Im falschen Körper gefangen? Transsexuelle und Transgender
Transsexualität ist das Verlangen, zu leben und akzeptiert zu werden als ein Mensch mit dem entgegen gesetzten Geschlecht als dem biologischen. Gewöhnlich fühlen sich die Betroffenen in ihrem männlichen oder weiblichen Körper unwohl und wünschen sich, mit Operationen und Hormonen einen Körper zu bekommen, der dem bevorzugten Geschlecht so nahe kommt wie möglich.
Inhaltsverzeichnis
Diese Definiton galt auch historisch und steht heute für einen möglichen Gebrauch des Begriffs von Menschen, die sich selbst als transsexuell definieren. Andere, die den Begriff weiter fassen, bezeichnen damit jede und jeden, der sozial wie ein Angehöriger des anderen Geschlechts lebt, unabhängig davon, ob die Betroffenen sich medizinischen Eingriffen unterzogen haben oder sich diesen unterziehen möchten.

Der davon betroffene Mensch erscheint bisweilen, als ob er körperlich komplett mit seiner angeborenen Gender-Identität konform geht. Nur in seinen Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen fühlt er einen mächtigen Druck, falsch platziert zu sein.
Bis heute gibt es keine schlüssige Theorie, warum dieser Zustand entsteht, allerdings fokussieren sich die gegenwärtigen Hypothesen der Forschung stark auf eine biologische Basis, die sich vor der Geburt im entwickelnden Fötus herausbildet.
Wie häufig ist Transsexualität?
1983 ergab eine Untersuchung in der damaligen BRD circa 6000 bis 8000 transidente Menschen in Deutschland. Doch diese Zahlen erfassten nur die chirugisch Behandelten. Weder berücksichtigen sie Betroffene, die sich im Ausland operieren ließen noch Menschen, die andere Wege als eine Operation fanden.
Heutige Schätzungen gehen von circa 170.000 Menschen in Deutschland mit einer Transgender-Identität aus. Da viele der Betroffenen jedoch in der Anonymität leben, ist die Dunkelziffer vermutlich viel höher.
Transsexuell oder Transgender?
John Oliven prägte 1965 den Begriff transgender. In den 1990ern setzte sich dann transsexuell durch, allerdings ist transgender weiter verbreitet, und viele, die sich selbst als transgender bezeichnen, lehnen den Begriff transsexuell ab.
Transsexuell ist aber immer noch im Gebrauch, insbesondere, wenn es um die biologische Definition geht. Menschen, die ihr Geschlecht mit einer Operation verändern wollen, lehnen für sich den Begriff transgender häufig aber, das sich gender auch auf das soziale Geschlecht beziehen kann.
Viele, die sich einer Operation unterzogen haben, lehnen den Begriff transgender auch ab, weil sie ja ihr biologisches Geschlecht verändert haben, ihr soziales Geschlecht aber gleich geblieben ist.
Dass manche Betroffene sich lieber als transsexuell denn als transgender bezeichnen, hat auch historische Gründe: Von den 1950er bis zu den 1980er Jahren diskutierte die medizinische Community, den Unterschied zwischen Transsxuellen, die ihr Geschlecht per Operation umwandeln und anderen, die diese köperlichen Eingriffe nicht wollten Beide Gruppen seien vollkommen unterschiedlich.
Diese Sichtweise wird immer noch kontrovers debattiert, wobei heute viele Ärzte davon ausgehen, dass es keine klare Trennung gibt zwischen denen, die ihren Körper medizinisch verändern wollen und anderen, die daran kein Interesse haben.
Viele Betroffene lehnen den Begriff transsexuell für sich ab, weil es ihnen nicht um Sexualität, sondern um ihre Gender-Identität geht.
Transgender bedeutet, dass dieser Mensch sich nicht mit dem Geschlecht identifiziert, mit dem er auf die Welt kam, also als Frau oder Mann. Jemand, der oder die sich als transgender ansieht, ist zum Beispiel mit einer Vagina auf die Welt gekommen, fühlt sich aber als Mann.
Ursachen für Transsexualität
Viele Transsexuelle, Therapeuten, Sexwissenschaftler und andere denken, dass Transsexualität angeboren ist. Einige vermuten, dass das Konzept in der DNA der Betroffenen enthalten ist, doch dazu fehlen bisher Studien. Andere meinen, dass Schwankungen im Hormonspiegel des Fötus die Besonderheit bedingen.
