Dioscorea communis, die Gemeine Schmerwurz, ist die einzige Yamswurzel, die auch in Deutschland vorkommt. Der Wurzelsaft war historisch ein Hausmittel gegen Prellungen, rheumatische Beschwerden und Gicht. Noch heute wird die Wurzel als Brech- und Abführmittel eingenommen. Sie ist allerdings toxisch, und das Erbrechen ein Symptom einer Vergiftung.
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Dioscorea communis (Syn. Tamus communis)
- Volksnamen: Gemeine Schmerwurz, Gewöhnliche Schmerwurz, Echte Schmerwurz, Schmerzwurz, Stickwurz, Feuerwurzel, historisch: Jungfräuliche Wurzel, schwarze Rebe, Frauengras, Teufelstraube, Notre-Dame Siegel
- Familie: Yamswurzelgewächse (Dioscoreaceae)
- Verbreitung: Nordafrika, am Mittelmeer von Spanien bis in die Türkei, in Westasien bis in den Iran hinein, in Deutschland bis an den Oberrhein und Bodensee
- Verwendete Pflanzenteile: Beeren, Wurzeln
- Inhaltsstoffe: Kalziumoxalat, Glykoside wie Dioscin, Gracilin und Saponine, Sterole wie Beta-Sitosterol und Stigmasterol, Histamin, Phenanthren-Derivate
- Anwendungsgebiete: Brechmittel, historisch gegen rheumatische Schmerzen, Quetschungen, Prellungen, Verstauchungen, Gicht und Verstopfung, als Abführmittel und Diuretikum. Manche dieser Effekte sind bereits Vergiftungserscheinungen. Die Beeren der Schmerzwurz sind toxisch und sollten nicht zur „Eigentherapie“ verwendet werden.
Gemeine Schmerwurz – Eine Übersicht
- Schmerwurz ist eine Kletterpflanze und wächst besonders in Gebüschen und Hecken an anderen Pflanzen. Ansonsten besiedelt sie den Rand von Laubgehölzen, wo der Boden frisch und voller Nährstoffe ist.
- Die Pflanze ist durch die Saponine und das Kalziumoxalat giftig. Dennoch wurde (und wird) sie in der Volksheilkunde als Arznei eingesetzt.
- Die giftigen Beeren leuchten glänzend rot und wirken deshalb besonders für Kinder attraktiv. Im Mund lösen sie einen brennenden Schmerz aus, weshalb sie auch auch Feuerbeeren genannt werden.
- Dioscorea communis enthält Kalziumoxalat in Form nadelförmiger Kristalle. Bei Kontakt dringen diese in die Haut ein und verursachen eine Entzündung, die sich in Blasen und Rötungen zeigt. Die Hautreizung wird auch durch das Histamin begünstigt. Das Essen der Früchte führt zu Verdauungsproblemen, Schmerzen in Mund, Rachen und Speiseröhre. Höhere Dosierungen können auch zu stärkeren Reaktionen führen.
- Schmerwurz leitet sich von „smer“ ab (mittelhochdeutsch für Fett) im Bezug auf die „schmierigen“ Wurzeln, beziehungsweise vom althochdeutschen Wort „smerte“, was „scharf“ bedeutet und sich auf den durchdringenden Geschmack der Wurzel bezieht.
- Einzelne Stoffe der Pflanze haben Potenzial in der Krebsmedizin als Wirkstoffe eingesetzt zu werden.
- Die jungen Triebe werden seit der Antike im Mittelmeerraum als Gemüse zubereitet und mit grünem Spargel verglichen. Als einziger Teil der Pflanze sind diese „Köpfe“ ungiftig.
Dioscorea communis – Inhaltsstoffe
Die Pflanze enthält unter anderem:
- Kalziumoxalat,
- Glykoside (wie Dioscin und Gracilin),
- Saponine,
- Sterole (wie Beta-Sitosterol und Stigmasterol),
- Histamin,
- Phenanthren-Derivate .
Kalziumoxalat
Kalziumoxalat ist der Hauptbestandteil von Nierensteinen und dient Pflanzen wie Dioscorea communis, Dieffenbachia oder Rumex scutatus (Schild-Ampfer) dazu, Fressfeinde abzuwehren.
Es fördert Entzündungen im Darm. Besonders bei der einer durchlässigen Darmschleimhaut wird über die Nahrung aufgenommenes Kalziumoxalat zu einem Problem, weil es sich dann im Körper verteilt und dort Störungen verursacht. Zuviel über Pflanzen aufgenommenes Oxalat kann zudem Nierensteine fördern.
Eine Studie (2019) betonte, dass der Anteil an Oxalat, der mit dem Urin ausgeschieden wird, eine wichtige Rolle dabei spielt, ob sich Nierensteine bilden oder nicht.
