US-amerikanische Gentest-Firma 23andMe erhält Patent
05.10.2013
Das Gentest-Unternehmen 23andMe hat in den USA ein Patent auf die Selektion von menschlichen Samen- und Eizellen erhalten. Künftig sind somit sogenannte Designer-Babys vorstellbar, denn Kunden könnten theoretisch Samenspender so aussuchen, das die Chancen auf bestimmte Eigenschaften beim Kind erhöht werden. Das Unternehmen wiegelt ab.
99 Dollar für Analyse des Erbguts
Zum Preis von 99 US-Dollar bietet die US-amerikanische Biotechnologie-Firma 23andMe ihren Kunden die Analyse des eigenen Erbguts an. Stimmen zwei ihrer Kunden zu, sich gegenseitig ihre DNA offenzulegen, dürfen sie auch den „Family Traits Inheritance Calculator“ benutzen, ein Programm, mit dem berechnet werden könne, welche Merkmale einem Kind vererbt werden könnten. Das Unternehmen reagiert jetzt ganz unschuldig auf Anfragen bezüglich des Patents, das ihnen im September diesen Jahres erteilt worden war. Durch das US-Patent mit der Nummer 8543339 könnten zukünftige Eltern die Vorauswahl für die Spendergene treffen. Beispielsweise kann man über die Wahrscheinlichkeit von Augenfarbe, Herzinfarktrisiko oder Laktose-Toleranz bestimmen. Laut Presseantworten verfolge das Unternehmen jedoch keine Pläne im Zusammenhang mit Kinderwunschkliniken.
Welche Merkmale sind bei einem Kind gewünscht
Das Patent weckt aber allen Beteuerungen zum Trotz den Argwohn von Kritikern. So kommentierten die Bioethikerinnen Sigrid Sterckx von der Universität Gent und Heidi Howard von der französischen Université de Toulouse mit Kollegen in der Fachzeitschrift „Genetics in Medicine“ eindeutig, dass das Unternehmen sich eine Methode patentieren haben lasse, mit dem Eispenderinnen und Samenspender danach ausgewählt werden könnten, welche Merkmale die künftigen Eltern bei einem Kind wünschten. Die Auswahl würde auf einem Algorithmus basieren, welcher die genetischen Merkmale der beiden biologischen Eltern vergleicht. Alle möglichen genetischen Ausprägungen seien vorstellbar, vom Krebsrisiko über Körpergröße bis hin zu Persönlichkeitstypen.
Unternehmen wiegelt ab
Als bedenklich wird unter anderem auch eine Abbildung in der Patentanmeldung gesehen, in der ein Fragebogen auftaucht, in dem es heißt: „Ich bevorzuge ein Kind mit…“, gefolgt von Antwortmöglichkeiten, die von einem niedrigen Darmkrebsrisiko bis zu großen Chancen auf grüne Augen reichten. Nach der Fachveröffentlichung und einem Bericht auf der US-Website des Technologie-Magazins „Wired“ hat man auch bei 23andMe die Brisanz des Themas erkannt. In Deutschland hatte darüber zuerst der Fach-Blog „Plazeboalarm“ bei „scienceblogs.de“ berichtet. Die Erbgutanalysten führten in einem Blog-Eintrag aus, das die vier Jahre alte Patentanmeldung nur den „Family Traits Inheritance Calculator“ schützen sollte. In der Annahme, es gäbe ein Potential für die Anwendung in Kinderwunschkliniken, habe man den Antrag darüber hinausgehend formuliert. Allerdings habe sich seitdem viel verändert, auch die eigene strategische Ausrichtung. „Die Firma hat die im Patent diskutierten Konzepte nie über den ‘Family Traits Inheritance Calculator’ hinaus verfolgt, und wir haben auch keine Pläne, das zu tun“, heißt es in einer Erklärung.
Patent hätte aus moralischen Gründen abgelehnt werden können
Auf alle Fälle sei das Zusammenstellen eines Designer-Babys nach Wunsch schwerer als gedacht. Dies halten auch die Bioethikerinnen in „Genetics in Medicine“ 23andMe zugute. Und auch mit den Methoden der Erbgutanalyse der Biotechnologie-Firma würden Eltern mit Kinderwunsch nur eine Möglichkeit erhalten, Chancen auf bestimmte erwünschte Merkmale beim Nachwuchs zu erhöhen. Die Autorinnen empören sich jedoch, dass das US-Patentamt offenbar nicht auf die Idee der moralischen Verwerflichkeit des Patents gekommen sei. Auch wenn es im US-Patentrecht eine solche explizite Moralitätsklausel nicht gibt, war in einem ähnlichen Fall schon mal ein Patent aus moralischen Gründen nicht erteilt worden. Damals hatten US-Wissenschaftler ein Patent auf Chimären aus Menschen und Tieren angemeldet, um so auf das Thema aufmerksam zu machen.
Kein Patent in Europa möglich
Die US-amerikanische Biotechnologie-Firma hatte nach Angaben des Europäischen Patentamtes (EPA) in München auch eine international gültige Anmeldung des Patents beantragt. Nach einer Recherche zum Stand der Technik, mit der das EPA beauftragt worden war, hatte das Unternehmen jedoch keine europäische Patentanmeldung mehr beantragt. „Eine Prüfung des Patents nach europäischem Patentrecht hat deshalb gar nicht erst stattgefunden“, so der Sprecher. Christoph Then, Geschäftsführer des Münchner Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotec e.V.) kritisierte das Vorhaben der US-Firma: „Die genetische Identität eines Menschen darf nicht von Mode, Markt und Meinung abhängen.“ Und weiter: „Geschäftsideen, die auf der Produktion von Designer-Babys beruhen, dürfen nicht durch Patente gefördert werden.“ Das Patent sei außerdem als Geschäftsidee anzusehen und eine solche würde am Europäischen Patentamt ohnehin als nicht patentierbar angesehen. (ad)
Bild: Sabrina Gonstalla / pixelio.de
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