Die Wurzel der Transsexualität ist noch nicht gefunden. Vergleichbar mit anderen Zuständen scheint es sich um eine Vielfalt von Faktoren zu handeln, die zusammen wirken, was die Forschung erschwert. Bei Transsexualität spielen vermutlich genetische Faktoren ebenso eine Rolle wie pränatale Hormone und zusätzliche Bedingungen der Umwelt.
Gegenwärtig gibt es viele mögliche Erklärungen für das Phänomen, zum Beispiel die Gehirnstruktur, die Hinrfunktionen, psychologische Ursachen und Verhaltensformen.
Eine post mortem Studie aus den Niederlanden identifizierte eine Region im Hypothalamus, der bei Frauen deutlich kleiner ist als bei Männern. Die Gehirne von Transsexuellen, die von Männern zu Frauen transferierten zeigten eine ähnliche Entwicklung des Gehirns wie andere Frauen. Dies führte zur Theorie, dass diese Region des Gehirns verantwortlich ist für die Gender-Identität, die sich vor der Geburt formt auf eine Art, die nicht notwendig mit der physischen Gestalt des Körpers einhergeht.
Diese Gehirnfinktion lässt sich nicht erkennen, wenn das Baby auf die Welt kommt, und so erhält das Kind seine Gender Identität zugeschrieben aufgrund seiner Genitalien. Für die Hypothalamus-These spricht, dass viele Transsexuelle berichten, dass sie sich schon in einem sehr frühen Alter im “falschen Körper” fühlte, also nicht erst mit der Suche nach einer sexuellen Identität.
Das Gefühl, im falschen Körper zu leben, setzte vielmehr ein in der Zeit, in der sich Kleinkinder bewusst werden, dass sie ein Selbst haben, dass sie von anderen unterscheidet. Da in diesem Alter die gesellschaftliche Prägung auf soziale und Genderrollen noch keine Rolle spielt, gewinnt die These von der angeborenen Transsexualität an Gewicht.
Transsexualität in der Kindheit
Die meisten erwachsenen Betroffenen erinnern sich daran, dass sie sich in ihrer Kindheit anders als ihre Geschlechtsgenossen verstanden. Lange bevor sie sexuelle Erfahrungen machten, wussten sie, dass sie ins “andere Lager” gehörten. Ein solches Wissen kann schrecklich sein, wenn das Umfeld Konformität verlangt und Vielfalt ablehnt.
“Geschlechts-untypisches” Verhalten von Kindern ist nicht ungewöhnlich. Mädchen, die in die Jungenrolle schlüpfen werden meist eher toleriert als Jungen, die die Mädchenrolle annehmen. Viele Jungen, die mit Mädchenspielzeug spielen wachsen als heterosexuelle Männer heran; einige werden homosexuell; und einige wenige betrachten sich niemals überhaupt als Männer, aber oft fürchten sie um ihre Sicherheit, wenn andere Kinder sie als “Schwuchteln” abstempeln.
Konformität in der Kindheit und Gruppendruck sind die ersten Probleme, die transgender Menschen in ihrer Reise zum Übergang erfahren.
Körperbild und Transsexualität
Das Körperbild ist die innere Repräsentation der physischen Erscheinung eines Individuum. Menschen mit einer Störung ihrer Gender identity, die sich als transsexuell bezeichnen, sind unfähig, ein befriedigendes Körperbild zu entwickeln weil ihr biologisches Geschlecht und ihre Gender-Identität auseinander klaffen.
Betroffene haben ein schlechtes Körperbild, denn im falschen Körper gefangen zu sein, ist ihr Grundgefühl. Körperbild heißt nicht nur, wie jemand seinen Körper wahrnimmt, sondern auch, wie sich dieser Mensch mit dieser Wahrnehmung fühlt. Deshalb ist das Körperbild ein wichtiger Teil des Selbstkonzeptes, das ein Mensch hat.
