„Keine Zeit, ich bin total im Stress“ – dieser Satz kommt sehr häufig vor, denn Stress gehört für viele Menschen zum Alltag: Ein Termin nach dem anderen, Ärger mit dem Chef, Überstunden, Dienstreisen, ständige Erreichbarkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, private Konflikte und das ständige Gefühl, „noch nicht genug geschafft zu haben“ – dies sind nur einige Beispiele, die dafür sorgen, dass Ruhepausen und Entspannungsmomente verloren gehen.
Dabei ist es in gewissem Maße ganz normal, denn „positiver Stress“ (Eustress) erhöht die Aufmerksamkeit, steigert unsere Leistungsfähigkeit und Motivation – ohne dem Körper dabei zu schaden. Schwierig wird es erst dann, wenn dieser Zustand zu oft bzw. dauerhaft auftritt und nicht durch geeignete Übungen und Hausmittel zum Stressabbau abgemildert wird. Dann empfinden wir es als negativ (Disstress), fühlen uns bedroht, überfordert und erleben häufig auch körperliche Konsequenzen. Dauerhafte negative Überlastung erhöht das Risiko für (ernste) gesundheitliche Beschwerden wie beispielsweise Magenprobleme, Darmbeschwerden, Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder Rückenschmerzen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Stress?
Medizinisch ist Stress (englisch: „Druck“, „Belastung“, (Über-)Anstrengung) definiert als körperliche oder seelische Belastung des Organismus mit bestimmten Reizen, die Stressoren genannt werden. Diese Faktoren können als Infektionen, Operationen, Verletzungen und Verbrennungen körperlicher oder aber psychischer Natur sein, etwa als Belastung durch Ärger, Angst und Leistungsdruck. Der Körper reagiert mit einer vermehrten Stimulation des Sympathikus mit erhöhter Ausschüttung von Katecholaminen (Adrenalin und Noradrenalin), auch „Stresshormone“ genannt. Als Folge kommt es zu einer Erhöhung von Blutdruck, Puls und Herzminutenvolumen.
Dieser Mechanismus ist ähnlich der Angst als entwicklungsgeschichtlich entstandene Schutzreaktion des Körpers zu verstehen, die den Betroffenen dazu befähigt, sämtliche körperliche Reserven zu mobilisieren, um einer bedrohlichen Situation durch Kampf oder Flucht („fight or flight“) zu entgehen. Heutzutage sind es jedoch nicht mehr die urzeitlichen Raubtiere, die eine Stressreaktion provozieren. Dennoch klagen 80 % der Deutschen über Stress.
Dabei ist es nicht automatisch negativ, sondern im Grunde also eine ganz „normale“ Reaktion auf Umwelt-Reize. Wir Menschen brauchen sogar Herausforderungen und eine gewisse „Dosis“ Belastung, um überhaupt motiviert und effektiv handeln zu können. Denn dieser „positive Stress“ (Eustress) erhöht die Aufmerksamkeit, fördert die Leistungsfähigkeit, steigert das Selbstwertgefühl und sorgt für Glücksgefühle, zum Beispiel, wenn eine Prüfung bestanden oder ein Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde – wobei es sich hier um die Bewältigung beruflicher Aufgaben ebenso wie um die Organisation einer großen Familienfeier handeln kann.
Eustress schadet dem Körper nicht. Doch wie bei allem anderen auch, kommt es auch hier auch das richtige Maß an, denn besteht ein gestresster Zustand dauerhaft oder kann die Anspannung nicht ausgeglichen werden, entwickelt sich dieser schnell zu negativem Stress (Dysstress). Dieser strapaziert den Körper meist stark und führt bei der gestressten Person dazu, dass diese sich bedroht und überfordert fühlt. Hier reicht schon der Gedanke „Ich schaffe das nicht“ oder ein verspäteter Zug, der dazu führt, dass man unter Umständen nicht mehr rechtzeitig zum Vorstellungsgespräch kommt. In der Folge entstehen Ängste und das Wissen, dass die Aufgabe oder das Ziel nicht bzw. nur mit einem gewaltigen Aufwand an Kraft zu schaffen ist – es kommt zu Hektik und unüberlegtem „blindem Aktionismus“ und der Betroffene versucht, mit allen Mitteln die letzten Energie-Reserven zu mobilisieren.
Dysstress kann jedoch auch durch eine Unterforderung ausgelöst werden. Diese können beispielsweise dann entstehen, wenn die tägliche Arbeit in erster Linie durch stumpfsinnige, belanglose Tätigkeiten oder eintönige Routinen gekennzeichnet ist. Es wird kein Sinn (mehr) in der Arbeit gesehen und stattdessen eifrig weitergemacht, ohne konkrete Ziele zu erreichen. In der Folge fühlen sich betroffene Personen nach getaner Arbeit müde und erschöpft, obwohl der Tag im Grunde gar nicht so anstrengend war.
Wie äußert sich Stress?
Tritt dieser nur kurzzeitig auf, so hat er normalerweise keine langfristigen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Dies ist zum Beispiel in alltäglichen Situationen wie einem überraschenden Stau auf dem Weg zur Arbeit der Fall. Hält dieser Zustand nur kurz an, wird dementsprechend auch die zunächst mobilisierte Energie nicht benötigt, sondern baut sich schnell wieder ab und fügt dem Körper so keinen Schaden zu. Stress kann also über einen gewissen Zeitraum und in gewisser „Dosis“ gut vertragen werden – insbesondere dann, wenn regelmäßig für körperlichen Ausgleich in Form von Entspannung und Bewegung gesorgt wird.
