Mistelkraut – Der heilige Schmarotzer
Misteln sind Halbschmarotzer und gehören zu den Sandelhölzern. Ihre Büsche wachsen auf dem Holz von Bäumen, je nach Art auf Laub- oder Nadelholz. Sie spielten in der traditionellen Heilkunde eine herausragende Rolle und werden auch heute noch zu verschiedenen Zwecken in der Medizin eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Viscum album oder Viscum album L.
- Volksnamen: Affolter, Bocksfutter, Drudenfuß, Hexenbesen, Immergrün, Kluster, Leimmistel, Marenklatte, Mischgle, Mistel, Vogelmistel, Weihnachtsmistel, Wintergrün
- Familie: Sandelholzgewächse (Santalaceae)
- Verbreitung: Als Halbschmarotzer auf Bäumen in Europa, Asien und Nordafrika, Nordwestafrika, Iran, Australien, Amerika und Ostasien, unter anderem in China, Korea und Japan; häufig in Laub- und Mischwäldern, oft auf Obstbäumen und anderen Bäumen zu finden.
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter, Stängel (jüngere Zweige), Beeren/Früchten, Blüten.
- Inhaltsstoffe: Viscotoxine, Flavonoide, Polysaccharide, Aminosäuren, verschiedene Mineralstoffe, Lektine wie Mistellectin I, II und III, Cyclitole, Lignane, Triterpene wie Betulinsäure, Oleanolsäure, β-Amyrin und Ursolsäure, cyclische Peptide, Amine, Proteine.
- Anwendungsgebiete: Traditionell zur Unterstützung des Immunsystems, Bluthochdruck, Verbesserung der Durchblutung, Arteriosklerose, Epilepsie, Keuchhusten, Asthma, Schwindelanfälle, Amenorrhoe, Durchfälle, Chorea, Nervosität. In der modernen Medizin hauptsächlich in der adjuvanten Therapie oder palliativ bei Krebserkrankungen (begleitend, nicht alternativ); dabei ist ihre Wirksamkeit bislang nicht eindeutig beziehungsweise nicht ausreichend wissenschaftlich belegt.
- Hinweis: Blätter und Stängel enthalten giftige (toxische) Proteingemische. Die Beeren sind ungiftig. Die Einnahme von Mistelzubereitungen sollte ausschließlich nach ärztlicher Absprache erfolgen.
Mistelkraut – Eine Übersicht
- Die Mistel galt in früheren Zeiten als mystisch und heilig. In einigen Kulturen gilt das bis heute.
- Die Früchte der Mistel werden im Dezember reif, was ein eher ungewöhnlicher Zeitpunkt ist.
- Die Samen der Pflanze werden über den Kot von Vögeln verbreitet.
- Ein um die Weihnachtszeit aufgehängter Mistelzweig gilt als Schutzbringer für Liebende, wenn sie sich unter dem Zweig küssen. Dieses Brauchtum stammt aus England und wird dort bis heute praktiziert.
- Die Mistel ist ein Halbschmarotzer. Sie wächst auf Bäumen und entzieht diesen Wasser und Nährstoffe, betreibt allerdings selbst Photosynthese.
- Für einige Anwendungsgebiete der Mistel gilt bis heute hauptsächlich die jahrhundertelange Erfahrung als Referenz, für andere gibt es inzwischen wissenschaftliche Studien, die auf eine Wirksamkeit hindeuten. Allerdings ist sie in vielen Bereichen noch nicht umfassend genug erforscht, um die Daten belastbar zu machen. Manche historische Anwendungen wurden auch widerlegt. Hier ist also Achtsamkeit geboten.
Inhaltsstoffe
Die Bedeutung der Mistel als Heilpflanze hat nicht nur abergläubische Wurzeln, sie verfügt tatsächlich über eine Fülle medizinisch wirksamer Stoffe. Dazu zählen:
- Lektine,
- Polypeptide,
- Flavonoide,
- Tyramine,
- Schleim- wie Bitterstoffe,
- Saponine,
- Histamine,
- Polysaccharide,
- Xanthophyll,
- Zink.
Die Lektine können Zucker binden, sollen spezielle Krebszellen hemmen und die Immunkräfte stärken. Die ätherischen Öle und Flavonoide wirken sedativ und fördern die Durchblutung.
Saponine wirken Wasser treibend, lösen Schleim und lindern Schmerzen. Bitterstoffe in der Mistel fördern die Verdauung und regen die Produktion von Gallensäften an.