Der Transsexuelle ist unfähig, einen ihn befriedigenden Körper zu entwickeln – wegen der Dissonanz zwischen seinem oder ihrem anatomischen Geschlecht und der Geschlechtsidentität. Die Wirklichkeit des Körpers des Transsexuellen geht nicht konform mit den erwünschten Körperbild. Das Ergebnis ist eine chronische Störung in der Entwicklung eines konsistenten Selbstkonzeptes.
Betroffene versuchen, diese Dissonanz zu reduzieren, indem sie ihr Aussehen dem gewünschten Gender Konzept annähern. Männliche Transsexuelle tragen Frauenkleidung, entfernen sich die Gesichtshaare oder überdecken sie mit Make-Up, nutzen gepolsterte Bhs oder lackieren sich die Nägel, um das unbefriedigende Körperbild zu ändern.
Außenstehende verwechseln sie häufig mit Homosexuellen, was nicht richtig ist. So sind die meist negativen Begriffe “Tunte” und “Transe” fast austauschbar.
Sie bezeichnen klischeehaft homosexuelle Männer, die sich affektiert feminin verhalten, schrill weiblich kleiden, übertrieben damenhaft verhalten, also zum Beispiel den kleinen Finger beim Kaffeetrinken abspreizen, mit einer hohen Stimme sprechen und wie Fräulein in alten Filmen leicht erschrecken und dies mit Lauten wie “Huch” oder “Ui” ausdrücken. Tunten wiegen die Hüfte, kichern und verwenden obszöne Begriffe, so das Klischee.
Drag Queens haben diese Tuntenhaftigkeit zur Kunstform entwickelt. Als Homosexualität unterdrückt wurde, war Tuntigkeit eine Protestform. So schrieb Rosa von Praunheim 1971: “Die Mehrzahl der Homosexuellen gleicht dem Typ des unauffälligen Sohnes aus gutem Hause, der den größten Wert darauf legt, männlich zu erscheinen. Sein größter Feind ist die auffällige Tunte. Tunten sind nicht so verlogen wie der spießige Schwule. Tunten übertreiben ihre schwulen Eigenschaften und machen sich über sie lustig. Sie stellen damit die Normen unserer Gesellschaft in Frage und zeigen, was es bedeutet, schwul zu sein.“
Übertrieben oder nicht steht die “Tunte” für einen homosexuellen Mann, der in der Beziehung, die “weibliche”, passive Rolle übernimmt. Ihr Gegenüber ist der machohafte Lederkerl, oft mit Schnurrbart, Ledergeschirr und einem im Bodybuilding-Center geformten Körper, der die “männliche” Rolle ausfüllt.
Eine Gender-Rolle zu übernehmen ist aber nicht das gleiche wie das Bedürfnis Transsexueller, das Geschlecht zu wechseln. Ein homosexueller Mann ist ein Mann, der Männer begehrt, ein transsexueller Mann ein Mann, der sich als Frau fühlt.
Betroffene Frauen tragen umgekehrt Männerkleidung, schneiden zum Beispiel ihre Haare kurz, flachen ihre Brüste ab und platzieren ihren Schritt so, dass es wirkt, als hätten sie einen Penis. Letztlich suchen sie danach, ihr Geschlecht zu verwandeln, sei es durch medizinische, sei es durch operative Methoden, um den Körper in Harmonie mit dem bevorzugten Körperimage zu bringen.
Weibliche Betroffene wirken auf Laien schnell wie Lesben, die die männliche Rolle in Beziehungen übernehmen. Hier gilt, analog zu homosexuellen Männern: Eine Lesbe ist eine Frau, die Frauen begehrt, eine transsexuelle Frau eine Frau, die ein Mann sein will.
Depressionen
Die Situation von Menschen, sich im falschen Körper gefangen zu fühlen, führt zu physischen und psychischen Beschwerden. Viele Probleme erscheinen beim Coming-Out. Der Stress, eine Wahrheit zu verbergen, die das Leben verändert, ist ein Faktor für stressbedingte Krankheiten wie hohen Blutdruck oder Migräne.
Der Dauerstress manifestiert sich oft in chronischer Angst und Depressionen. Der Level der psychischen Überlastung kann so schlimm sein, dass die Betroffenen in Beruf und Schule nicht mehr funktionieren.
