Nahrungsergänzungsmittel immer populärer – teilweise gesundheitsgefährdend
Immer mehr Menschen in Deutschland greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Und das obwohl Fachleute regelmäßig darauf hinweisen, dass solche Präparate bei einer ausgewogenen Ernährung für die meisten Personen überflüssig sind. Manche dieser Mittel können leider auch die Gesundheit gefährden. In den vergangenen Jahren wurden den Behörden zahlreiche solcher gefährlicher Produkte gemeldet.
Krebserregende Substanz in Nahrungsergänzungsmittel nachgewiesen: Erst vor wenigen Tagen berichteten wir über den Rückruf eines solchen Präparats. Dass gesundheitliche Risiken durch solche Mittel gar nicht so selten sind, thematisieren nun auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen.
Ernsthafte gesundheitliche Probleme möglich
„Superfood fürs Immunsystem, Vitamin D gegen Coronaviren, Mineralstoffe für Schönheit von innen: Glaubt man den Werbeaussagen mancher Anbieter, können Nahrungsergänzungsmittel wahre Wunder bewirken“, sagt Christiane Seidel, Referentin im Team Lebensmittel des vzbv, laut einer Mitteilung.
„Tatsächlich können sie aber ernsthafte gesundheitliche Probleme wie Herz- und weitere Organschäden oder Muskelschwäche verursachen“, erklärt die Expertin. Sie weist darauf hin, dass es inakzeptabel ist, dass die Politik diesen Milliardenmarkt nicht regelt und die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht vor Irreführung und gesundheitlichen Risiken schützt.
Warnung vor krebserregendem Ethylenoxid
Laut einer forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V vom November/ Dezember 2021 konsumieren immer mehr Menschen Nahrungsergänzungsmittel. Fast die Hälfte der Befragten hatte demnach innerhalb der letzten sechs Monate ein oder mehrere Nahrungsergänzungsmittel gekauft. Im Jahr 2016 war es ein gutes Drittel.
Seit dem Start des von den Verbraucherzentralen betriebenen Internetportals „Klartext-Nahrungsergaenzung.de“ vor fünf Jahren haben die Fachleute 250 Produkte an die Überwachungsbehörden gemeldet, die ihnen zuvor durch Verbraucherinnen- und Verbraucheranfragen sowie –beschwerden zugetragen wurden. Zudem wurden über 20 juristische Verfahren eingeleitet.
Besonders oft warnten die Verbraucherzentralen vor krebserregendem Ethylenoxid in pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, vor unzulässigen Arzneisubstanzen, Salmonellen und zu hohen Dosierungen einzelner Inhaltsstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln, beispielsweise zu viel Curcumin und Piperin in Kurkuma-Produkten. Diese können potentiell leberschädigend wirken.
Ernste Nebenwirkungen
Nahrungsergänzungsmittel werden zwar in Form von Tabletten, Dragees oder als Pulver angeboten, sie sind aber keine Arznei- sondern Lebensmittel, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Nahrungsergänzungsmittel sind für gesunde Menschen, die sich normal ernähren, in der Regel überflüssig. Bei ausgewogener Ernährung bekommt der Körper alle Nährstoffe, die er braucht.
Die Präparate dürfen nicht dazu bestimmt sein, Krankheiten zu heilen oder zu verhüten. Anders als Arzneimittel, die ein Zulassungsverfahren durchlaufen, unterliegen Nahrungsergänzungsmittel lediglich einer Registrierungspflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Für die Sicherheit der Mittel sind die Hersteller verantwortlich.
Als Lebensmittel müssen sie laut dem BfR vor allem sicher sein und dürfen keine Nebenwirkungen haben. Doch hoch dosiert können sie ernste Nebenwirkungen haben, schreibt die Verbraucherzentrale.
Auf dem Internetportal Klartext Nahrungsergänzung warnten die Fachleute in den vergangenen Jahren zum Beispiel vor der zusätzlichen Einnahme von Beta-Carotin bei Rauchenden, da dies die Entstehung von Lungenkrebs begünstigen kann. Präparate mit Goji-Beeren können etwa gefährliche Wechselwirkungen mit Medikamenten wie beispielsweise Blutverdünnern auslösen.
Und zu hohe Dosen der Antioxidantien Vitamin A, E und Betacarotin könnten die Lebenserwartung verkürzen, berichtet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf seinem Portal „gesundheitsinformation.de“.
Bundesregierung zum Handeln aufgefordert
Die Verbraucherzentralen fordern die Bundesregierung zum Handeln auf. Nötig seien etwa verbindliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln.
Zudem brauche es eine Positivliste, die klarstellt, welche Stoffe in Nahrungsergänzungsmitteln genutzt werden dürfen – zum Beispiel für Stoffe wie „Botanicals“ (Pflanzen-, Algen-, Pilz- und Flechtenextrakte).
Des Weiteren müsse das Vorsorgeprinzip konsequent gelten. So sollten Unternehmen vor Markteintritt nachweisen müssen, dass ihre Produkte unbedenklich sind und Artikel, die dies nicht leisten, dürften gar nicht erst auf den Markt kommen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Gesundheitliche Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln, (Abruf: 03.04.2022), Bundesinstitut für Risikobewertung
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Nahrungsergänzungsmittel: Können sie auch schaden?, (Abruf: 03.04.2022), gesundheitsinformation.de
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.