Wirkung
Tees, Pulver, Dragees etcetera aus Misteln wirken in folgenden Bereichen: Sie beruhigen, sie hemmen Entzündungen. Sie treiben den Harn, und sie lösen Krämpfe.
Sie senken den Blutdruck und finden sich deshalb in Arzneien gegen Bluthochdruck. Misteltees dienen häufig dazu, Herzschwäche und Arteriosklerose zu behandeln.
Auf Umschläge aufgetragen werden sie auch eingesetzt gegen Ekzeme, Geschwüre am Unterschenkel und als Hausmittel gegen Krampfadern.
Studien belegen, dass intrakutane Injektionen mit Mistelpräparaten gegen Gelenkentzündungen helfen. Auch in der Begleittherapie bei Krebserkrankungen gibt es valide Untersuchungen, um eine Empfehlung zu rechtfertigen.
Injektionen sollten nur Ärztinnen oder Ärzte durchführen, da die Dosis individuell bei jeder Patientin beziehungsweise jedem Patienten berechnet werden muss. Mistelpräparate lassen sich als Tinkturen, Tees, Tropfen oder Tabletten in Apotheken erwerben und sind rezeptfrei.
Nebenwirkungen
Überdosierungen von Mistelpräparaten können zu Durchfall, Erbrechen und Krämpfen führen. Bei Injektionen kann es zu Fieber, Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen kommen.
Solche Injektionen dürfen wegen der aus komplexen Eiweißen bestehenden Lektine keinen Menschen verabreicht werden, die sensibel auf Eiweiß reagieren.
Anwendung: Heilkräutercocktail mit Mistel
Mistel erweist sich in Kombination mit Weißdorn als Mittel, um das Herz zu stärken. Außerdem soll diese Kombination auch Herzrhythmusstörungen lindern.
Eine alte Heilpflanze
In der frühen Neuzeit war die Mistel ein Mittel gegen Schlaganfall, Depression, Schwindel und Fieber. Außerdem kam sie als Hausmittel gegen Würmer, Blutspeien und Nasenbluten zum Einsatz.
Lebenssymbol im Winter
Bei den Kelten und Germanen der Antike war die Mistel eine heilige Pflanze. Noch heute hängen Menschen in England, Irland und Schottland Misteln in das Haus, um Unheil abzuwehren – besonders zu Weihnachten.
Es handelt sich dabei allerdings nicht um einen christlichen Brauch, sondern um einen heidnischen. Es ging darum, die zerstörerischen Kräfte des Winters abzuhalten. In der Zeit der Kälte und Dunkelheit galt die immergrüne Mistel als Kraft des Lebens.
Die Mistelfrüchte sind im Dezember reif. Und dieses „pralle Leben“ um die Weihnachtszeit ist vermutlich ein weiterer Grund, dem sie ihren Ruf als Lebensspender zur Wintersonnenwende verdankte.
Misteln fanden ihren Weg nicht nur zum Druiden Miraculix im Asterix-Comic, sondern hängen auch über britischen Hauseingängen. Außerdem finden sie sich zu Weihnachten in hiesigen Blumenläden.
Das Spektrum der „Mistelfans“ reicht dabei von Esoterikern und Esoterikerinnen, die an die magische Macht der „Druidenpflanze“ glauben. Bis hin zu Ungläubigen, die die Mistelzweige zusammen mit Tannengrün als Schmuck nutzen.
Die Mistel fällt nicht vom Baum
Ihren Ruf als Zauberpflanze verdankt die Mistel aber nicht nur ihren immergrünen Blättern. Misteln wachsen auf Bäumen, ohne herunterzufallen.
Deshalb galten sie im assoziativen Denken des Mittelalters, das später in die Theorie von Anthroposophie und Homöopathie einfloss, als Mittel gegen Epilepsie. Bereits der Römer Plinius empfahl die Mistel als Mittel gegen diese Erkrankung.
Der Name für Epilepsie lautete Fallsucht. Und so, wie die Mistel nicht vom Baum fiel, sollte der Epileptiker oder die Epileptikerin nicht hinfallen.
Hexen und Druiden
Eine Mistel an der Hauswand sollte Hexen und Dämonen abhalten sowie das Haus vor Feuer schützen. Ihre gegabelten Zweige galten als Wünschelrute, um magische Kräfte zu entdecken.
Die Menschen im antiken Griechenland ehrten ihre psychoaktiven Eigenschaften. Sie nutzten die Pflanze vermutlich, um in Trancezustände zu gelangen.