Depression bis zu einem bestimmten Grad ist extrem verbreitet bei Transsexuellen, insbesondere, wenn sie Ablehnung oder Verlust erfahren mussten. Manche religiöse, kulturelle und ethnische Gruppen akzeptieren junge Transgender nicht. Junge Menschen in diesen Gemeinschaften leiden unter Stress in höherem Ausmaß, und das führt letztlich zu Selbstmordgedanken.
Selbstmordverhalten bschäftigt Transsexuelle kontinuierlich. Es gibt drei Phasen, in denen Transsexuelle dem größten Risiko ausgesetzt sind, Selbstmord zu begehen: Die erste ist die Kindheit, wenn der junge Mensch verzweifelt, weil seine Peers ihn nicht mögen und beim Versuch scheitert, sich an die geschlechtsspezifischen Interessen anzupassen.
Die zweite Phase fällt in die Zeit, wenn der Mensch seine Transsexualität akzeptiert, aber versucht, ein “normales” Leben zu führen. Immer mehr fühlt er sich jetzt wie jemand, der eine Maske trägt. Ihn jetzt zu akzeptieren, nimmt den Selbstmordgedanken ihre Schärfe.
Die dritte Phase mit hohem Selbstmordrisiko beginnt mit der Geschlechtsumwandlung. Der Mensch hat jetzt vielleicht eine hohe Erwartung an der Erfolg im gewählten Geschlecht, und einige davon werden bitter enttäuscht.
Die meisten “Gewandelten” finden ihren Platz in der Gesellschaft, setzen ihre Karrieren fort oder beginnen neu. Einige jedoch verlieren ihre Jobs und sind unfähig, eine neue Anstellung zu finden, in der sie genug verdienen, um ihre Lebenskosten zu zahlen.
Familie und Freunde lehnen die Transsexualität vielleicht weiterhin ab, bis dahin, dass sie die Betroffenen aus der Familie verstoßen. Am frustrierendsten ist es aber wahrscheinlich, wenn der Betroffene keinen Partner finder, der ihn liebt und akzeptiert.
Nicht unbedingt ein Grund für Selbstmordgedanken, wohl aber für Depressionen ist, wenn das Lebensgefühl nach der Umwandlung in das gewünschte Geschlecht nicht wirklich besser wird, sprich, wenn der Mensch die Probleme, die er vorher als Mann hatte auch als Frau behält.
Psychologische Beratung sollte alle diese Hürden berücksichtigen und den Übergangsprozess mit den Betroffenen gut planen. Insbesondere sollten Psychologen Probleme ansprechen, die auftreten können, dann können die Transsexuellen besser im Ernstfall besser damit umgehen.
Transsexuelle unter islamischem Gesetz am Beispiel Iran
Im Iran ist nach dem islamischen Gesetz Homosexualität unter Todesstrafe. Ironischerweise sind Geschlechtsumwandlungen per Operation nicht nur legal, sie werden sogar eingefordert von einer Gesellschaft, die männlich oder weiblich akzeptiert, aber nichts dazwischen. Irans Geschlechtsumwandlungs-Industrie boomt.
Angezogen von Mitgliedern des gleichen Geschlechtes, aber gezwungen, ihre sexuelle Identität zu verleugnen, so wählt eine junge Generation von Männern und Frauen die einzige Identität, die ihnen erlaubt ist – Homosexuelle werden transsexuell per Operation.
Transsexualität war das erste Mal von de iranischen Regierung Mitte der 1980er diskutiert. Vor der Islamischen Revolution von 1979 war das Phänomen niemals eine Thema für die Regierung gewesen. 1963 schrieb Ayatollah Khomeini, dass es keine religiösen Verbote an chirugischen Korrekturen von Hermaphroditen oder Intersexuellen gäbe.
Hingegen sind in der iranischen Gesellschaft Stigmatisierungen wegen Cross-Dressing einer der Hauptgründe für soziale Restriktionen. 2008 gab es im Iran mehr Operationen, um das Geschlecht umzuwandeln als in jedem anderen Land der Welt außer Thailand. Die Regierung übernimmt die Hälfte der Kosten für diejenigen, die finanziellen Beistand brauchen, und ein Geschlechtswandel ist ersichtlich in der Geburtsurkunde.
