Wie wirken Glukokortikoide auf das Gehirn?
Wenn Menschen Glukokortikoide (z.B. Kortison) einnehmen, kann dies zu Veränderungen der Struktur und Größe des Gehirns führen. Zusätzlich leiden betroffene Personen auch häufiger unter depressiven Symptomen und Müdigkeit.
In einer neuen Studie von Fachleuten des Leiden University Medical Center in den Niederlanden wurde überprüft, ob eine systemische und inhalative Einnahme von Glukokortikoiden mit Veränderungen des Volumens der grauen Substanz und der Mikrostruktur der weißen Substanz im Gehirn verbunden ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „BMJ Open“ publiziert.
Analysierte Daten stammten aus UK Biobank
Im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeit wurden Daten aus der UK Biobank ausgewertet, welche von Menschen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren stammten. Die UK Biobank ist eine prospektive bevölkerungsbasierte Kohortenstudie mit erwachsenen Personen, die zwischen dem Jahr 2006 und dem Jahr 2010 in Großbritannien rekrutiert wurden.
Von der Teilnahme an der aktuellen Untersuchung wurden Menschen ausgeschlossen, welche eine neurologische, psychiatrische oder endokrinologische Vorgeschichte hatten oder über eine Vorgeschichte der Einnahme von Psychopharmaka berichteten.
Insgesamt umfasste die aktuelle Studie 222 Personen, welche systemische Glukokortikoide nutzen, 557 Menschen mit inhalativer Glukokortikoid-Anwendung und 24.106 Teilnehmende als Kontrollgruppe, berichtet das Team.
Veränderungen anhand MRT-Gehirnscans untersucht
Durch die Verwendung von MRT-Gehirnscans der Teilnehmenden, welche systemische oder inhalative Steroide erhielten, und den anschließenden Vergleich mit Menschen aus der Kontrollgruppe versuchte das Team mögliche Veränderungen des Gehirns zu identifizieren.
Zudem wurden sogenannte lineare Regressionsanalysen dazu verwendet, um die Daten von potenziellen Störfaktoren zu bereinigen. Die sekundären Ergebnisse der Untersuchung befassten sich unter anderem mit den kognitiven Funktionen der Teilnehmenden und zusätzlich mit auftretenden emotionalen Symptomen, so die Forschenden.
Beeinträchtigte weiße Substanz
In der Untersuchung zeigte sich, dass sowohl die systemische als auch die inhalative Einnahme von Glukokortikoiden mit einer verminderten Integrität der weißen Substanz verbunden war, verglichen mit Personen aus der Kontrollgruppe, berichtet das Team. Der Effekt sei bei einer systemischen Anwendung stärker gewesen.
Anders ausgedrückt: Wenn die Teilnehmenden Glukokortikoide systemisch (über Tabletten oder Injektionen) erhielten oder diese inhalierten, war das mit weniger intakter weißer Substanz im Gehirn verbunden, verglichen mit Menschen aus der Kontrollgruppe, die keinerlei Glukokortikoide nutzten.
Auswirkungen auf die graue Substanz im Gehirn
Zudem zeigte sich, dass eine systemische Einnahme mit einem größeren Volumen der grauen Substanz im Caudatus und eine inhalativen Anwendung mit einem geringeren Volumen der grauen Substanz in der Amygdala verbunden war, verglichen mit der Kontrollgruppe, erläutern die Forschenden.
Caudatus und Amygdala bezeichnen Strukturen der grauen Substanz im Gehirn, welche an der kognitiven und emotionalen Verarbeitung beteiligt sind.
Depressive Symptome und Müdigkeit durch Glukokortikoide
In weiteren Auswertungen sei deutlich geworden, dass die systemische Anwendung von Glukokortikoiden auch mit schlechteren Ergebnisse bei kognitiven Tests verbunden war.
Zusätzlich berichteten diese Personen laut dem Forschungsteam über mehr depressive Symptome, Desinteresse, Anspannung/Ruhelosigkeit und Müdigkeit/Lethargie, verglichen mit der Kontrollgruppe. Teilnehmende, die Glukokortikoide inhalierten, waren indes nur von mehr Müdigkeit/Lethargie betroffen.
Glukokortikoide verändern das Gehirn
Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass sowohl die systemische als auch die inhalative Einnahme von Glukokortikoiden mit einer verminderten Integrität der weißen Substanz und begrenzten Veränderungen des Volumens der grauen Substanz verbunden ist, berichtet das Team.
Dieser Zusammenhang könnte laut den Forschenden zu den neuropsychiatrischen Nebenwirkungen der Glukokortikoid-Medikation beitragen, die insbesondere bei langfristiger Einnahme auftreten. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Merel van der Meulen, Jorge Miguel Amaya, Olaf M. Dekkers, Onno C. Meijer: Association between use of systemic and inhaled glucocorticoids and changes in brain volume and white matter microstructure: a cross-sectional study using data from the UK Biobank; in: BMJ Open (veröffentlicht 30.08.2022), BMJ Open
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.