In der germanisch-christlichen Edda tötet der blinde Gott Hödur den Lichtgott Baldur mit einem Mistelzweig. Göttermutter Freya hatte zuvor allen Lebewesen befohlen, Baldur kein Haar zu krümmen.
Die Mistel hatte sie übersehen, was der boshafte Loki, halb Gott, halb Riese, ausnutzte. Er drückte Höldur einen Mistelzweig in die Hand und der streckte ihn Baldur entgegen, worauf Baldur starb.
Von den Druiden der Kelten wissen wir wenig. Klar ist aber, dass diese gleichzeitigen Richter und Priester die Mistel als heilige Pflanze ansahen. Eine Mistel im Baum diente den Göttern und Göttinnen dazu, ihren Besitzanspruch zu demonstrieren.
In einem solchen Baum lebten die Götter und Göttinnen selbst. Deshalb durften die Druiden die Misteln nur für religiöse Zeremonien schneiden, und die Mistel durfte nicht den Boden berühren.
Das Mistelkreuz des Heilands
Im christlichen Volksglauben kursierte das Märchen, dass das Kreuz Christi aus einer Mistel gefertigt worden sein soll. Der Baum hätte sich so dafür geschämt, dass er geschrumpft sei.
Seitdem konnte er nur noch als Gast auf anderen Bäumen vegetieren. Um seine Schande wieder gut zu machen, würde der Mistelbusch allen Glück bringen, die unter ihm hindurch gingen.
Magische Medizin
Im magischen Denken des Mittelalters war die Mistel auch eine wichtige Heilpflanze. So sollte laut Hildegard von Bingen Mistelsaft erfrorene Gliedmaßen wiederbeleben. Augenscheinlich lag dieser Aberglaube daran, dass die immergrüne Mistel im Winter nicht erfriert.
Vielfältige Schmarotzer
Weltweit gibt es zwischen 400 und 1.400 Mistelarten, die genaue Anzahl ist nicht geklärt. Klar ist aber, dass sich Populationen der hierzulande auftretenden Weißbeerigen Mistel unterscheiden hinsichtlich ihrer Wirtsbäume.
So gibt es Laubholz-Misteln, die Apfelbäume, Birken, Linden, Ahorn, Haselnuss, Pappel oder Weide befallen. Weiter Tannen-Misteln, die vor allem auf Weißtannen schmarotzen, und schließlich Kiefern-Misteln, die lediglich auf Fichten und Kiefern Wurzeln schlagen.
Die Mistel ist ein so genannter Halbschmarotzer, das heißt, sie wächst auf Bäumen und entzieht diesen Wasser und Salze. Dabei betreibt sie aber selbst Photosynthese.
Im Winter sichtbar
Im Sommer bleiben die Laub-Misteln weitgehend verdeckt. Im Herbst und Winter jedoch, wenn ihre Wirtsbäume das Laub abwerfen, treten ihre grünen Kugeln hervor und erinnern an Krähennester.
Die Misteln entwickeln einen kleinen Stamm mit gabeligen Verzweigungen, die eine Kugel bilden. An den Zweigen sitzen lederartige Laubblätter in Form von kleinen Zungen, am Ende der Zweiggabelungen befinden sich Blüten.
Aus den weiblichen Blüten bilden sich die charakteristischen Früchte – rund, weiß und gefüllt mit klebrigem Schleim. Die Misteln blühen von Februar bis Mai, im Spätherbst sind die Beeren weiß.
Die Mistpflanze
Das Wort Mistel kommt von Mist, also Kot, und rührt daher, dass Vögel mit ihrem Kot die Pflanze verbreiten. Vor allem Drosseln wie die Misteldrossel fressen die Scheinbeeren und geben die Samen unverdaut wieder ab.
Der lateinische Name Viscum bedeutet Klebstoff. Tatsächlich nutzten die Menschen im alten Rom ebenso wie die Menschen im Mittelalter die klebrigen Beeren, um Leimruten herzustellen, mit denen sie Vögel fingen. Daher rührt auch die deutsche Redewendung „jemandem auf den Leim gehen“.
Ökologie
Im Unterschied zum Verhältnis von Mistel und Wirtsbaum ist die natürliche Beziehung zwischen Vögeln und Misteln eine Win-Win-Situation. Im Winter profitieren diverse Vogelarten von den klebrigen Früchten: Mistel-, Rot- wie Singdrosseln, Star und Seidenschwanz.
Wenn die Vögel die Früchte aufreißen, setzen sie den Mistelsamen frei. Dieser kann ohne diese Hilfe die Fruchthülle nicht durchdringen.
