Zwangsstörungen: Zwänge, die den Alltag lahmlegen
13.03.2014
Menschen mit einer Zwangsstörung leiden an Gedanken, die als nicht kontrollierbar erscheinen. Manche dieser Störungen lassen sich gut behandeln. Viele Zwänge gehen oft auf Erfahrungen in der Kindheit zurück. Unbehandelt bringen sie Betroffene häufig in eine Abwärtsspirale mit zunehmendem Leidensdruck.
Wegen Zwängen Angst ausgelacht zu werden
Der amerikanische Schauspieler Jack Nicholson spielt in dem Hollywood-Klassiker „Besser geht’s nicht“ einen Mann, der sich dauernd, beinahe nach jeder Berührung, mit einer neuen Seife, die Hände waschen muss. Personen wie Nicholson in dieser Filmrolle gelten als Menschen mit übertriebenem Hang zur Kontrolle und komischen Marotten. Oft behalten sie ihr Problem so lange wie möglich für sich, da sie Angst haben, ausgelacht zu werden und stehen allein dadurch unter enormem Druck. Denn Zwangsgestörte leiden an aufdringlichen und unkontrollierbar erscheinenden Zwangsgedanken. Diese veranlassen sie meist auch dazu, bestimmte Handlungen immer wieder auszuführen.
Negative Kindheitserfahrungen spielen bei Zwängen eine Rolle
Angelika Erhardt, Oberärztin der psychiatrischen Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, erläuterte dazu: „Sie kontrollieren vielleicht 20 oder 30 Mal, ob der Herd ausgestellt ist, weil sie Angst haben, sie könnten es doch vergessen haben und damit etwas Schlimmes verursachen.“ Sie seien sich dabei zwar der Unsinnigkeit und Sinnlosigkeit dieser Gedanken und Handlungen bewusst, doch es gelinge ihnen trotzdem nicht, sie zu unterbinden. „Etwa zwei von 100 Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Zwangsstörung im krankhaften Sinne“, so die Neurowissenschaftlerin. Viele Faktoren tragen dazu bei. So spiele erbliche Veranlagung eine Rolle, vor allem seien aber auch einschneidende Lebensereignisse und negative Kindheitserfahrungen, beispielsweise eine von Druck und hohen Leistungsanforderungen geprägte Erziehung, relevant.
Betroffener konnte nicht arbeiten und am Familienleben teilnehmen
Kontrollzwänge sind eine häufige Form von Zwangserkrankungen. Möglich sind aber auch Waschzwänge, Zählzwänge, Ordnungszwänge oder Krankheitsverläufe, die mehrere Zwänge einschließen. Laut der Nachrichtenagentur dpa gehört auch Arne Schätzig (Name geändert) zu letzterem Kreis. Er entwickelte nach einer vorübergehenden Phase mit Waschzwängen Kontrollzwänge, welche ihn mehr und mehr beeinträchtigten. Er kontrollierte Wasserhahn, Föhn oder andere elektrische Geräte. Schätzig verbrachte in einer Phase seiner Erkrankung bis zu einer Stunde täglich mit Kontrollgängen, kam manchmal zu spät zur Arbeit und musste sich daher mit Ausreden behelfen. „Das Schlimmste war, dass mich dieses Gefühl der Angst und der Anspannung, es könnte irgendwas passiert sein, den ganzen Tag lang verfolgt hat“, so der Betroffene. Er konnte phasenweise gar nicht mehr arbeiten und am Familienleben teilnehmen.
Mit Therapien Zwänge reduzieren
Zwangserkrankungen führen unbehandelt oft in eine Abwärtsspirale mit ständig zunehmendem Leidensdruck. „Die wichtige Botschaft an die Betroffenen ist, dass man Zwänge heute sehr gut behandeln kann. Man ist ihnen nicht hilflos ausgesetzt“, so Professor Ulrich Voderholzer, ärztlicher Direktor der Schön Klinik Roseneck, Fachklinik für psychische und psychosomatische Erkrankungen, in Prien am Chiemsee. Eine speziell auf Zwangserkrankungen ausgerichtete Verhaltenstherapie, die eine Reizkonfrontation einschließt, sei am aussichtsreichsten. Betroffene erlernen dabei, sich den zwangsauslösenden Reizen auszusetzen, ohne ihre Zwangsrituale auszuführen. Auch wenn die Zwänge meist nicht ganz verschwinden, lassen sie sich doch häufig auf ein so geringes Maß reduzieren, dass sie den Alltag nicht mehr beeinträchtigen. Die Erfolgsaussichten sind umso besser, je früher die Behandlung beginnt.
Betroffene bekommen oft sehr lange keinen Termin
Laut Voderholzer dauere es jedoch im Durchschnitt sechs Jahre, bis die Diagnose überhaupt gestellt werde. Nicht nur die Scham, die viele Betroffene wegen ihrer Zwänge empfinden und die sie daher erst spät oder gar nicht zum Arzt gehen lässt, sondern auch der Mangel an Therapeuten, die für Zwangsstörungen qualifiziert sind, stellt ein Problem dar. Daher erhalten viele Zwangsgestörte keine oder eine nur unzureichende Behandlung. Umso schlimmer ist daher, dass die Terminkalender spezialisierter Kliniken und Praxen oft auf lange Sicht voll sind. „Manche Patienten bekommen gesagt, sie sollen wegen eines Termins in einem Jahr noch mal anrufen“, so Antonia Peters, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen. Sie und ihre Kollegen unterstützen Betroffene bei der Arztsuche und dabei, rechtzeitig in Behandlung zu kommen. Wie Peters betont, sollten Patienten unbedingt den Mut haben, sich zu öffnen und möglichst schnell eine Behandlung angehen.
Zwangsstörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen
Bereits vor einigen Jahren ging aus den Zahlen des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte hervor, dass Zwangsstörungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland zählen und etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung darunter leiden. Da die psychischen Probleme oft durch übertriebene Angst ausgelöst werden, sollten diese Betroffenen unter Umständen versuchen, bereits diese Ängste mit Hilfe einer Verhaltenstherapie in den Griff zu bekommen. Unter anderem könne dabei Hypnose den Angstpatienten helfen, das Auftreten einer Zwangsstörung zu vermeiden. Ein Experte der Deutschen Nervenärzte wies damals darauf hin, dass sich die gesundheitlichen Folgen der Zwangsstörungen, wie das ständige Zittern, übermäßiges Schwitzen, Herzrasen, innere Unruhe und Herzstolpern, nur mit therapeutischen Maßnahmen verhindern ließen. (sb)
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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