Wird die Überforderung jedoch zu stark oder hält zu lange an, werden die Energiereserven schnell aufgebraucht, wodurch dieser negativ erlebte Disstress, je nach Dauer und Intensität, zu körperlichen und psychischen Problemen führen kann. Welche Symptome erlebt werden, sollte eine Befragung der Krankenkasse DAK (DAK, „Vorsätze für 2008“ von 12/2007) beleuchten. Mit Abstand am Häufigsten wurden als Stresssymptom „Gereiztheit“ (67 %) erwähnt. Als weitere Symptome, von denen mehr als die Hälfte der Befragten geplagt werden, sind Konzentrationsstörungen oder Nervosität (58 %) und Verspannungen (54 %). Danach folgen Schlafstörungen, Lustlosigkeit und Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme wie Durchfall oder Verstopfung und Magenschmerzen.
Wirken verursachende Faktoren anhaltend auf den Menschen ein und wird der Zustand zum Dauergast, kann dies auch zu ernsteren gesundheitlichen Schäden bzw. funktionellen Entgleisungen wie chronischem Bluthochdruck, Magensaftüberproduktion und vegetativen Störungen führen. Folgekrankheiten können eine verminderte Durchblutung der Herzkranzgefäße, eine Magenschleimhautentzündung, Magengeschwüre aber auch Angststörungen und Depressionen sein bzw. bereits bestehende Grundleiden verstärken.
Darüber hinaus kommt es durch negativen Stress häufig auch zu Rückenschmerzen und Störungen im Zyklus oder im sexuellen Bereich. Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall, Koronare Herzkrankheit), Lungenleiden, Infekte und Depressionen steigt bei dauerhafter Stressbelastung an. Starke stressbedingte Symptome auch in Verdacht, zu einem erhöhten Krebs-Risiko zu führen.
Wie kommt es zu Stress?
Stress kann durch ganz unterschiedliche Situationen – so genannte „Stressoren“ – ausgelöst werden: So gerät der eine in Panik, weil er merkt, dass er seine Aufgabe nicht rechtzeitig erledigen kann, ein anderer bekommt Schweißausbrüche und fängt an zu zittern, weil er gleich eine Ansprache vor großem Publikum halten soll. Einige Stressoren, wie zum Beispiel der Tod eines nahestehenden Menschen, (drohende) Arbeitslosigkeit oder Konflikte innerhalb der Familie bedeuten dabei für fast jeden negativen Stress. Andere Auslöser wie zum Beispiel ein überraschender Stau oder der zu frühe Besuch, obwohl die Wohnung noch nicht fertig geputzt ist, führt nicht bei allem Menschen automatisch zu negativem Stress, sondern wird stattdessen ganz gelassen hingenommen.
In einer Erhebung im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK, F.A.Z. Institut 2009) wurden 1.014 Deutsche ab 14 Jahren nach häufigen Stressauslösern befragt. Dabei nahmen Beruf, Schule und Studium mit 43% den ersten Platz ein, gefolgt von finanziellen Sorgen (27%), Fahrten zur Hauptverkehrszeit (25%) sowie allgemeinen Konflikten (21%). Weiterhin wurden (vornehmlich von den weiblichen Befragten) Hausarbeit, Kindererziehung und die Betreuung von Angehörigen genannt. Eine weitere repräsentative Umfrage zum Thema Stress erhob als Spitzenreiter unter den Stressfaktoren gesundheitliche Probleme, finanzielle Sorgen, Umwelteinflüsse und Lärm sowie die Angst vor Krieg oder Terror (GesundheitPro.de 2008).
Umgang
Wie der Mensch heute mit Überlastung umgeht, hängt entscheidend von seiner Persönlichkeit ab und wie er den auf ihn einwirkenden Zustand beurteilt. Eustress baut die Anspannung, Erregung und Kreativität auf, die für die Bewältigung schwieriger Aufgaben notwendig ist. Erfolgreich bewältigte Stresssituationen, z.B. eine bestandene Prüfung führen wiederum zu positiven Emotionen und stärken damit das Immunsystem. Während die Adrenalinausschüttung unter großer Herausforderung dem einen also zu Hochstimmung und Bestleistungen verhelfen kann, hemmt beim anderen ein zu starker Leistungsdruck die kreative Lösungsfindung. Letzteren Sachverhalt konnte der Neurobiologe Gerald Hüther von der Universität Göttingen mit bildgebenden Verfahren sichtbar machen.
Stressabbau
Neben Gesprächen mit Partnern, Freunden und Verwandten, Spaziergängen und Radfahren scheint Sport ein adäquates und beliebtes Mittel zum Stressabbau zu sein. In den bereits erwähnten Erhebungen (DAK 2007; TK 2009) rangierte Sport jeweils unter den ersten drei Plätzen bei der Frage nach bevorzugten Strategien zum Stressabbau. Aber Vorsicht: So sind Menschen, die exzessiv Sport betreiben manchmal von einer erhöhten Infektanfälligkeit geplagt, weil dem Körper keine ausreichenden Phasen der Regeneration zugestanden werden. Das wiederum stresst den Organismus und schwächt das Immunsystem. Hier gilt es, den jeweiligen Belastungsgrad durch angemessene Pausen auszugleichen, damit der Sport ein Stresserlebnis positiver Art bleibt. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Markus Heinrichs, Tobias Stächele, Gregor Domes: Stress und Stressbewältigung, Hogrefe Verlag, 1. Auflage, 2015
- Ludger Rensing, Michael Koch, Bernhard Rippe, Volkhard Rippe: Mensch im Stress, Springer Spektrum Verlag, 2013
- Jürgen Stein, Till Wehrmann: Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, Springer Verlag, 2. Auflage 2006
- Ingrid Kollak: Burnout und Stress, Springer Verlag, 2008
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.