Die Vögel putzen sich zudem immer wieder den Schnabel an Ästen, weil das Fruchtfleisch so klebt. Dadurch verteilen sie die Samen – zum anderen scheiden sie die Keimlinge mit dem Kot aus.
Gefahr für Streuobstwiesen
Streuobstwiesen sind eine traditionelle Form der Landwirtschaft, die in Deutschland massiv zurückging – durch Asphaltierung, das Zubetonieren für Wohngebiete. Aber auch durch Monokulturen, intensive Landwirtschaft, Agrarindustrie und sinkende Preise für landwirtschaftliche Produkte.
Die verbliebenen Streuobstwiesen sind einer der artenreichsten Lebensräume Europas und Refugien für in Deutschland hoch bedrohte Tierarten: Steinkauz, Wendehals, Klein- wie Grünspecht und Wiedehopf. Außerdem für Gartenrotschwanz, Braun- und Schwarzkehlchen, Fledermäuse sowie Sieben- und Gartenschläfer.
Streuobstwiesen sind durch eine Vielzahl an blühenden Obstbäumen ein Paradies für bedrohte Insekten, Wildbienen, Wildhummeln, Wespen, Hornissen. Daneben auch für Käfer und Schmetterlinge.
Derzeit verbreitet sich die Laubholz-Mistel in Deutschland enorm und bedroht an manchen Orten die Streuobstwiesen. Die Ursachen sind eine unzureichende Pflege der Streuobstbestände sowie die Klimaerwärmung und mit Nährstoffen gesättigte Böden.
Naturschutzverbände fordern, massiv gegen die Misteln vorzugehen, ohne aber die Misteln auszurotten. Eine Gefahr für die Misteln besteht nicht, da diese auch gedeihen, ohne die Kulturpflanzen zu befallen.
Ein durchschnittlicher Befall mit Misteln tötet den Wirtsbaum nicht. Wenn die Misteln aber dicht wachsen und dem Wirt immer mehr Wasser und Nährstoffe entziehen, stirbt der Baum irgendwann ab. Bei Apfelbäumen bilden sich krebsartige Wucherungen.
Mistelernte
Im Unterschied zu populären Vorstellungen stehen Misteln in Deutschland nicht unter Naturschutz. Wenn in Ihrem Garten also Misteln wachsen, dürfen Sie diese ohne Weiteres nutzen. In öffentlichen Anlagen gelten hier die Besitzrechte des jeweiligen Eigentümers oder der Eigentümerin.
Laubholz-Misteln ernten wir generell im späten Herbst und Winter, wenn die Bäume ihr Laub abgeworfen haben. Dann sind die Mistelkugeln leicht zu erkennen, und wir können mit Leiter und Säge gut die Äste erreichen, auf denen sie wachsen.
Wir können einzelne Mistelblätter abschneiden, aber auch den kurzen Stamm eines Busches absägen. Die Mistel fällt dann zu Boden.
Die geschnittenen Zweige und Blätter trocknen wir bei Temperaturen bis zu 40 Grad Celsius. Die getrockneten Blätter sind runzelig, steif und lederartig. Zweige und Blätter schmecken bitter.
Misteln pflanzen
Wollen Sie Misteln im eigenen Garten pflanzen? Dazu müssen Sie nur Mistelfrüchte sammeln, ausdrücken und den Brei an die Rinde eines jungen Astes an einem passenden Wirtsbaum verteilen.
Allerdings dauert es lange, bis Sie in größerem Ausmaß ernten können. Es dauert sechs Jahre, bis die Kugel einen Durchmesser von 30 Zentimeter erreicht. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Kooperation Phytopharmaka GbR: www.koop-phyto.org (Abruf: 04.02.2018), Mistel
- Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Landesverband Hessen e.V.: Glücksbringer zur Jahreswende: die Mistel; http://www.bund-hessen.de (Abruf: 03.02.2018), bund-hessen.de
- NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V.: Nabu-Infopapier zu Misteln in Streuobstbeständen, Stand: 21.05.2021, www.nabu.de (Abruf: 19.05.2025), nabu.de
- van Wyk, Ben-Erik; Wink, Coralie; Wink, Michael: Handbuch der Arzneipflanzen: Ein Bildatlas, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015
- Schilcher, Heinz; Kammerer, Susanne; Wegener, Tankred: Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2010
- National Center for Complementary and Integrative Health (NCCIH): www.nccih.nih.gov (Abruf: 28.01.2018), European Mistletoe
- aponet.de: Mistelzweig: Achtung, giftig! Stand: 05.12.2022 (abgerufen am 19.05.2025), aponet.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.