Plant die Bundesregierung neue Rettungspakete für die Private Krankenversicherung? Hartz IV Bezieher, die in der PKV krankenversichert sind, sollen in die gesetzlichen Krankenkassen gedrängt werden. Politiker und Krankenkassen kritisieren die Überlegungen des Bundesarbeitsministeriums.
26.11.2010
Die neusten Planungen der Bundesregierung liegen trotz Dementi auf dem Tisch: Die schwarz-gelbe Koalition will zu Gunsten der Privaten Krankenversicherer Hartz IV Bezieher in die gesetzliche Krankenkasse zwingen oder die PKV dazu zwingen, einen Tarif speziell für Hartz IV Bezieher anzubieten. Zahlreiche Politiker fordern, die Deckungslücke aus Steuermitteln zu finanzieren. Die Krankenkassen zeigten sich empört und fordern ebenfalls eine Ausgleichszahlung für die Deckungslücke vom Staat zu erhalten.
Zahlreiche Politiker und Kassenvertreter vermuten hinter den neuerlichen Planungen eine Rettungsaktion zu Gunsten der Privaten Krankenversicherungen. Hintergrund der Debatte ist ein Gesetzesvorschlag des Bundesarbeitsministerium. In diesem Text – der zahlreichen Agenturen bereits vorliegt – geht es um die Finanzierung der Krankenversicherung von Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten (Hartz IV). Die Arbeitsagenturen übernehmen bei den Betroffenen nur den Kostenanteil der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser liegt bei 126 Euro im Monat. Der halbe Höchstsatz der PKV beträgt im Schnitt je nach Tarif 290 Euro. Die Differenz müssen Bezieher von Sozialleistungen aus den Regelleistungen selbst begleichen. Doch zahlreiche Sozialgerichte haben dieser Praxis eine deutliche Absage erteilt und geurteilt, dass die Kosten für einen Basistarif von den Argen übernommen werden muss.
Im Januar wird das Bundessozialgericht in Kassel hierzu urteilen. Deshalb ist das Bundesarbeitsministerium nun nun dazu veranlasst, einen Gesetzesentwurf zu schmieden.In dem Entwurf werden zwei Varianten favorisiert. Die eine besagt, dass die PKV dazu verpflichtet werden soll, einen Basistarif für Hartz IV Empfänger anzubieten, dessen Beitragshöhe dem gedeckelten GKV-Tarif gleicht. In der zweiten Variante wird angeregt, Hartz IV Bezieher zu verpflichten, in die Gesetzliche Krankenkasse zu wechseln. Die Krankenkassen sollen ihrerseits in die Pflicht genommen werden, ehemalige PKV Versicherte aufzunehmen.
Politik zu Gunsten der PKV?
Bei beiden Varianten gerät die Bundesregierung erneut unter den Verdacht, eine Klientelpolitik zu Gunsten der PKV zu betreiben. Erst wurden die Zugangsbedingungen für den Wechsel Gutverdienern in die private Krankenversicherung erleichtert, nun sollen Hartz IV Bezieher zum Wechsel in die GKV gezwungen werden. Eine solche Regelung stößt bei den Vertretern der Krankenkassen auf wenig Verständnis. So sagte der Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Florian Lanz: „Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass dies die nächste Stützmaßnahme für die unter Beitragserhöhungen leidende private Krankenversicherung werden soll.“
Doch das Problem als solches muss behoben werden. Viele Hartz IV Betroffene wissen nicht mehr, wie sie der Kostenfalle entrinnen können. Tausende können schon jetzt ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, weil der geringe Regelsatz von 359 Euro für Beiträge der PKV nicht mehr ausreichen. Bis zum Jahresende werden die Beitragsrückstände nach Meinungen von Experten auf 400 Millionen Euro angewachsen sein. In die laufende Diskussion schaltete sich deshalb auch der Verband der privaten Krankenversicherungen ein. Deren Chef, Volker Leienbach, fordert statt der vorgeschlagenen Varianten eine volle Übernahme der Prämien durch die Arbeitsagenturen. Diese Forderungen könne auch durch das im Januar erwartete Urteil des Bundessozialgerichts bestätigt werden. Nach Schätzungen von Gesundheitsökonomen würde das dem Steuerzahler rund 20 Millionen Euro jährlich kosten. Eigentlich keine hohe Summe. Doch Politiker fürchten nun, dass bei einer solchen Regelung die gesetzlichen Krankenkassen Sturm laufen und auch ihrerseits den vollen Kostenanteil für die Krankenversicherung einfordern. Das wiederum können jährliche Kosten von rund 200 Millionen Euro verursachen.
Ein solche Summe will die Bundesregierung allerdings nicht aufbringen. Deshalb wird diese Variante erst gar nicht im Entwurf formuliert. Für den Staatshaushalt wäre es demnach besser, Langzeitarbeitslose in die Gesetzlichen Kassen zu drängen. Eine solche Maßnahme würde das PKV-System deutlich entlasten. Die Leidtragenden dieser Regelung wären am Ende die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen. Nach Angaben des GKV Verbandes würden die Kassen schon jetzt für jeden Hartz IV Empfänger eine Subvention von 60 Euro aufbringen. Würden nun noch die betroffenen Hartz IV Bezieher in die GKV gedrängt, würde der Mehrkostenanteil in die Höhe schnellen. Steigende Beiträge in Form von Zusatzbeiträgen könnten die Folge sein. Deshalb forderte der GKV-Sprecher den Gesetzesgeber dazu auf, auch für Hartz IV Empfänger „ausgabendeckende Beiträge“ an die Krankenkassen zu zahlen.
Besonders scharf regierte die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) auf den Gesetzesentwurf. „Die gesetzliche Krankenversicherung darf von der Politik nicht als Rettungsfonds für die private Krankenversicherung missbraucht werden“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann. Hier fordert man endlich Gerechtigkeit zu schaffen. Entweder müsse auch die PKV die Deckungslücke bei Arbeitslosengeld II Beziehern übernehmen, oder „auch die Krankenkassen bekommen einen höheren Zuschuss für Hartz-IV-Empfänger, wie es die private Krankenversicherung für sich fordert.“
Im Bundesarbeitsministerium bemüht man sich darum, die Sache nicht hoch kochen zu lassen. Ein Sprecher dementierte das bereits ein vollständiger Gesetzesentwurf vorliegt. Man würde derzeit mit dem Bundesgesundheitsministerium über eine einheitliche Regelung sprechen. (sb)
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