Trotz der staatlichen Unterstützung sind die Kosten der Operation das Hauptproblem für Menschen, die ihr Geschlecht wandeln wollen: Eine Geschlechtsoperation im Iran liegt bei circa 7000 Dollar, und die meisten Betroffenen haben dieses Geld nicht: Zum einen gibt es keine Hilfe von den Familien, und zum anderen haben sie Probleme, Jobs zu finden.
Iraner mit einer transsexuallen Tendenz bekommen die nötige ärztliche Behandlung und neue Pässe. Um eine Erlaubnis zu einer Schönheitsoperation zu bekommen, müssen Bewerber eine medizinische Bescheinigung für eine Störung der Geschlechtsidentität vorlegen.
Iran ist eine islamische Gesellschaft, in der sexuelle Differenz nicht einfach akzeptiert wird. Familien von Homosexuellen und Transsexuellen fürchten in der Regel, ihr Gesicht zu verlieren und lehnen Transsexuelle in ihrer Familie ab.
Eine Betroffene, die von Frau zum Mann wurde, sagt: “Meine Mutter meinte, ich könne tun, was ich wolle – ich müsste nur aus dem Land gehen.” Eine andere Betroffene hörte: “Meine Mutter sagte mit, wenn du dein Geschlecht änderst, hoffe ich, dass du stirbst.”
Auch Geschwister haben Probleme mit dem veränderten Geschlecht. Der 15jährige Bruder eines Betroffenen sagt: “Seit 15 Jahren nenne ich ihn Bruder. Wie soll ich ihn jetzt Schwester nennen?”
Ali Askar ist ein 24jähriger Mann, den andere Männer belästigten, weil er sich feminin anzog und verhielt. Er möchte nicht biologisch eine Frau werden, sieht aber keine anderen Optionen für ihn in der iranischen Gesellschaft. Er entscheidet sich, seine Operation anzugehen, obwohl sein Vater ihn mit dem Tod bedrohte.
Al sag: “Als mein Vater mir das Leben zu Hause unerträglich machte, rannte ich fort und durch die Stadt – in Frauenkleidern. Jeder hielt mich für verrückt. Mein Vater schrie: “Warum willst du deine Geburtsurkunde ändern.” Er wollte mich töten, er versuchte, mich zu Hause zu halten, damit er mich dort umbringen konnte. Deswegen rannte ich weg.”
Am Tag, als er erfuhr, dass ich moch operieren lasse, versuchte er mich mit Rattengift im Tee zu vergiften.
Der 20jährige Mehran erzählt über seine Erfahrungen, als ein Junge war: “Ich hatte viele Probleme damals. Wenn ich nicht im Auto in die Schule fuhr, sondern die Straße entlang ging, verhaftete mich entweder die Polizei, die Revolutionären Garden oder die Religionspolizei. Sie demütitigten mich schwer. Es gab keinen Weg, meine Rechte zu verteidigen.
Transsexualität als spirituelles Phänomen
In der gesamten Geschichte ist Transsexualität überliefert. In Rom, Kanaan, der Türkei, Indien, Nordafrika, “wechselten ihr Geschlecht”, um Gottheiten zu huldigen. Die Literatur über dieses Phänomen berichtet gewöhnlich von “Kastration”. Zeugenaussagen zeigen aber, dass es sich um einen Wechsel der sexuellen Identität handelte.
In Indien lebt diese rituelle Praxis bis heute fort. Die Hijras lassen sich nicht selbst operieren, haben aber einen lokalen Guru, den sie zugleich verachten und respektieren. Diesen “Eunuchen” behandeln sie wie eine Frau.
Die griechische Mythologie widmete sich ebenfalls der Transsexualität: Teiresias bekam seine übernatürliche Macht, weil er magisch vom Mann zur Frau transformierte. Aphrodite, die Göttin der Liebe, die feminininste aller Göttinnen, stieg auf, als Kronos männliche Genitalien dem Himmelsgott opferte und ins Meer warf.
Ein Adliger diente Louis XV von Frankreich und spionierte als seine nicht-existierende Schwester in Russland. Als er wiederkam ordnete Louis an, dass der Adlige sich wie eine Frau anziehen sollte, und er lebte bis zu seinem Tod in dieser Rolle.
Die meisten Christen und Muslime halten Transsexualismus für verwerflich, doch manche Religionen nehmen Transsexuelle mit offenen Armen auf.
