Zwei Todesfälle durch Schweinegrippe in Deutschland
03.01.2011
Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pandemie der Schweinegrippe im Sommer offiziell für beendet erklärt hatte, sind nun zwei Menschen in Niedersachsen an den Folgen einer Infektion mit dem H1N1-Virus verstorben.
Schweinegrippe fordert in Göttingen zwei Menschenleben
Ein dreijähriges Mädchen und ein 51-jähriger Mann mit Vorerkrankungen sind nach den Angaben des niedersächsischen Sozialministeriums im Uniklinikum Göttingen an den Folgen einer Schweinegrippe-Infektion verstorben. Zwar hatte die WHO im August die Schweinegrippe-Pandemie offiziell für beendet erklärt, so dass für den H1N1-Erreger, nicht mehr die höchste Alarmstufe gilt, doch die WHO hatte die weltweiten Gesundheitsbehörden trotzdem zur Wachsamkeit gemahnt, da der Erreger auch in diesem Winter wieder auftreten könne. Mit Beginn der jährlichen Grippesaison ist die Zahl der nachgewiesenen Grippeviren seit Ende Dezember 2010 deutlich gestiegen, wobei den Angaben des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes zufolge bei den meisten Untersuchungen das Schweinegrippe-Virus H1N1 nachgewiesen wurde. Ihren Höhepunkt werde die Grippewelle voraussichtlich Ende Januar oder im Februar erreichen, so der Präsident des Landesgesundheitsamts, Matthias Pulz.
Die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) rief die Bevölkerung daher erneut dazu auf, sich mit einer Grippe-Impfung zu schützen. Der diesjährige Impfstoff umfasse auch eine Komponente, die gegen Schweinegrippe schütze, so dass ein Extra-Schutz nicht mehr nötig sei. Der Impfschutz könne außerdem noch rechtzeitig vor Beginn der Grippewelle aufgebaut werden, erklärte die Ministerin. Die aktuellen Todesfälle bieten indes „keinen Grund zur Panik“, wie der Ministeriumssprecher Thomas Spieker ergänzte. Die tragischen Fälle in Göttingen zeigen jedoch, „dass die Influenza keine harmlose Erkrankung ist, sondern auch einen schweren Verlauf nehmen kann“, so die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan.
Gesundheitsbehörden rufen zu Schutzimpfungen auf
Auch die Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert-Koch-Institut hat die Bevölkerung bereits zu Beginn der Grippesaison zur Schutzimpfung aufgerufen, wobei die Schweinegrippe jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielte, denn nach Ansicht der Experte ist die gewöhnliche Influenza weit gefährlicher. Christian Meyer vom Bernhard-Nocht-Institut (BNI) für Tropenmedizin in Hamburg teilt diese Position und erklärte, dass die Bedeutung der Schweinegrippe allgemein überschätzt worden sei. Von der Aufregung im vergangenen Winter hätten nur die Impfstoff-Hersteller profitiert, so der Experte. „Angesichts der Diskrepanz in Millionenhöhe zwischen der Zahl der eingekauften und der tatsächlich verabreichten Impfdosen, muss man sagen, die Schweinegrippe war in jedem Fall ein mächtiges Verlustgeschäft“, betonte Meyer. Der Experte ist der Ansicht, dass auch in diesem Winter die gängigen Grippeviren weit gefährlicher sind, denn jährlich würden 10.000 bis 12.000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer gewöhnlichen Influenza versterben. Der Hamburger Tropenmediziner empfiehlt daher ebenfalls eine Grippeimpfung, insbesondere für Risikopatienten im Alter über 60 Jahren. Der Höhepunkt der Erkrankungswelle werde erfahrungsgemäß erst im Januar/Februar erreicht, so dass es „für eine Impfung (…) noch nicht zu spät“ ist, erklärte Meyer.
Vorbehalte in der Bevölkerung gegenüber Grippeimpfungen
Nach offiziellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind dem H1N1-Virus seit dem erstmaligen Ausbruch der Schweinegrippe im Frühjahr 2009 mehr als 18.400 Menschen in etwa 200 Ländern weltweit zum Opfer gefallen. In Deutschland wurden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) zwischen dem Herbst 2009 und dem August 2010 über 226.000 Schweinegrippe-Fälle gemeldet, wobei 258 der Patienten in Folge der Erkrankung verstarben. Die tatsächliche Zahl der Infektionen schätzen die Experten des RKI jedoch um ein Vielfaches höher ein. Ihren Höchststand hatte die Zahl der Erkrankungen hierzulande im Herbst und Winter 2009 erreicht. Allerdings waren die Impfquoten in der Bevölkerung trotz eingehender Aufforderungen der Gesundheitsbehörden und der umgehenden Einführung eines Impfstoffs in Deutschland mit nur etwa acht Prozent relativ gering.
Das Zögern der Deutschen scheint angesichts der heftigen Kritik vieler Experten am Umgang der Weltgesundheitsorganisation mit der Schweinegrippe jedoch nicht ganz unbegründet. So beurteilte nicht nur der Hamburger Tropenmediziner Meyer Verhalten der WHO als überzogen, da das Ausmaß der Pandemie weitaus geringer war als zunächst angenommen. Auf Kritik stieß auch, dass einige der Autoren, die an den Richtlinien der WHO zum Umgang mit der Schweinegrippe-Pandemien mitgewirkt hatten, gleichzeitig Geld von Pharmafirmen wie "GlaxoSmithKline" und "Roche" erhielten. Da die Wirkverstärker im schließlich eingeführten Impfstoff zudem bei zahlreichen Patienten erhebliche Nebenwirkungen verursachten, wirken die Vorbehalte in der Bevölkerung bezügliche der Schutzimpfungen durchaus begründet.
Grippeimpfung bei Reise auf die Südhalbkugel
Von Seiten der WHO wurde die Kritik jedoch stets zurückgewiesen und der WHO-Sonderberater Keiji Fukuda warnte noch einmal eindringlich vor der Verharmlosung des H1N1-Erregers. „Man kann sagen, dass die Länder auf der nördlichen Halbkugel das Gefühl haben, dass es jetzt vorbei ist. Aber auf der südlichen Halbkugel gibt es viele Diskussionen“, erklärte Fukuda. Denn obwohl die Pandemie beendet ist, „ist das Virus immer noch da“, betonte der Experte. Auch ist nach Aussage des Hamburger Tropenmediziners Meyer bei den Impfungen die Verschiebung der Jahreszeiten zwischen den beiden Erdhalbkugeln zu bedenken. Deutsche, die in den Sommermonaten auf die Südhalbkugel reisen wollen, sollten sich daher auch gegen Grippe impfen lassen, erklärte Meyer und ergänzte: „Die Grippeimpfung gilt nicht von ungefähr als eine der wichtigsten Reiseimpfungen“. Angesichts der Skepsis, die im Zuge der Schweinegrippe-Pandemie im vergangenen Jahr in der Bevölkerung gewachsen ist, muss jedoch in Frage gestellt werden, ob die Deutschen dem Aufruf zur Schutzimpfung vermehrt folgen werden. Bisher halten sich die Impfquoten nach wie vor auf einem sehr bescheidenen Niveau. (fp)
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