Zusammenhalt der Gemeinschaft.
Auf Vanatu wird der Ort, an dem Männer Kava aus Muscheln oder halbierten Kokosnussschalen trinken, „Ort des Friedens“ (Nakamal) genannt. Traditionell war Kava ein Medium für Männer, um mit den Geistern ihrer Ahnen in Verbindung zu treten. Kava-Bars liegen deshalb unter Banjonbäumen, wo, in der Vorstellung der Einheimischen, die Totengeister leben.
Bars zeigen durch eine Laterne am Eingang, ob Kava zur Verfügung steht. Heute servieren diese Kava-Kneipen das Getränk meist in Glasschalen statt in Kokosnüssen. Touristen sollten bei dem Konsum aufpassen, denn das Wasser, mit dem das Getränk hergestellt wird, ist in der Regel nicht abgekocht und enthält oft Keime. Statt angenehmem Rausch ist dann schnell eine Magen-Darm-Infektion die Folge.
Auf der mikronesischen Insel Pohnpei wird Kava (Sakau) ebenfalls in Kokosnussschalen getrunken. Auf Fidschi wird Kava zu jeder Tageszeit konsumiert, es wird gereicht, um Gäste zu begrüßen und gehört zu jedem gesellschaftlichen Ereignis. Auf Futuna wurde Kava getrunken, wenn ein neuer Führer sein Amt antrat.
In Rotuma ist die Kava-Zeremonie ein politisches Ritual, das den Rang der Teilnehmenden definiert, denn diese werden nach ihrem Rang bedient. In Tonga gibt es Kava-Clubs (Kalapu) und feiern heißt „Faikava“ („Kava machen“), nur Männer dürfen hier Kava trinken, während er von einer unverheirateten jungen Frau serviert wird, die mit keinem der Trinker verwandt sein darf.
Kava gibt es auch als Softdrink, in Hawaii heißt er Rzo, auf dem Festland der USA Bula. In Vanatu und anderen Ländern des Westpazifik wird seit 2009 eine „Kava Cola“ hergestellt. 2000 wurde in Boca Raton, Florida, die erste Kava-Bar der USA eröffnet. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Klaus Dragull, Wesley Y. Yoshida, Chung-Tsih Tang: Piperidine alkaloids from Piper methysticum, in: Phytochemistry, Volume 63, Issue 2, Seiten 193-198, 2003, (Abruf 03.03.2022), ScienceDirect
- M.H. Pittler, Edzard Ernst: Kava extract for treating anxiety, in: Cochrane database of systematic reviews (Online), Issue 1, 2003, (Abruf 03.03.2022), Cochrane
- Flaminia Pantano, Roberta Tittarelli, Giullio Mannochi et al.: Hepatotoxicity Induced by "the 3Ks": Kava, Kratom and Khat, in: International journal of molecular sciences, Volume 17, Issue 4, 2016, (Abruf 03.03.2022), MDPI
- Line R. Olsen, Mark P. Grillo, Christina Skonberg: Constituents in kava extracts potentially involved in hepatotoxicity: a review, in: Chemical research in toxicology, Volume 24, Issue 7, Seiten 992-1002, 2011, (Abruf 03.03.2022), ACS
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe II, Kava-Kava (Piper methysticum G. Forst., rhizoma) -haltige Arzneimittel: Widerruf der Zulassungen, 2019, (Abruf 03.03.2022), BfArM
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Abwehr von Gefahren durch Arzneimittel, Stufe II, Anhörung zu Kava-Kava (Piper methysticum G. Forst., rhizoma) -haltigen Arzneimitteln, 2019, (Abruf 03.03.2022), BfArM
- Ronald Brunton: The Abandoned Narcotic: Kava and Cultural Instability in Melanesia, Cambridge, 1989
- Vincent Lebot: Kava: The Pacific Drug, New Haven and London, 1992
- Angelika Prentner: Bewusstseinsverändernde Pflanzen von A-Z. Springer, Wien / New York, NY, 2004
- Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendungen. Aarau, Schweiz, 2019
Wichtiger Hinweis:
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