Schamanismus geht einher mit Transsexualität, und die meisten schamanischen Religionen sehen einen Transsexuellen als einen Menschen mit dem Potenzial, ein Schamane zu werden. Die Initiation eines Schamanen beinhaltet nämlich einen Wechsel des Geschlechtes; ein Schamane gilt als Wanderer zwischen den Welten – der Menschen und Geister, Menschen und Tiere, Männer und Frauen.
Wenn ein Schamane Visionen hat, meint er häufig, Geister würden ihm befehlen, seine Identität aufzugeben und das entgegen gesetzte Geschlecht anzunehmen. Schamanen berichten, dass diese Erfahrung ihnen Angst macht, dass sie ihr abe runmöglich wiederstehen können. Das erinnert an viele Transsexuelle, die sich von dem transsexuellen Impuls überwältigt fühlen.
Fast alle American Indians kannten ein “drittes Geschlecht”. Die Ojibwa nannten es nisomanito, den Zweigeist. Die Betroffenen sollten zwei Seelen, eine weibliche und ein männliche in sich tragen.
Jungen und Mädchen, die vor ihrer Pubertät ein Verhalten des “anderen Geschlechts” bevorzugten, galten als Two-Spirits. Die sexuelle Anziehung hatte damit nichts zu tun. Ein Mann, der sich anzog wie eine Frau nahm eine besondere Stellung ein und galt oft als Heiler. Sie heirateten dann Männer und übernahmen die Frauenrolle.
Homosexuelle waren sie jedoch meist nicht. Im Unterschied zur Körperwandlung durch Operationen wie bei Transsexuellen veränderten sie ihr Geschlecht auch nicht biologisch. Two-Spirits in einem Männerkörper, die Sex mit einem Mann hatten, galten nicht als homosexuell. Sie waren ein drittes Geschlecht.
Transsexualität in den Kulturen
Thailand gilt als Land mit den meisten Geschölechtsumwandlungen. Kathoey bezeichnet hier biologische Männer, die Eigenschaften von Frauen haben. Das reicht von Cross-Dressing bis zur Identifikation, eine “Frau zweiter Art” zu sein.
Homosexuelle können ebenso Kathoeys sein, wie Menschen, die mit Hormonen oder Operationen das Geschlecht ändern.
Viele Kathoeys sehen aber keinen Widerspruch zwischen ihrer Gender-Identität und ihrem Körper, und manche bezeichnen sich sogar bewusst als Shemales oder Ladyboys.
Japan hat eine überreiche Tradition von Gender-Crossing in Mythen und Literatur. Götter, die Dosojon waren ebenso männlich wie weiblich, und Menschen sollten ihr Geschlecht in den Mondphasen wechseln können. Solche Geschlechtswandler hießen Halbmond.
Die japanische Kleidung ließ nicht klar zwischen Mann und Frau unterscheiden, und so fiel Gender-Crossing einfacher als in europäischen Kulturen.
Im Mittelalter tanzten Männer als Frauen verkleidet am Kaiserhof, um den Monarchen zu belustigen.
Im Oman gibt es die Chanidh. Sie sind biologisch Männer, nehmen aber die Frauenrolle an. Sie werden traditionell wie Frauen behandelt, gelten aber nicht als Frauen.
Sie tragen Männer- und Frauenkleidung, die Frauenkleider haben aber ungewöhnliche Farben. Diese Transgender verhüllen ihren Kopf nicht und tragen halblange Haare, anders als die Frauen und Männer.
Sie verhalten sich wie Drag-Queens, benutzen starkes Parfüm, sprechen mit übertrieben hoher Stimme und gehen überzogen weiblich.
Die Omanis sehen diese Transgender nicht als drittes Geschlecht, sondern eher wie kastrierte Männer. Wenn die Stimme der Betroffenen tiefer wird, können sie als Männer akzeptiert werden.
Hormontherapie
Sexhormone sind verantwortlich für die Veränderungen in menschlichen Körpern, die männliche und weibliche Eigenschaften produzieren, nämlich das männliche Hormon Testosteron und das weibliche Hormon Östrogen.