Saponine
Saponine sind Stoffe in Wurzeln, Knollen, Blättern oder Blüten, die in Verbindung mit Wasser schäumen. Darum heißen sie auch Seifenstoffe (sapo bedeutet Seife). Saponine schützen Pflanzen vor Pilzbefall und bekämpfen tierische Fressfeinde: Sie wirken giftig gegen Insekten und andere Wirbellose. Die Saponine der Schmerwurz lösen auch beim Menschen schwache toxische Effekte aus.
Diese Saponine wehren auch bei Menschen Bakterien und Pilze ab, hemmen Entzündungen, treiben den Harn und regen die Produktion mancher Hormone an und erhöhen den Blutdruck. Die Seifenbildung fördert das Abhusten von zähem Schleim. Während niedrig dosierte Saponine Entzündungen hemmen, lösen sie diese in größeren Mengen selbst aus.
Eine Studie (2010) erläuterte, dass viele natürliche Saponine signifikante krebshemmende Eigenschaften besitzen und damit ein großes Potenzial für Arzneien im Bereich der Krebsmedizin haben.

Dioscorea communis – Medizinische Wirkungen
Die Inhaltsstoffe der Wurzel von Dioscorea communis wirken harntreibend, kurbeln in niedriger Dosierung den Stoffwechsel an und reizt die Haut. Diese Effekte lassen sich bei der Behandlung mancher Erkrankungen nutzen: Ein verstärktes Ausscheiden von Harn kann Giftstoffe und Krankheitserreger aus dem Körper spülen.
Der Wurzelsaft galt als Hausmittel gegen Gicht und rheumatische Schmerzen. Mit ihm wurden Prellungen, Verstauchungen und Quetschungen äußerlich behandelt.
Heute wird mancherorts die Wurzel noch als Mittel gegen Verstopfungen genutzt, um abzuführen und als Brechmittel. Diese Effekte sind körperliche Reaktionen auf Giftstoffe.
Das Diosgenin in Dioscorea communis ähnelt dem Hormon Progesteron. Insofern könnte die Pflanze auch gegen Wechseljahresbeschwerden und das Prämenstruelle Syndrom helfen.
Neben den Saponinen kommt eine Studie (2006) zu dem Schluss, dass auch die Phenanthren-Derivate aus der Pflanzenwurzel Potenzial für Antitumor-Wirkungen besitzen – und zwar durch ihre cytotoxischen Wirkungen. Eine weitere Studie (2012) fand ebenfalls Hinweise darauf, dass Extrakte aus den Beeren und Wurzeln der Pflanze mit einer potenziellen Zytotoxizität gegen bestimmte Krebsformen wirken könnten.
Eine Studie (2019) fand Belege für deutliche antioxidative Effekte mehrerer Substanzen im Dioscorea communis-Extrakt.
Damit bestätigte die Untersuchung ein ähnliches Ergebnis einer Studie von 2016, wobei im Pflanzenextrakt aktive Substanzen nachgewiesen wurden, die zur Steigerung des natürlichen antioxidativen Potenzials beitragen.
Giftwirkung von Schmerwurz
Oxalate (Salze der Oxalsäure) sind in größeren Mengen giftig. Oral eingenommen reizen Oxalate Mund, Rachen, Speiseröhre, Magen und Darm. Auf der Haut führt die Reizung durch Oxalat zu Blasenbildung und Rötungen.
Kalziumoxalat dagegen ist nur schwerlöslich und zeigt daher nur eine geringe Giftwirkung. Vor allem hat Schmerwurz hat eine schleimhautreizende Wirkung.
Bei höheren Dosierungen und damit einhergehenden schweren Vergiftungen muss sofort ein Arzt einbezogen werden. Bei leichteren Fällen, zum Beispiel, wenn ein Kind eine Beere in den Mund genommen und ausgespuckt hat, reicht es, den Mund mit Wasser zu spülen und Aktivkohle zu essen, die das Gift im Magen aufnimmt und neutralisiert.
Anwendungen in der Volksheilkunde
In Frankreich wurde die Wurzel von Dioscorea communis in der Frauenheilkunde eingesetzt, außerdem, um blaue Flecken zu behandeln. Mit Schmalz wurde aus der zerkleinerten Wurzel eine Salbe zubereitet und gegen Rheuma auf die jeweiligen schmerzenden Stellen aufgetragen.
Auch die frisch, aufgeschnittene Wurzel wurde ohne Weiterverarbeitung auf die rheumatischen Regionen aufgelegt. Umschläge dienten dazu, Blutergüsse ohne Wunden aufzulösen. Da der Wurzelsaft die Haut stark reizt, sind solche Methoden heute nicht mehr verbreitet.
In der Provence wurden aber noch Anfang der 1990er Jahre Dioscorea-Wurzeln auf Märkten verkauft.
Die Anwendungen von Dioscorea communis in der Volksheilkunde waren vielfältig. Die Wurzel diente insbesondere gegen Arthritis, wurde aber auch bei weiteren Beschwerden eingesetzt, unter anderem gegen:
- Frostbeulen,
- Gries in Blase und Nieren,
- verhärtetes Gewebe,
- Ödeme (Wassereinlagerungen im Körper),
- Hautknoten und Hauttumore (siehe auch Hautwucherungen),
- Zerrungen,
- Nagelbettentzündungen.