Eine Hormontherapie ist für manche Transsexuelle ein wichtiger Teil ihres Übergangs. Männliche Transsexuelle nutzen Östrogen, um den Körper zu verweiblichen, während Hormonblocker die männlichen Hormone zurück drängen. Bei weiblichen Transsexuellen bringt Testosteron viele der sekundären männlichen Geschlechtsmerkmale.
Die Körpergestalt zu ändern ist eine ernste Entscheidung, und sie erfordert viel Vorbereitung. Die meisten Ärzte empfehlen 3 Monate bis 2 Jahre Lebenserfahrung im gewählten Geschlecht, bevor die Betroffenen ihren Körper biologisch ändern sollten.
Wie bei jeder Medikation, die ein Leben lang anhält, ist ein gesunder Lebensstil, körperliches Training und eine ausgewogene Ernährung wichtig, die Betroffenen sollten weder exzessiv Alkohol trinken, noch Drogen nehmen oder rauchen. Seriöse Ärzte werden keine Hormontherapie starten, wenn die Betroffenen in schlechter körperlicher Verfassung sind.
Testosteron lässt sich unter anderem per Injektion oder Gel zuführen. Schlägt die Therapie an, sind körperliche Veränderungen die Folge: Die Stimme wird tiefer, die Klitoris wächst, das Gesichts- und Körperhaar wächst.
Die Hormone für männliche Transsexuelle führen eine weibliche Pubertät herbei, allerdings ohne Menstruation, die Hormone reduzieren das Haarwachstum, stoppen es aber nicht. Bei einer Therapie mit weiblichen Hormonen sind folgende Änderungen zu erwarten: Die Brust wächst, die Erektion des Penis lässt nach, die Hoden schrumpfen, und der Anteil des Körperfettes im vergleich zur Muskelmasse wächst.
Transsexuelle Operationen sind seit den 1930er Jahren möglich. Die hormonellen und operativen Techniken werdne jedoch erst seit den 1950er Jahren diskutiert. Dank Institutionen wie der Erickson Educational Foundation sind transsexuelle Behandlungen und Operationen inzwischen ein anerkannter medizinischer Bereich.
Transvestiten
Transvestiten tragen die Kleidung eines anderen Geschlechts, Heterosexuelle ebenso wie Homosexuelle.
Magnus Hirschfeld prägte den Begriff 1910. Er schrieb über „alle Menschen, die, gleich aus welchen Gründen, freiwillig Kleidung tragen, die üblicherweise von dem Geschlecht, dem sie körperlich zugeordnet sind, nicht getragen werden; und zwar sowohl Männer als auch Frauen.“
Transvestivismus und das transsexuelle Bedürfnis, dem anderen Geschlecht zuzugehören, sind nicht identisch. Es gibt aber fließende Übergänge.
Zu Transvestiten gehören die Damenwäscheträger, also Männer, die unter ihrer sichtbaren Kleidung Damenwäsche tragen. Damenwäscheträger sind oft Fetischisten.
Dragqueens und Dragkings stellen das andere Geschlecht hingegen in übertriebener Weise dar. Männliche Dragqueens schminken sich zum Beispiel extrem, tragen weit auslandende Kleider, und weibliche Dragqueens setzen sich Zylinder auf und tragen Krawatten.
Travestie schließlich bezeichnet einen Kunstform, in der Schauspieler die Rolle von Menschen des anderen Geschlechts einnehmen.
Transvestitischer Fetischismus gilt als psychische Störung, allerdings nur, wenn die Betroffenen darunter in hohem Ausmaß leiden.
Die meisten Transvestiten leiden aber überhaupt nicht unter ihrer Neigung und sind insofern kein Fall für den Psychiater.
(Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Christiane Ant: Transsexualität und menschliche Identität: Herausforderung sexualethischer Konzeptionen, Lit Verlag, 2000
- George Fink: Stress Consequences: Mental, Neuropsychological and Socioeconomic, Academic Press, 2009
- Department of Health (Hrsg.): www.mermaidsuk.org.uk (Abruf: 20.08.2019), A guide for young trans people in the UK
- Vern L. Bullough; Bonnie Bullough: Human Sexuality: An Encyclopedia, Routledge, 2014
- American Psychological Association (Hrsg.): "Report of the Task Force on Gender Identity and Gender Variance", 2005, Report of the Task Force on Gender Identity and Gender Variance
Wichtiger Hinweis:
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