Schmerwurz in der Küche
Der Einsatz als Heilpflanze und als Küchenkraut überschneidet sich vor allem rings um das Mittelmeer, aber auch in der Türkei und im Iran.
Bereits der antike griechische Arzt Dioskurides erwähnte, dass Schmerwurz als Gemüse genutzt werde und hielte die jungen Triebe für ein Mittel gegen Epilepsie und Schwindel. Die jungen Triebe, in Frankreich als Reponchonköpfe bekannt, sind der einzige Teil der Pflanze, der keine Giftstoffe enthält.
Auf Kreta finden sich die jungen Triebe im März auf den Gemüsemärkten und werden ähnlich zubereitet wie Spargel. Sie verlieren durch Kochen etwas von ihrem bitteren Geschmack. Die Triebe werden geputzt, gewaschen, zerkleinert und in Salzwasser rund zehn Minuten gekocht. Am Ende werden sie mit Olivenöl und Zitronensaft (Zitrone) beträufelt und mit Pfeffer und Salz abgeschmeckt.
Gartenpflanze
Schmerwurz ist winterhart und besitzt ein unterirdisches Speicherrhizom. Aus diesem sprießen im März die jungen Triebe, die sehr schnell wachsen und Ranken bilden.
Dioscorea communis ist als Zier- und Kletterpflanze beliebt, da es eine Vielzahl glänzend grüner Blätter in Herzform ausbildet und schnell unansehnliche Wände überwuchert. Im Spätsommer sprenkeln dieses satte Grün dann die knallroten Beeren.
Vorsicht bei Kindern! Die Beeren sehen attraktiv aus und sind zugleich sehr giftig. Wenn Sie kleine Kinder haben, sollten Sie Schmerwurz nicht pflanzen; wenn Sie die Pflanze bereits im Garten haben, müssen Sie die Kinder aufklären.
Dioscorea communis hat keine großen Ansprüche: Der Boden sollte frisch und wasserdurchlässig sein – das Rhizom kann Staunässe nicht vertragen, es fault dann. Ideal ist ein Substrat im Halbschatten, das Sand enthält. Darüber hinaus ist die Pflanze sehr anpassungsfähig. Schmerwurz bildet im Frühsommer Blüten. Die Rhizome werden am besten im Herbst oder Vorfrühling ein- und umgepflanzt.
Fazit: Dioscorea communis als Heilpflanze
Die Verwendungen der frischen unterirdischen Teile sowie der Beeren von Dioscorea communis gelten in der heutigen evidenzbasierten Medizin als obsolet. Einige tatsächliche medizinische Effekte sind auch zugleich Symptome einer leichten Vergiftung, wobei das Verhältnis zwischen Heilwirkungen und schädlichen Konsequenzen im Sinne einer therapeutischen Anwendung negativ ausfällt.
Zudem gibt es deutlich erfolgreichere und andere gänzlich unschädliche Mittel, um etwa den Harnfluss zu fördern, abzuführen und rheumatische Schmerzen zu behandeln. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nacer Amroui, Nozha Mayouf, Noureddine Charouf et al.: Antioxidant, anti-inflammatory and anti-arthritic activities of methanol extract of Dioscorea communis L. Roots, in: Tropical Journal of Pharmaceutical Research, Volume 18, Issue 7, Seiten 1499-1506, 2019, AJOL
- Shuli Man, Wenyuan Gao, Yanjun Zhang et al.: Chemical study and medical application of saponins as anti-cancer agents, in: Fitotherapia, Volume 81, Issue 7, Seiten 703-714, 2010, ScienceDirect
- Tanecia Mitchell, Parveen Kumar, Thanmaya Reddy et al.: Dietary oxalate and kidney stone formation, in: American Journal of Phyisiology - Renal Physiology, Volume 316, Issue 3, 2019, American Physiological Society
- Ekbal Al-Khateeb, Ara Adkar Ohan, Hakeem Al-Ani: Cytotoxity Studies of Dioscorea communis roots and berries extracts on human HEp-2 and AMN-3 carcinoma cells, in: Hygeia, Journal for Drugs and Medicines, Volume 4, Issue 2, 2012, Academic Journals Database
- Borbala Rethy, Adriana Kovacz, Istvan Zupko et. al: Cytotoxic Phenanthrenes from the Rhizomes of Dioscorea communis, in: Planta Medica, Volume 72, Issue 8, Seiten 767-770, 2006, Thieme
- Fatima Zerargui, Abderrahmane Baghiani, Seddik Khenouf et al.: Antioxidant activity assessment of Tamus communis L. Roots, in: International Journal of Pharmacy and Pharmaceutical Studies, Volume 8, Issue 12, Seiten 64-71, 2016, Innovare Academic Sciences
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.